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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanisches Eisenbahnwesen.

großer Städte mit dem Eisenbahnzüge etwa in derselben Weise durchfährt, wie
in Berlin die Leipzigerstraße mit der Pferdebahn. In den Prärien dagegen,
wo der Bahnkörper vielfach von den grasenden Viehherden belagert wird, greift
man zu einem andern Mittel und zwar zur Dampfpfeife, mit der das Gebell
der Hunde so täuschend nachgeahmt wird, daß die Tiere in gestrecktem Galopp
davonlaufen. Gleichwohl kommt es nicht selten, namentlich des Nachts vor,
daß einzelne Stücke überfahren werden, und es währt dann einige Zeit, bis
das Geleise wieder freigemacht wird, wobei die Tiere oft in bedauernswerten
Zustande ihrem weitern Schicksale überlassen werden.

Zur Verminderung der Anlagekosten haben die langen Strecken in der
Regel nur ein Geleise mit bestimmten Weichen, sodaß bei der Unpünktlichkeit
der Fahrzeiten die Gefahr von Zusammenstößen sich wesentlich erhöht. Außerdem
wird auch sonst an Brücken-, Thal-, Sumpf- und sonstigen Übergängen nach
Möglichkeit gespart und der Bau in der Regel aus Holz hergestellt. So bin
ich mehrfach über solche trsstles gefahren, die in schwindelnder Höhe über tiefe
Abgründe hinwegführten. So lange das Holz gesund bleibt, mag die Trag¬
fähigkeit keine Gefahr bieten. Etwas andres ist es mit der Feuergefährlichkeit;
diese droht nicht bloß von dem feuerwerkähnlichen Funkenauswurf der Loko¬
motive, der die Prairie zu beiden Seiten der Bahn oft meilenweit in Brand
setzt und die ganze Gegend in ein schwarzes Kohlenfeld verwandelt, sondern in
waldreichen Strichen auch von den brennenden Baumstämmen, die in unmittel¬
barer Nähe des Bahnstranges liegen. In jenen gesegneten Gegenden ist es
nämlich noch üblich, zur Urbarmachung des Landes die unermeßlichen Holz¬
bestände durch Abbrennen als wertlos zu vernichten, sodaß mit Ausnahme ein¬
zelner Strecken, z. B. der Oregon-Californiabahn, das in unmittelbarster Nähe
lagernde Holz nicht einmal zum Heizen der Lokomotive verwendet wird, und
der Reisende den Nachthimmel ringsum von den kolossalen Feuergarben bren¬
nender Wälder aufleuchten sieht. So großartig dieses Schauspiel auch ist, so
kann man sich in der Erinnerung an die sorgsame Pflege der heimischen Wälder
doch kaum der stillen Trauer erwehren, daß so köstliche Bestände derart ver¬
wüstet werden. Nur in günstig gelegenen Wasserplätzen, wie z. B. in Tacoma
am Puget Sourd, findet sich eine vernünftige Abbauung und Bearbeitung der
Holzbestände, welche dann als Nutzholz nach China, Japan und selbst nach
Australien verschifft werden. Der Besuch einer solchen Holzschneidefabrik ist
überaus lohnend und sollte von niemand versäumt werden. Der Betrieb ist der
hohen Arbeitslöhne halber bis ins Kleinste durch Maschinen geregelt und so
sinnreich eingerichtet, daß man auf der einen Seite der Werkstätte die größten
Baumriesen aus dem Sammelbassin auf schiefen Ebenen über bewegliche Rollen
an Eisenketten hinauf schleppen und unter mächtigen Sägen in Planken zer¬
fallen sieht, die dann in ähnlicher Weise der weitern Bearbeitung zugleiten,
sodaß man alsbald den mächtigen Baum am andern Ende der Werkstatt


Grenzboten II. 138L. S9
Amerikanisches Eisenbahnwesen.

großer Städte mit dem Eisenbahnzüge etwa in derselben Weise durchfährt, wie
in Berlin die Leipzigerstraße mit der Pferdebahn. In den Prärien dagegen,
wo der Bahnkörper vielfach von den grasenden Viehherden belagert wird, greift
man zu einem andern Mittel und zwar zur Dampfpfeife, mit der das Gebell
der Hunde so täuschend nachgeahmt wird, daß die Tiere in gestrecktem Galopp
davonlaufen. Gleichwohl kommt es nicht selten, namentlich des Nachts vor,
daß einzelne Stücke überfahren werden, und es währt dann einige Zeit, bis
das Geleise wieder freigemacht wird, wobei die Tiere oft in bedauernswerten
Zustande ihrem weitern Schicksale überlassen werden.

Zur Verminderung der Anlagekosten haben die langen Strecken in der
Regel nur ein Geleise mit bestimmten Weichen, sodaß bei der Unpünktlichkeit
der Fahrzeiten die Gefahr von Zusammenstößen sich wesentlich erhöht. Außerdem
wird auch sonst an Brücken-, Thal-, Sumpf- und sonstigen Übergängen nach
Möglichkeit gespart und der Bau in der Regel aus Holz hergestellt. So bin
ich mehrfach über solche trsstles gefahren, die in schwindelnder Höhe über tiefe
Abgründe hinwegführten. So lange das Holz gesund bleibt, mag die Trag¬
fähigkeit keine Gefahr bieten. Etwas andres ist es mit der Feuergefährlichkeit;
diese droht nicht bloß von dem feuerwerkähnlichen Funkenauswurf der Loko¬
motive, der die Prairie zu beiden Seiten der Bahn oft meilenweit in Brand
setzt und die ganze Gegend in ein schwarzes Kohlenfeld verwandelt, sondern in
waldreichen Strichen auch von den brennenden Baumstämmen, die in unmittel¬
barer Nähe des Bahnstranges liegen. In jenen gesegneten Gegenden ist es
nämlich noch üblich, zur Urbarmachung des Landes die unermeßlichen Holz¬
bestände durch Abbrennen als wertlos zu vernichten, sodaß mit Ausnahme ein¬
zelner Strecken, z. B. der Oregon-Californiabahn, das in unmittelbarster Nähe
lagernde Holz nicht einmal zum Heizen der Lokomotive verwendet wird, und
der Reisende den Nachthimmel ringsum von den kolossalen Feuergarben bren¬
nender Wälder aufleuchten sieht. So großartig dieses Schauspiel auch ist, so
kann man sich in der Erinnerung an die sorgsame Pflege der heimischen Wälder
doch kaum der stillen Trauer erwehren, daß so köstliche Bestände derart ver¬
wüstet werden. Nur in günstig gelegenen Wasserplätzen, wie z. B. in Tacoma
am Puget Sourd, findet sich eine vernünftige Abbauung und Bearbeitung der
Holzbestände, welche dann als Nutzholz nach China, Japan und selbst nach
Australien verschifft werden. Der Besuch einer solchen Holzschneidefabrik ist
überaus lohnend und sollte von niemand versäumt werden. Der Betrieb ist der
hohen Arbeitslöhne halber bis ins Kleinste durch Maschinen geregelt und so
sinnreich eingerichtet, daß man auf der einen Seite der Werkstätte die größten
Baumriesen aus dem Sammelbassin auf schiefen Ebenen über bewegliche Rollen
an Eisenketten hinauf schleppen und unter mächtigen Sägen in Planken zer¬
fallen sieht, die dann in ähnlicher Weise der weitern Bearbeitung zugleiten,
sodaß man alsbald den mächtigen Baum am andern Ende der Werkstatt


Grenzboten II. 138L. S9
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[0473] Amerikanisches Eisenbahnwesen. großer Städte mit dem Eisenbahnzüge etwa in derselben Weise durchfährt, wie in Berlin die Leipzigerstraße mit der Pferdebahn. In den Prärien dagegen, wo der Bahnkörper vielfach von den grasenden Viehherden belagert wird, greift man zu einem andern Mittel und zwar zur Dampfpfeife, mit der das Gebell der Hunde so täuschend nachgeahmt wird, daß die Tiere in gestrecktem Galopp davonlaufen. Gleichwohl kommt es nicht selten, namentlich des Nachts vor, daß einzelne Stücke überfahren werden, und es währt dann einige Zeit, bis das Geleise wieder freigemacht wird, wobei die Tiere oft in bedauernswerten Zustande ihrem weitern Schicksale überlassen werden. Zur Verminderung der Anlagekosten haben die langen Strecken in der Regel nur ein Geleise mit bestimmten Weichen, sodaß bei der Unpünktlichkeit der Fahrzeiten die Gefahr von Zusammenstößen sich wesentlich erhöht. Außerdem wird auch sonst an Brücken-, Thal-, Sumpf- und sonstigen Übergängen nach Möglichkeit gespart und der Bau in der Regel aus Holz hergestellt. So bin ich mehrfach über solche trsstles gefahren, die in schwindelnder Höhe über tiefe Abgründe hinwegführten. So lange das Holz gesund bleibt, mag die Trag¬ fähigkeit keine Gefahr bieten. Etwas andres ist es mit der Feuergefährlichkeit; diese droht nicht bloß von dem feuerwerkähnlichen Funkenauswurf der Loko¬ motive, der die Prairie zu beiden Seiten der Bahn oft meilenweit in Brand setzt und die ganze Gegend in ein schwarzes Kohlenfeld verwandelt, sondern in waldreichen Strichen auch von den brennenden Baumstämmen, die in unmittel¬ barer Nähe des Bahnstranges liegen. In jenen gesegneten Gegenden ist es nämlich noch üblich, zur Urbarmachung des Landes die unermeßlichen Holz¬ bestände durch Abbrennen als wertlos zu vernichten, sodaß mit Ausnahme ein¬ zelner Strecken, z. B. der Oregon-Californiabahn, das in unmittelbarster Nähe lagernde Holz nicht einmal zum Heizen der Lokomotive verwendet wird, und der Reisende den Nachthimmel ringsum von den kolossalen Feuergarben bren¬ nender Wälder aufleuchten sieht. So großartig dieses Schauspiel auch ist, so kann man sich in der Erinnerung an die sorgsame Pflege der heimischen Wälder doch kaum der stillen Trauer erwehren, daß so köstliche Bestände derart ver¬ wüstet werden. Nur in günstig gelegenen Wasserplätzen, wie z. B. in Tacoma am Puget Sourd, findet sich eine vernünftige Abbauung und Bearbeitung der Holzbestände, welche dann als Nutzholz nach China, Japan und selbst nach Australien verschifft werden. Der Besuch einer solchen Holzschneidefabrik ist überaus lohnend und sollte von niemand versäumt werden. Der Betrieb ist der hohen Arbeitslöhne halber bis ins Kleinste durch Maschinen geregelt und so sinnreich eingerichtet, daß man auf der einen Seite der Werkstätte die größten Baumriesen aus dem Sammelbassin auf schiefen Ebenen über bewegliche Rollen an Eisenketten hinauf schleppen und unter mächtigen Sägen in Planken zer¬ fallen sieht, die dann in ähnlicher Weise der weitern Bearbeitung zugleiten, sodaß man alsbald den mächtigen Baum am andern Ende der Werkstatt Grenzboten II. 138L. S9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/473>, abgerufen am 27.07.2024.