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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die letzte Session des preußischen Landtags.

ausführen könnten, Zur Verbesserung der äußern Lage der Geistlichen waren
in den Kultusetat vier Millionen Mark eingestellt worden, dreiviertel Millionen
mehr als im vorigen Jahre, und 300 000 Mark als Entschädigung für den Ausfall
von Stolgebühren. Herr von Hammerstein beantragte dagegen für den erstem
Fonds nicht vier, sondern sechs Millionen und als Entschädigung 1005000 Mark.
Diese dreiviertel Millionen, also das diesjährige Mehr, will ein Antrag des Welsen
Brück zu einem Dispositionsfonds der Bischöfe und der evangelischen Kirchen¬
behörde machen, d. h. der Staat darf zahlen, die Kirche bestimmt aber allein,
was mit dem Gelde geschehen soll. Am schönsten nimmt sich aber ein Antrag
Hammersteins aus, der die nach dem Wunsche der Kirche vermehrten Fonds,
die der Staat für die evangelische Landeskirche aufbringt, dieser in Bausch und
Bogen zur freien Verfügung stellt, d. h. die bisher unter der Verantwortung
des Kultusministers verwalteten Fonds sollen der obersten Kirchenbehörde über¬
wiesen werden. Auf diese Weise kaun dann, so hofft man mit Recht, die pro¬
testantisch-evangelische Kirche zu einer klerikal-evangelischen umgestaltet werden.
Wenn die größere Unterstützung des Staates dazu dient, solche Pläne reifen
zu lassen, so ist zu wünschen, daß der Staat der Aufwendung weiterer Staats¬
mittel für die Kirche schleunigst ein Ende mache; wenn solche Tendenzen in
der evangelischen Kirche sich geltend machen dürfen, so ist selbst der Antrag der
Freikonservativen, daß die königliche Staatsregierung nach Anhörung der obern
evangelischen Kirchenbchörden prüfen soll, welche dringenden kirchlichen Be¬
dürfnisse, insbesondre in Bezug auf die Begründung neuer Parochien, die
Regelung des Stolgcbührenwesens und die Errichtung von Vikariaten, zu
befriedigen sind, und dafür Sorge tragen soll, daß die zur Befriedigung dieser
Bedürfnisse erforderlichen Summen behufs Verwendung durch den Minister der
geistlichen Angelegenheiten nach Benehmen mit den obern Kirchenbehörden
dauernd zur Verfügung gestellt werden sollen -- selbst dieser Antrag ist dann
sehr bedenklicher Natur. Dieser sehr weit entgegenkommende Antrag hat nur
Sinn, wenn das bisher bestehende Verhältnis von Staat und Kirche erhalten
bleibt, ein Verhältnis, welches die Oberhoheit des Staates für die äußere
Kirchenleitung anerkennt und für die Kirche selbst das gedeihlichste ist. Kann
der Staat auch bei der protestantischen Kirche nicht auf ein vertrauensvolles
Zusammenwirken mit den kirchlichen Organen rechnen, so darf er nicht einen
Pfennig mehr an die Kirche zahlen, als er muß; anders nährt er seinen Feind;
ob protestantisch oder katholisch, ist dann ganz gleich. Darauf wies in der
Debatte vor allen der Abgeordnete von Zedlitz-Neukirch hin, der überhaupt
unsrer hochkirchlichen Bewegung gegenüber ein sehr richtiges Urteil hat. Er
machte darauf aufmerksam, daß der Antrag Hammersteins beabsichtige, die Aus¬
gaben des Staates ohne Aussicht auf Deckung zu vermehren, und daß es be¬
denklich sei, auch die Zukunft für so große Summen aus der Staatskasse zu
binden. Wenn aber die Anträge Brüels und Hammersteins auf dem gemein-


Die letzte Session des preußischen Landtags.

ausführen könnten, Zur Verbesserung der äußern Lage der Geistlichen waren
in den Kultusetat vier Millionen Mark eingestellt worden, dreiviertel Millionen
mehr als im vorigen Jahre, und 300 000 Mark als Entschädigung für den Ausfall
von Stolgebühren. Herr von Hammerstein beantragte dagegen für den erstem
Fonds nicht vier, sondern sechs Millionen und als Entschädigung 1005000 Mark.
Diese dreiviertel Millionen, also das diesjährige Mehr, will ein Antrag des Welsen
Brück zu einem Dispositionsfonds der Bischöfe und der evangelischen Kirchen¬
behörde machen, d. h. der Staat darf zahlen, die Kirche bestimmt aber allein,
was mit dem Gelde geschehen soll. Am schönsten nimmt sich aber ein Antrag
Hammersteins aus, der die nach dem Wunsche der Kirche vermehrten Fonds,
die der Staat für die evangelische Landeskirche aufbringt, dieser in Bausch und
Bogen zur freien Verfügung stellt, d. h. die bisher unter der Verantwortung
des Kultusministers verwalteten Fonds sollen der obersten Kirchenbehörde über¬
wiesen werden. Auf diese Weise kaun dann, so hofft man mit Recht, die pro¬
testantisch-evangelische Kirche zu einer klerikal-evangelischen umgestaltet werden.
Wenn die größere Unterstützung des Staates dazu dient, solche Pläne reifen
zu lassen, so ist zu wünschen, daß der Staat der Aufwendung weiterer Staats¬
mittel für die Kirche schleunigst ein Ende mache; wenn solche Tendenzen in
der evangelischen Kirche sich geltend machen dürfen, so ist selbst der Antrag der
Freikonservativen, daß die königliche Staatsregierung nach Anhörung der obern
evangelischen Kirchenbchörden prüfen soll, welche dringenden kirchlichen Be¬
dürfnisse, insbesondre in Bezug auf die Begründung neuer Parochien, die
Regelung des Stolgcbührenwesens und die Errichtung von Vikariaten, zu
befriedigen sind, und dafür Sorge tragen soll, daß die zur Befriedigung dieser
Bedürfnisse erforderlichen Summen behufs Verwendung durch den Minister der
geistlichen Angelegenheiten nach Benehmen mit den obern Kirchenbehörden
dauernd zur Verfügung gestellt werden sollen — selbst dieser Antrag ist dann
sehr bedenklicher Natur. Dieser sehr weit entgegenkommende Antrag hat nur
Sinn, wenn das bisher bestehende Verhältnis von Staat und Kirche erhalten
bleibt, ein Verhältnis, welches die Oberhoheit des Staates für die äußere
Kirchenleitung anerkennt und für die Kirche selbst das gedeihlichste ist. Kann
der Staat auch bei der protestantischen Kirche nicht auf ein vertrauensvolles
Zusammenwirken mit den kirchlichen Organen rechnen, so darf er nicht einen
Pfennig mehr an die Kirche zahlen, als er muß; anders nährt er seinen Feind;
ob protestantisch oder katholisch, ist dann ganz gleich. Darauf wies in der
Debatte vor allen der Abgeordnete von Zedlitz-Neukirch hin, der überhaupt
unsrer hochkirchlichen Bewegung gegenüber ein sehr richtiges Urteil hat. Er
machte darauf aufmerksam, daß der Antrag Hammersteins beabsichtige, die Aus¬
gaben des Staates ohne Aussicht auf Deckung zu vermehren, und daß es be¬
denklich sei, auch die Zukunft für so große Summen aus der Staatskasse zu
binden. Wenn aber die Anträge Brüels und Hammersteins auf dem gemein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/510>, abgerufen am 01.09.2024.