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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die letzte Session des preußischen Landtags.

samen Grundgedanken beruhten, die Mittel für die Kirche in vollem Umfange
aus dem Nahmen der staatlichen Fonds auszuscheiden und der evangelischen
Kirche ein für alle mal zur freien Verfügung zu gewähren, so dürften sie sich
nicht auf die Verfügung vom 30. Dezember 1810 berufen, da diese nur für
reichlichere Dotirung der Pfarreien, nicht der evangelischen Kirche spreche, auch
sei Bismarcks Ausdruck von der bessern Dotirung nicht so zu verstehen, daß
er damit eine Verstärkung der geistlichen Macht bezwecke. Das trifft die Sache;
Brück und Genossen wollen gar nichts andres, als daß die Kirchcnbehördeu
die freie Verfügung über erhöhte staatliche Fonds bekommen, um damit klerikale
Ziele zu verfolgen. Der Ton, den unsre klerial-evangelischen Zeitschriften oft
anschlagen, zeigt das sehr deutlich. Wenn ein Mitarbeiter der Zöcklerschen
Kirchenzeitung 1882 behauptete, ohne Einwendung von seiten der Redaktion
zu finden: "Der Papst ist der berufene Statthalter Jesu Christi auf Erden.
Unser protestantisches Gewissen hindert uns nicht im geringsten, diesen römischen
Anspruch zu konzediren," so braucht dazu nur noch ein wenig Welfenpolitik
zu kommen, und es wird die Sprache der "Weckstimmen fürs katholische Volk"
daraus, wenn diese schreiben: "Das Unglück dabei, daß die deutschen Lande
unter einen Hut oder vielmehr unter eine Pickelhaube gebracht wurden, ist daß
jene Pickelhaube ein Haupt trägt, welches Protestant und Freimaurer ist."
Bis zu welchem Grade von Gemeinsamkeit unsre protestantischen Klerikalen
mit dem Papsttum bereits gekommen sind, kann man aus den Worten ersehen,
die die "Germania" vor einiger Zeit als aus der Feder des Leipziger Professors
Kahns stammend brachte: "Wir teilen mit der römischen Kirche das aposto¬
lische, das nicäno-konstantinopolitanische, das athanasianische Symbol -- das
ist eine gewaltige Summe von Wahrheiten. Darum sollen wir den Consensus
höher anschlagen und tiefer durchfühlen lernen, als es bisher geschehen ist.
Darnach sollten wir die grünprotestantische Polemik endlich einmal aufgeben....
In einer Zeit wie die unsrige fällt ein Stück Christentum, wenn irgend ein
römisches Institut fällt." Da ist es nicht zu verwundern, wenn ultramon¬
tane Schriftsteller wie Sebastian Brunner diesen Leipziger Professor "einen
die Zeit verstehenden Protestanten" nennen, d. h. in ihrem Sinne einen guten
römischen Katholiken. Freilich reden unsre protestantischen Klerikalen nicht alle
so. Der Stöckersche Reichsbote sowohl als die Kirchliche Monatsschrift fordern
vor der Hand nur "Episkopalverfassung als Ergänzung und Krönung der
bestehenden Presbyterial-Synodalverfasfung." Aber eine in sich befestigte so¬
genannte "freie" Kirche hat es in ihrer Natur und kauu nicht anders, sie wendet
sich gegen den modernen Staat; je freier sie ist, desto staatsfeindlicher. Darum
darf vom Staate nichts gewährt werden, was dazu dient, jene Befestigung und
Versteifung der Kirche in sich selbst zu begünstige"; wir haben genug an einer
katholischen Kirche, darum keine Dotation der evangelischen Kirche nach dem
Vorbilde der katholischen!


Die letzte Session des preußischen Landtags.

samen Grundgedanken beruhten, die Mittel für die Kirche in vollem Umfange
aus dem Nahmen der staatlichen Fonds auszuscheiden und der evangelischen
Kirche ein für alle mal zur freien Verfügung zu gewähren, so dürften sie sich
nicht auf die Verfügung vom 30. Dezember 1810 berufen, da diese nur für
reichlichere Dotirung der Pfarreien, nicht der evangelischen Kirche spreche, auch
sei Bismarcks Ausdruck von der bessern Dotirung nicht so zu verstehen, daß
er damit eine Verstärkung der geistlichen Macht bezwecke. Das trifft die Sache;
Brück und Genossen wollen gar nichts andres, als daß die Kirchcnbehördeu
die freie Verfügung über erhöhte staatliche Fonds bekommen, um damit klerikale
Ziele zu verfolgen. Der Ton, den unsre klerial-evangelischen Zeitschriften oft
anschlagen, zeigt das sehr deutlich. Wenn ein Mitarbeiter der Zöcklerschen
Kirchenzeitung 1882 behauptete, ohne Einwendung von seiten der Redaktion
zu finden: „Der Papst ist der berufene Statthalter Jesu Christi auf Erden.
Unser protestantisches Gewissen hindert uns nicht im geringsten, diesen römischen
Anspruch zu konzediren," so braucht dazu nur noch ein wenig Welfenpolitik
zu kommen, und es wird die Sprache der „Weckstimmen fürs katholische Volk"
daraus, wenn diese schreiben: „Das Unglück dabei, daß die deutschen Lande
unter einen Hut oder vielmehr unter eine Pickelhaube gebracht wurden, ist daß
jene Pickelhaube ein Haupt trägt, welches Protestant und Freimaurer ist."
Bis zu welchem Grade von Gemeinsamkeit unsre protestantischen Klerikalen
mit dem Papsttum bereits gekommen sind, kann man aus den Worten ersehen,
die die „Germania" vor einiger Zeit als aus der Feder des Leipziger Professors
Kahns stammend brachte: „Wir teilen mit der römischen Kirche das aposto¬
lische, das nicäno-konstantinopolitanische, das athanasianische Symbol — das
ist eine gewaltige Summe von Wahrheiten. Darum sollen wir den Consensus
höher anschlagen und tiefer durchfühlen lernen, als es bisher geschehen ist.
Darnach sollten wir die grünprotestantische Polemik endlich einmal aufgeben....
In einer Zeit wie die unsrige fällt ein Stück Christentum, wenn irgend ein
römisches Institut fällt." Da ist es nicht zu verwundern, wenn ultramon¬
tane Schriftsteller wie Sebastian Brunner diesen Leipziger Professor „einen
die Zeit verstehenden Protestanten" nennen, d. h. in ihrem Sinne einen guten
römischen Katholiken. Freilich reden unsre protestantischen Klerikalen nicht alle
so. Der Stöckersche Reichsbote sowohl als die Kirchliche Monatsschrift fordern
vor der Hand nur „Episkopalverfassung als Ergänzung und Krönung der
bestehenden Presbyterial-Synodalverfasfung." Aber eine in sich befestigte so¬
genannte „freie" Kirche hat es in ihrer Natur und kauu nicht anders, sie wendet
sich gegen den modernen Staat; je freier sie ist, desto staatsfeindlicher. Darum
darf vom Staate nichts gewährt werden, was dazu dient, jene Befestigung und
Versteifung der Kirche in sich selbst zu begünstige»; wir haben genug an einer
katholischen Kirche, darum keine Dotation der evangelischen Kirche nach dem
Vorbilde der katholischen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/511>, abgerufen am 01.09.2024.