Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Ulrich von Hütten.
und in dem Vorwort zu dem ersten derselben bleibt er dabei:
Weshalb gerade er sich dieser Sache so lebhaft annehme, dafür giebt er Neben diesen Übersetzungen entstand ferner eine Reihe neuer Arbeiten, vor Denn mehr und mehr wurde es ja klar, daß die Hoffnungen auf Karl V. Ulrich von Hütten.
und in dem Vorwort zu dem ersten derselben bleibt er dabei:
Weshalb gerade er sich dieser Sache so lebhaft annehme, dafür giebt er Neben diesen Übersetzungen entstand ferner eine Reihe neuer Arbeiten, vor Denn mehr und mehr wurde es ja klar, daß die Hoffnungen auf Karl V. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202852"/> <fw type="header" place="top"> Ulrich von Hütten.</fw><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_36" type="poem"> <l> Um Wahrheit ich ficht,<lb/> Niemand mich abbricht;<lb/> Es dread oder gang,<lb/> Gotts Geist mich bezwang;</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_218" prev="#ID_217"> und in dem Vorwort zu dem ersten derselben bleibt er dabei:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_37" type="poem"> <l> Von Wahrheit ich will nimmer lan,<lb/> Das soll mir bitten ab kein Mann;<lb/> Auch schafft zu stillen mich kein Wehr,<lb/> Kein Bann, kein Acht, wie fast und sehr<lb/> Man mich damit zu schrecken meint;<lb/> Wiewohl mein fromme Mutter weint,<lb/> Da ich die Sach hatt gfangen an:<lb/> Gott woll sie trösten, es muß gahn,<lb/> Und sollt es brechen auch vorm End,<lb/> Wilts Gott, so magh nit werden gwendt,<lb/> Drum will ich brauchen Fuß und Händ,<lb/> Ich Habs gewagt!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_219"> Weshalb gerade er sich dieser Sache so lebhaft annehme, dafür giebt er<lb/> uns in einer gleichzeitigen Schrift den Grund an mit den schönen Worten:<lb/> „allein daß mich Gott mit dem Gemüt beschwert hat, daß mir gemeiner Schmerz<lb/> weher thut und tiefer denn vielleicht andern zu Herzen geht."</p><lb/> <p xml:id="ID_220"> Neben diesen Übersetzungen entstand ferner eine Reihe neuer Arbeiten, vor<lb/> allem vier weitere Dialoge. In dem ersten derselben („Die Bulle oder der<lb/> Bullentöter") wendet er sich mit der ganzen Schneidigkeit seiner Ausdrucksweise<lb/> gegen die päpstliche Bulle, welche Luthern und seine Lehre verdammt hatte.<lb/> Einem zweiten („Die Räuber"), in welchem er ausführt, daß es im Reich uoch<lb/> gefährlichere Räuber gebe als die Ritter, nämlich die Kaufleute, die Juristen<lb/> und allen voran die Geistlichen, könnte man das Wort Selbitzens in Goethes<lb/> Drama vorsetzen: „Götz, wir sind Räuber!" In zwei andern („Erster und<lb/> zweiter Warner") erörtert er die Aussichten der Reform, wobei er Luther und<lb/> Sickingen redend einführt und letzterm Worte in den Mund legt, die sich dahin<lb/> zusammenfassen lassen: falls der Kaiser, seinem eigensten Interesse entgegen, sich<lb/> der Reformation durchaus versage, bleibe ihm nichts übrig, als Seiner Majestät<lb/> allergetreueste Opposition zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_221" next="#ID_222"> Denn mehr und mehr wurde es ja klar, daß die Hoffnungen auf Karl V.<lb/> vergeblich gewesen waren. Sickingen und Hütten hatten den jungen Kaiser<lb/> hoffnungsfreudig begrüßt; die Art jedoch, wie im Verlaufe des Reichstags von<lb/> Worms über Luther und seine Sache entschieden wurde, zeigte, daß die Pa¬<lb/> trioten von Karl etwas erwartet hatten, was er seiner Persönlichkeit und seiner<lb/> Stellung nach nicht erfüllen konnte. Unter geistlicher Leitung in den kirchlichen<lb/> Formen und Anschauungen erzogen, mußte seiner Anlage und seiner Gewöhnung<lb/> ein Vorgehen gegen überlieferte Vorstellungen und Gebräuche wie das des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
Ulrich von Hütten.
Um Wahrheit ich ficht,
Niemand mich abbricht;
Es dread oder gang,
Gotts Geist mich bezwang;
und in dem Vorwort zu dem ersten derselben bleibt er dabei:
Von Wahrheit ich will nimmer lan,
Das soll mir bitten ab kein Mann;
Auch schafft zu stillen mich kein Wehr,
Kein Bann, kein Acht, wie fast und sehr
Man mich damit zu schrecken meint;
Wiewohl mein fromme Mutter weint,
Da ich die Sach hatt gfangen an:
Gott woll sie trösten, es muß gahn,
Und sollt es brechen auch vorm End,
Wilts Gott, so magh nit werden gwendt,
Drum will ich brauchen Fuß und Händ,
Ich Habs gewagt!
Weshalb gerade er sich dieser Sache so lebhaft annehme, dafür giebt er
uns in einer gleichzeitigen Schrift den Grund an mit den schönen Worten:
„allein daß mich Gott mit dem Gemüt beschwert hat, daß mir gemeiner Schmerz
weher thut und tiefer denn vielleicht andern zu Herzen geht."
Neben diesen Übersetzungen entstand ferner eine Reihe neuer Arbeiten, vor
allem vier weitere Dialoge. In dem ersten derselben („Die Bulle oder der
Bullentöter") wendet er sich mit der ganzen Schneidigkeit seiner Ausdrucksweise
gegen die päpstliche Bulle, welche Luthern und seine Lehre verdammt hatte.
Einem zweiten („Die Räuber"), in welchem er ausführt, daß es im Reich uoch
gefährlichere Räuber gebe als die Ritter, nämlich die Kaufleute, die Juristen
und allen voran die Geistlichen, könnte man das Wort Selbitzens in Goethes
Drama vorsetzen: „Götz, wir sind Räuber!" In zwei andern („Erster und
zweiter Warner") erörtert er die Aussichten der Reform, wobei er Luther und
Sickingen redend einführt und letzterm Worte in den Mund legt, die sich dahin
zusammenfassen lassen: falls der Kaiser, seinem eigensten Interesse entgegen, sich
der Reformation durchaus versage, bleibe ihm nichts übrig, als Seiner Majestät
allergetreueste Opposition zu werden.
Denn mehr und mehr wurde es ja klar, daß die Hoffnungen auf Karl V.
vergeblich gewesen waren. Sickingen und Hütten hatten den jungen Kaiser
hoffnungsfreudig begrüßt; die Art jedoch, wie im Verlaufe des Reichstags von
Worms über Luther und seine Sache entschieden wurde, zeigte, daß die Pa¬
trioten von Karl etwas erwartet hatten, was er seiner Persönlichkeit und seiner
Stellung nach nicht erfüllen konnte. Unter geistlicher Leitung in den kirchlichen
Formen und Anschauungen erzogen, mußte seiner Anlage und seiner Gewöhnung
ein Vorgehen gegen überlieferte Vorstellungen und Gebräuche wie das des
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |