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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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iLrninermigen aus Irland.

das Moos, aus welchem nur spärliche Grashalme, dafür aber trotz des aus¬
gedehntesten Drainagesystems viele Binsen emporragen. In dem feuchten Moor¬
boden der irischen Fluren gedeihen aber infolge des milden Klimas die herr¬
lichsten Lorber- und Rhododendronhcüne. Man kaun wohl sagen, daß diese
beiden Sträucher das gewöhnlichste Unterholz der irischen Wälder bilden, und
es ist ein herrlicher Anblick, im Mai oder Juni solch einen Nhododendrvnbusch
von einem Umfange von vierzig bis fünfzig Fuß in üppigster Blüte zu sehen.
Irland ist so reich a" landschaftlichen Reizen; die herrlichen Seen in der ge¬
birgigen Grafschaft Kerry, die großartigen Basaltfelsen der Nordküste können
sich mit ihresgleichen in jedem Weltteile messen, aber die üppige Pflanzenwelt,
die unvergleichlich schönen, bis an den Boden starkbeästeten Koniferen, die
mächtigen Eichen und Sykomoren, die Lorber- und Rhododendronwälder und
die ewig leuchtend grünen Wiesen bilden doch die Hauptschönheit Irlands.

Die Flora Irlands ist im allgemeinen arm, ebenso die Fauna, jedenfalls
infolge der übermäßigen Feuchtigkeit des Bodens. Auffällig ist es, daß fast
alle in Irland ursprünglich nicht heiniischen Tiere sich nur sehr schwer ein¬
gewöhnen. Eine Ausnahme davon machen die Kaninchen, die in unglaublichen
Mengen dort vorkommen. Bei der jetzigen Notlage der Landwirtschaft haben
manche Gutsbesitzer es vorgezogen, aus ihrer Besitzung eine sogenannte Kaninchen¬
farm zu machen, die oft einen höhern Ertrag liefern soll, als es bei der ver¬
ständigsten Bewirtschaftung möglich ist. Dagegen leiden fast alle andern in
Irland eingeführten, auf Pflanzenkost angewiesenen Tiere an dem sogenannten
Ave-r-linkes, einer Leberkrankheit, deren Entstehung durch den fortwährenden
Genuß nassen Futters erklärt wird. Doch ist diese Krankheit auch bei deu
Menschen sehr häufig. Jedenfalls stellt Irland eine ungewöhnlich große An¬
zahl der regelmäßigen Besucher von Karlsbad, und diese Anzahl wurde
Wohl noch größer sein, wenn nicht ein hoher Prozentsatz der begüterten
Bewohner des Landes sich den größern Teil des Jahres im Auslande
aufhielte.

Der üble Ruf, in dem die Iren sowohl in England als in den Vereinigten
Staaten stehen, ist ohne Zweifel zum Teil verdient. Der Jrländer besitzt viele
von den schlechten Eigenschaften des Franzosen und des Engländers, aber
wenige von ihren guten. Er ist so leidenschaftlich wie der Franzose, so rücksichtslos
und so selbstsüchtig wie der Engländer, zeigt aber weder die Genügsamkeit des
erstem, noch die Geradheit und Energie des letztern. In Amerika bleibt er
meist bettelarm trotz des höchsten Geldverdienstes; seine Saumseligkeit und sein
Geschick im Lügen sind in England geradezu sprichwörtlich geworden. Vor
seinem englischen Nachbar, vor allem vor den zahlreich in Irland eingewan-
derten Schotten, zeichnet ihn eine gewinnende Freundlichkeit und ein höchst wirk¬
samer Humor aus. Diese letztern Vorzüge bieten aber kein Gegengewicht für
seine vielfachen Mängel.


Grenzboten II. 1388. 36
iLrninermigen aus Irland.

das Moos, aus welchem nur spärliche Grashalme, dafür aber trotz des aus¬
gedehntesten Drainagesystems viele Binsen emporragen. In dem feuchten Moor¬
boden der irischen Fluren gedeihen aber infolge des milden Klimas die herr¬
lichsten Lorber- und Rhododendronhcüne. Man kaun wohl sagen, daß diese
beiden Sträucher das gewöhnlichste Unterholz der irischen Wälder bilden, und
es ist ein herrlicher Anblick, im Mai oder Juni solch einen Nhododendrvnbusch
von einem Umfange von vierzig bis fünfzig Fuß in üppigster Blüte zu sehen.
Irland ist so reich a» landschaftlichen Reizen; die herrlichen Seen in der ge¬
birgigen Grafschaft Kerry, die großartigen Basaltfelsen der Nordküste können
sich mit ihresgleichen in jedem Weltteile messen, aber die üppige Pflanzenwelt,
die unvergleichlich schönen, bis an den Boden starkbeästeten Koniferen, die
mächtigen Eichen und Sykomoren, die Lorber- und Rhododendronwälder und
die ewig leuchtend grünen Wiesen bilden doch die Hauptschönheit Irlands.

Die Flora Irlands ist im allgemeinen arm, ebenso die Fauna, jedenfalls
infolge der übermäßigen Feuchtigkeit des Bodens. Auffällig ist es, daß fast
alle in Irland ursprünglich nicht heiniischen Tiere sich nur sehr schwer ein¬
gewöhnen. Eine Ausnahme davon machen die Kaninchen, die in unglaublichen
Mengen dort vorkommen. Bei der jetzigen Notlage der Landwirtschaft haben
manche Gutsbesitzer es vorgezogen, aus ihrer Besitzung eine sogenannte Kaninchen¬
farm zu machen, die oft einen höhern Ertrag liefern soll, als es bei der ver¬
ständigsten Bewirtschaftung möglich ist. Dagegen leiden fast alle andern in
Irland eingeführten, auf Pflanzenkost angewiesenen Tiere an dem sogenannten
Ave-r-linkes, einer Leberkrankheit, deren Entstehung durch den fortwährenden
Genuß nassen Futters erklärt wird. Doch ist diese Krankheit auch bei deu
Menschen sehr häufig. Jedenfalls stellt Irland eine ungewöhnlich große An¬
zahl der regelmäßigen Besucher von Karlsbad, und diese Anzahl wurde
Wohl noch größer sein, wenn nicht ein hoher Prozentsatz der begüterten
Bewohner des Landes sich den größern Teil des Jahres im Auslande
aufhielte.

Der üble Ruf, in dem die Iren sowohl in England als in den Vereinigten
Staaten stehen, ist ohne Zweifel zum Teil verdient. Der Jrländer besitzt viele
von den schlechten Eigenschaften des Franzosen und des Engländers, aber
wenige von ihren guten. Er ist so leidenschaftlich wie der Franzose, so rücksichtslos
und so selbstsüchtig wie der Engländer, zeigt aber weder die Genügsamkeit des
erstem, noch die Geradheit und Energie des letztern. In Amerika bleibt er
meist bettelarm trotz des höchsten Geldverdienstes; seine Saumseligkeit und sein
Geschick im Lügen sind in England geradezu sprichwörtlich geworden. Vor
seinem englischen Nachbar, vor allem vor den zahlreich in Irland eingewan-
derten Schotten, zeichnet ihn eine gewinnende Freundlichkeit und ein höchst wirk¬
samer Humor aus. Diese letztern Vorzüge bieten aber kein Gegengewicht für
seine vielfachen Mängel.


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[0289] iLrninermigen aus Irland. das Moos, aus welchem nur spärliche Grashalme, dafür aber trotz des aus¬ gedehntesten Drainagesystems viele Binsen emporragen. In dem feuchten Moor¬ boden der irischen Fluren gedeihen aber infolge des milden Klimas die herr¬ lichsten Lorber- und Rhododendronhcüne. Man kaun wohl sagen, daß diese beiden Sträucher das gewöhnlichste Unterholz der irischen Wälder bilden, und es ist ein herrlicher Anblick, im Mai oder Juni solch einen Nhododendrvnbusch von einem Umfange von vierzig bis fünfzig Fuß in üppigster Blüte zu sehen. Irland ist so reich a» landschaftlichen Reizen; die herrlichen Seen in der ge¬ birgigen Grafschaft Kerry, die großartigen Basaltfelsen der Nordküste können sich mit ihresgleichen in jedem Weltteile messen, aber die üppige Pflanzenwelt, die unvergleichlich schönen, bis an den Boden starkbeästeten Koniferen, die mächtigen Eichen und Sykomoren, die Lorber- und Rhododendronwälder und die ewig leuchtend grünen Wiesen bilden doch die Hauptschönheit Irlands. Die Flora Irlands ist im allgemeinen arm, ebenso die Fauna, jedenfalls infolge der übermäßigen Feuchtigkeit des Bodens. Auffällig ist es, daß fast alle in Irland ursprünglich nicht heiniischen Tiere sich nur sehr schwer ein¬ gewöhnen. Eine Ausnahme davon machen die Kaninchen, die in unglaublichen Mengen dort vorkommen. Bei der jetzigen Notlage der Landwirtschaft haben manche Gutsbesitzer es vorgezogen, aus ihrer Besitzung eine sogenannte Kaninchen¬ farm zu machen, die oft einen höhern Ertrag liefern soll, als es bei der ver¬ ständigsten Bewirtschaftung möglich ist. Dagegen leiden fast alle andern in Irland eingeführten, auf Pflanzenkost angewiesenen Tiere an dem sogenannten Ave-r-linkes, einer Leberkrankheit, deren Entstehung durch den fortwährenden Genuß nassen Futters erklärt wird. Doch ist diese Krankheit auch bei deu Menschen sehr häufig. Jedenfalls stellt Irland eine ungewöhnlich große An¬ zahl der regelmäßigen Besucher von Karlsbad, und diese Anzahl wurde Wohl noch größer sein, wenn nicht ein hoher Prozentsatz der begüterten Bewohner des Landes sich den größern Teil des Jahres im Auslande aufhielte. Der üble Ruf, in dem die Iren sowohl in England als in den Vereinigten Staaten stehen, ist ohne Zweifel zum Teil verdient. Der Jrländer besitzt viele von den schlechten Eigenschaften des Franzosen und des Engländers, aber wenige von ihren guten. Er ist so leidenschaftlich wie der Franzose, so rücksichtslos und so selbstsüchtig wie der Engländer, zeigt aber weder die Genügsamkeit des erstem, noch die Geradheit und Energie des letztern. In Amerika bleibt er meist bettelarm trotz des höchsten Geldverdienstes; seine Saumseligkeit und sein Geschick im Lügen sind in England geradezu sprichwörtlich geworden. Vor seinem englischen Nachbar, vor allem vor den zahlreich in Irland eingewan- derten Schotten, zeichnet ihn eine gewinnende Freundlichkeit und ein höchst wirk¬ samer Humor aus. Diese letztern Vorzüge bieten aber kein Gegengewicht für seine vielfachen Mängel. Grenzboten II. 1388. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/289>, abgerufen am 28.07.2024.