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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.

Begräbnisses hatte er wohl letztwillig bestimmt. Die Zahl der zum Zwecke der
Begleitung ausgestatteten, der Leiche nachfahrenden Kutschen bezeichnete die
Vornehmheit der Bestattung; die Beschränkung auf sieben deutete auf Ver¬
meidung eiteln Prunkes. Auch gelobt wollte er nicht sein von solchen, die seine
Bedeutung nicht verstanden, ihm wohl gar wegen seiner freien Ansichten
feindlich waren.

Sein um 1665 geborner Sohn Christof Heinrich trat nicht in die Fu߬
tapfen des Vaters. Er promovirte zu Altorf nicht als Doktor, sondern wurde,
wohl nach Verteidigung von Thesen, Licentiat, wie Goethe, aber wohl aus
andern Gründen als dieser, da er keinen anstößigen Gegenstand gewählt hatte.
Im März 1692 sandte er dem Frankfurter Rate seine Abhandlung of loro
an8er"Aali el", wofür er das übliche Geldgeschenk erhielt. Statt sich unter
die Advokaten aufnehmen zu lassen, heiratete er. Am 4. Mai 1693 verband
er sich mit der achtuudzwanzigjährigen Maria Katharina, Tochter des mit
Anna Maria Walter vermählten Handelsmanns und Ratsherrn Johann Nikolaus
Avpel, von dem er wohl das Haus auf der Friedberger Gasse erbte, das wir
im Besitze von Goethes Großvater finden. Es war ein einstöckiges Wohnhaus
mit einem großen, nach der Straße zu sich verengenden Vorhofe und einem
hinter einer langen Mauer sich weit erstreckenden Garten, der an eine Pfarrer¬
wohnung stieß. An der Mauer war wahrscheinlich von Christof Heinrich ein
Kinderzimmer angebaut worden. Noch zu Lebzeiten des Vaters wurden ihm
vier Kinder geboren, am 11. Dezember 1693 Johann Wolfgang, der bei der
am folgenden Tage stattfindenden Taufe die Vornamen dem Großvaters erhielt,
im Juli 1696 eine nach der Großmutter benannte Tochter Anna Maria, Ende
Januar 1699 Regime Juliane, gerade zwei Jahre später Wilhelmine Maria,
von denen nur der Sohn und die letztgenannte Tochter zu höheren Jahren
gelangten. Der Schwiegervater Appel starb kurze Zeit nach dem Vater, am
23. März 1702; er hatte die Erbauung eines Erbbegräbnisses auf dem Petri-
kirchhof für sich und die Nachkommen seiner Tochter letztwillig verfügt. Der
nun begüterte Erbe leistete erst am 31. Oktober 1703 den Bürgereid. Später
ließ er sich unter die Advokaten aufnehmen. Wann er den Titel eines kur¬
pfälzischen Hofrates erhalten, weiß ich nicht. Mitte Oktober 1703 wurde
'hin noch ein zweiter Sohn geboren, der die Namen des verstorbenen Schwieger¬
vaters erhielt.

Sein ältester Sohn Johann Wolfgang erhielt auf dem Gymnasium, in das
er im zehnten Lebensjahre trat, eine gründliche Ausbildung; auch im Fechten
und Tanzen und im Französischen wurde er unterrichtet, und vor seinem Abgange
zur Hochschule gab der Lehrer der Prima ihm und einem Herrn von Stal-
burg "el" oollsßiuin. 8tM xrivs.ti88wmiri über die Teutsch und Lateinische
Sprache." Erst Ostern 1712 ging er nach Altorf, wo in den letzten Jahren
Friedrich Maximilian von Lcrsner aus dem hochadlicheu Hause Alten-Limpurg


Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum.

Begräbnisses hatte er wohl letztwillig bestimmt. Die Zahl der zum Zwecke der
Begleitung ausgestatteten, der Leiche nachfahrenden Kutschen bezeichnete die
Vornehmheit der Bestattung; die Beschränkung auf sieben deutete auf Ver¬
meidung eiteln Prunkes. Auch gelobt wollte er nicht sein von solchen, die seine
Bedeutung nicht verstanden, ihm wohl gar wegen seiner freien Ansichten
feindlich waren.

Sein um 1665 geborner Sohn Christof Heinrich trat nicht in die Fu߬
tapfen des Vaters. Er promovirte zu Altorf nicht als Doktor, sondern wurde,
wohl nach Verteidigung von Thesen, Licentiat, wie Goethe, aber wohl aus
andern Gründen als dieser, da er keinen anstößigen Gegenstand gewählt hatte.
Im März 1692 sandte er dem Frankfurter Rate seine Abhandlung of loro
an8er«Aali el«, wofür er das übliche Geldgeschenk erhielt. Statt sich unter
die Advokaten aufnehmen zu lassen, heiratete er. Am 4. Mai 1693 verband
er sich mit der achtuudzwanzigjährigen Maria Katharina, Tochter des mit
Anna Maria Walter vermählten Handelsmanns und Ratsherrn Johann Nikolaus
Avpel, von dem er wohl das Haus auf der Friedberger Gasse erbte, das wir
im Besitze von Goethes Großvater finden. Es war ein einstöckiges Wohnhaus
mit einem großen, nach der Straße zu sich verengenden Vorhofe und einem
hinter einer langen Mauer sich weit erstreckenden Garten, der an eine Pfarrer¬
wohnung stieß. An der Mauer war wahrscheinlich von Christof Heinrich ein
Kinderzimmer angebaut worden. Noch zu Lebzeiten des Vaters wurden ihm
vier Kinder geboren, am 11. Dezember 1693 Johann Wolfgang, der bei der
am folgenden Tage stattfindenden Taufe die Vornamen dem Großvaters erhielt,
im Juli 1696 eine nach der Großmutter benannte Tochter Anna Maria, Ende
Januar 1699 Regime Juliane, gerade zwei Jahre später Wilhelmine Maria,
von denen nur der Sohn und die letztgenannte Tochter zu höheren Jahren
gelangten. Der Schwiegervater Appel starb kurze Zeit nach dem Vater, am
23. März 1702; er hatte die Erbauung eines Erbbegräbnisses auf dem Petri-
kirchhof für sich und die Nachkommen seiner Tochter letztwillig verfügt. Der
nun begüterte Erbe leistete erst am 31. Oktober 1703 den Bürgereid. Später
ließ er sich unter die Advokaten aufnehmen. Wann er den Titel eines kur¬
pfälzischen Hofrates erhalten, weiß ich nicht. Mitte Oktober 1703 wurde
'hin noch ein zweiter Sohn geboren, der die Namen des verstorbenen Schwieger¬
vaters erhielt.

Sein ältester Sohn Johann Wolfgang erhielt auf dem Gymnasium, in das
er im zehnten Lebensjahre trat, eine gründliche Ausbildung; auch im Fechten
und Tanzen und im Französischen wurde er unterrichtet, und vor seinem Abgange
zur Hochschule gab der Lehrer der Prima ihm und einem Herrn von Stal-
burg „el« oollsßiuin. 8tM xrivs.ti88wmiri über die Teutsch und Lateinische
Sprache." Erst Ostern 1712 ging er nach Altorf, wo in den letzten Jahren
Friedrich Maximilian von Lcrsner aus dem hochadlicheu Hause Alten-Limpurg


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[0229] Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbaum. Begräbnisses hatte er wohl letztwillig bestimmt. Die Zahl der zum Zwecke der Begleitung ausgestatteten, der Leiche nachfahrenden Kutschen bezeichnete die Vornehmheit der Bestattung; die Beschränkung auf sieben deutete auf Ver¬ meidung eiteln Prunkes. Auch gelobt wollte er nicht sein von solchen, die seine Bedeutung nicht verstanden, ihm wohl gar wegen seiner freien Ansichten feindlich waren. Sein um 1665 geborner Sohn Christof Heinrich trat nicht in die Fu߬ tapfen des Vaters. Er promovirte zu Altorf nicht als Doktor, sondern wurde, wohl nach Verteidigung von Thesen, Licentiat, wie Goethe, aber wohl aus andern Gründen als dieser, da er keinen anstößigen Gegenstand gewählt hatte. Im März 1692 sandte er dem Frankfurter Rate seine Abhandlung of loro an8er«Aali el«, wofür er das übliche Geldgeschenk erhielt. Statt sich unter die Advokaten aufnehmen zu lassen, heiratete er. Am 4. Mai 1693 verband er sich mit der achtuudzwanzigjährigen Maria Katharina, Tochter des mit Anna Maria Walter vermählten Handelsmanns und Ratsherrn Johann Nikolaus Avpel, von dem er wohl das Haus auf der Friedberger Gasse erbte, das wir im Besitze von Goethes Großvater finden. Es war ein einstöckiges Wohnhaus mit einem großen, nach der Straße zu sich verengenden Vorhofe und einem hinter einer langen Mauer sich weit erstreckenden Garten, der an eine Pfarrer¬ wohnung stieß. An der Mauer war wahrscheinlich von Christof Heinrich ein Kinderzimmer angebaut worden. Noch zu Lebzeiten des Vaters wurden ihm vier Kinder geboren, am 11. Dezember 1693 Johann Wolfgang, der bei der am folgenden Tage stattfindenden Taufe die Vornamen dem Großvaters erhielt, im Juli 1696 eine nach der Großmutter benannte Tochter Anna Maria, Ende Januar 1699 Regime Juliane, gerade zwei Jahre später Wilhelmine Maria, von denen nur der Sohn und die letztgenannte Tochter zu höheren Jahren gelangten. Der Schwiegervater Appel starb kurze Zeit nach dem Vater, am 23. März 1702; er hatte die Erbauung eines Erbbegräbnisses auf dem Petri- kirchhof für sich und die Nachkommen seiner Tochter letztwillig verfügt. Der nun begüterte Erbe leistete erst am 31. Oktober 1703 den Bürgereid. Später ließ er sich unter die Advokaten aufnehmen. Wann er den Titel eines kur¬ pfälzischen Hofrates erhalten, weiß ich nicht. Mitte Oktober 1703 wurde 'hin noch ein zweiter Sohn geboren, der die Namen des verstorbenen Schwieger¬ vaters erhielt. Sein ältester Sohn Johann Wolfgang erhielt auf dem Gymnasium, in das er im zehnten Lebensjahre trat, eine gründliche Ausbildung; auch im Fechten und Tanzen und im Französischen wurde er unterrichtet, und vor seinem Abgange zur Hochschule gab der Lehrer der Prima ihm und einem Herrn von Stal- burg „el« oollsßiuin. 8tM xrivs.ti88wmiri über die Teutsch und Lateinische Sprache." Erst Ostern 1712 ging er nach Altorf, wo in den letzten Jahren Friedrich Maximilian von Lcrsner aus dem hochadlicheu Hause Alten-Limpurg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/229>, abgerufen am 28.07.2024.