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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Vie neuesten Darstellungen der deutschen Kunstgeschichte.

Denkmäler haben. Über die Datirung dieser Bauten oder vielmehr der in
ihnen zum erstenmale folgerichtig durchgeführten EinWölbung ist bekanntlich
viel gestritten worden. In den Tagen der Romantiker (Boisferöe 1843) gefiel
man sich darin, diese urdeutsche Schöpfung soweit als irgend möglich zurückzu-
datiren; Quast verfiel bei einem Versuche, diese Auffassung zu berichtigen, in
den entgegengesetzten Irrtum. Es fehlt uns nicht an zahlreichen Nachrichten
über Bauzeit und Bauperioden dieser Denkmäler, neuerdings sind sie namentlich
für den Mainzer Dom von Friedrich Schneider in mustergiltiger Weise zu¬
sammengestellt worden; die Schwierigkeit ihrer Benutzung liegt in den zahl¬
reichen Veränderungen, die jedes mittelalterliche Bauwerk erfahren hat. Dem meist
hastig und oberflächlich vorgenommenen Notbau folgte in nicht zu langer Zeit
die eigentliche Anlage der heute uoch erhaltenen Bauten, der aber zahlreiche
Erweiterungen oder Umbauten meist ein so widersprnchvolles Ansehen geben,
daß dem Spürsinn und leider auch der willkürlichen Grübelei weiter Spiel¬
raum gegeben ist. Dohme spricht sich sehr zurückhaltend aus: (S. 54) "Nach¬
dem ungezählte Werke in Trümmer gesunken oder durch Neubauten verdrängt
sind, ist der Nachweis, wo die erste gewölbte Basilika des gebundenen Systems
errichtet worden, heute mit Sicherheit nicht mehr zu führen. In das all¬
mähliche Ausreifen des Gedankens aber gewährt die Betrachtung der drei großen
romanischen Dome von Mainz, Speyer, Worms einen lehrreichen Einblick.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß in dem ältesten von ihnen, dem Dome von
Mainz mit seinen primitiven Formen, die große Neuerung zuerst auf deutschem
Boden einsetzt." Es folgen dann nach seiner Anordnung der Dom zu Speyer
(erste Hälfte des zwölfte" Jahrhunderts) und der Dom zu Worms (zweite Hälfte
desselben Jahrhunderts), denen er die Abteikirche zu Laach anschließt, ohne ihr
Verhältnis zu den genannten Bauten genauer zu bestimmen. Lübke, der auf dem
Gebiete mittelalterlicher Baukunst mehr Selbständigkeit als sonst bekundet,
stellt die Laacher Kirche den drei Domen voran, die er in der gleichen, auch von
Knackfuß beliebten Anordnung aneinanderreiht. Diese auf Quasls Ausführungen
zurückgehende Zeitstellung ist, was das Verhältnis der Dome von Speyer und
Mainz anlangt, noch immer anfechtbar. Zunächst läßt die große Krypten-
anlage des Speyerer Domes, die bereits "1039 vollendet war, die ursprüngliche
Absicht eines großränmigen Langschiffes vermuten, und wir werden die damals
geplante Anlage im wesentlichen auch in dem heutigen Ban, was die Pfeiler¬
stellung u. s. w. anlangt, wiedererkennen können, da der Brand vom Jahre 11S9
unmöglich auch die Fundamente zerstört haben kann. Gerade die enge, abwechselnde
Pfeilerstelluug weist uns auf die schon ursprünglich beabsichtigte Einwölbung
des Langhauses hin, die wir daher sehr wohl auch in der urkundlich am Ende
des elften Jahrhunderts vollendeten ersten Domkirche annehmen dürfen. Auch
die EinWölbung des Mainzer Doms mit den ältern Forschern, denen sich Knack¬
fuß anschließt, in das Jahr 1137 herabzurücken, sind wir keineswegs gezwungen,


Grenzboten IV. 1883. 13
Vie neuesten Darstellungen der deutschen Kunstgeschichte.

Denkmäler haben. Über die Datirung dieser Bauten oder vielmehr der in
ihnen zum erstenmale folgerichtig durchgeführten EinWölbung ist bekanntlich
viel gestritten worden. In den Tagen der Romantiker (Boisferöe 1843) gefiel
man sich darin, diese urdeutsche Schöpfung soweit als irgend möglich zurückzu-
datiren; Quast verfiel bei einem Versuche, diese Auffassung zu berichtigen, in
den entgegengesetzten Irrtum. Es fehlt uns nicht an zahlreichen Nachrichten
über Bauzeit und Bauperioden dieser Denkmäler, neuerdings sind sie namentlich
für den Mainzer Dom von Friedrich Schneider in mustergiltiger Weise zu¬
sammengestellt worden; die Schwierigkeit ihrer Benutzung liegt in den zahl¬
reichen Veränderungen, die jedes mittelalterliche Bauwerk erfahren hat. Dem meist
hastig und oberflächlich vorgenommenen Notbau folgte in nicht zu langer Zeit
die eigentliche Anlage der heute uoch erhaltenen Bauten, der aber zahlreiche
Erweiterungen oder Umbauten meist ein so widersprnchvolles Ansehen geben,
daß dem Spürsinn und leider auch der willkürlichen Grübelei weiter Spiel¬
raum gegeben ist. Dohme spricht sich sehr zurückhaltend aus: (S. 54) „Nach¬
dem ungezählte Werke in Trümmer gesunken oder durch Neubauten verdrängt
sind, ist der Nachweis, wo die erste gewölbte Basilika des gebundenen Systems
errichtet worden, heute mit Sicherheit nicht mehr zu führen. In das all¬
mähliche Ausreifen des Gedankens aber gewährt die Betrachtung der drei großen
romanischen Dome von Mainz, Speyer, Worms einen lehrreichen Einblick.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß in dem ältesten von ihnen, dem Dome von
Mainz mit seinen primitiven Formen, die große Neuerung zuerst auf deutschem
Boden einsetzt." Es folgen dann nach seiner Anordnung der Dom zu Speyer
(erste Hälfte des zwölfte» Jahrhunderts) und der Dom zu Worms (zweite Hälfte
desselben Jahrhunderts), denen er die Abteikirche zu Laach anschließt, ohne ihr
Verhältnis zu den genannten Bauten genauer zu bestimmen. Lübke, der auf dem
Gebiete mittelalterlicher Baukunst mehr Selbständigkeit als sonst bekundet,
stellt die Laacher Kirche den drei Domen voran, die er in der gleichen, auch von
Knackfuß beliebten Anordnung aneinanderreiht. Diese auf Quasls Ausführungen
zurückgehende Zeitstellung ist, was das Verhältnis der Dome von Speyer und
Mainz anlangt, noch immer anfechtbar. Zunächst läßt die große Krypten-
anlage des Speyerer Domes, die bereits "1039 vollendet war, die ursprüngliche
Absicht eines großränmigen Langschiffes vermuten, und wir werden die damals
geplante Anlage im wesentlichen auch in dem heutigen Ban, was die Pfeiler¬
stellung u. s. w. anlangt, wiedererkennen können, da der Brand vom Jahre 11S9
unmöglich auch die Fundamente zerstört haben kann. Gerade die enge, abwechselnde
Pfeilerstelluug weist uns auf die schon ursprünglich beabsichtigte Einwölbung
des Langhauses hin, die wir daher sehr wohl auch in der urkundlich am Ende
des elften Jahrhunderts vollendeten ersten Domkirche annehmen dürfen. Auch
die EinWölbung des Mainzer Doms mit den ältern Forschern, denen sich Knack¬
fuß anschließt, in das Jahr 1137 herabzurücken, sind wir keineswegs gezwungen,


Grenzboten IV. 1883. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/145>, abgerufen am 29.06.2024.