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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das juristische Studium.

Vermögen. Wem nun gute "Wechsel" zu Gebote stehen, wer außerdem die
Absicht hat, einige Semester zuzulegen -- und dies dürfte wohl stets der Fall
sein --, wer das kann und will, dem kann man es doch nicht so übel nehmen,
wenn er anfangs, anstatt ins Kolleg zu gehen, daran vorbei, etwa zur Stamm¬
kneipe wandert. Will er später seine Prüfungen bestehen, so wird er so gut
wie jeder andre arbeiten müssen, nur daß ihm die Arbeit, da sie ihm völlig
ungewohnt ist, vielleicht saurer werden wird als andern.

Die dritte Gruppe endlich besteht aus denjenigen, welche sich nicht nur
als Skua. ^'ur. einschreiben lassen, sondern es auch wirklich sein wollen. Der eine
hat daheim den Richter und Staatsanwalt öfter reden hören, er hat ein tieferes
Interesse an diesem Berufe gewonnen und folgt nun seiner Neigung; bei dem
andern ist es das Verwaltungsfach, das ihn fesselt; ein dritter endlich will
die rein wissenschaftliche Laufbahn verfolgen. Aber was er auch wähle, jeden¬
falls ist der junge Student dieser Gruppe entschlossen, zu arbeiten, und zwar
gleich von vornherein zu arbeiten.

Dies sind also die drei Gruppen, die sich mehr oder minder scharf von ein¬
ander abgesondert unter den Juristen erkennen lassen. Alle drei Gruppen lassen
sich in die Listen als Skua. ^rü,-. eintragen; alle drei Gruppen belegen in ihren
Testirbüchern Kollegien, viel oder wenig. Die Zahl der Eingezeichneten ist
also groß genug, verhältnismäßig gering dagegen die Zahl derer, welche wirklich
die Kollegien besuchen. Und der Grund hierfür? Natürlich nur der offenbare
Unfleiß der Studirenden, wird es in den meisten Fällen heißen. Daß man
jene drei Gruppen streng von einander scheiden muß, daß von jenen Gruppen
die erste gar nicht, die zweite fast gar nicht (wenigstens für die ersten Semester)
das Kolleg besuchen will noch kann, daß also nur die dritte Gruppe die Zahl
der wirklichen Jurastudirenden enthält, wird gar nicht beachtet. Aber erst wenn
man dies berücksichtigt, wird man sich ein richtiges Urteil über Fleiß oder
Unfleiß der Juristen bilden können, wird man finden, daß die Juristen durch¬
aus nicht so weit hinter den Studirenden andrer Fakultäten zurückstehen.

Begleiten wir einmal den jungen Juristen der dritten Gruppe -- und nur
diese kommt in Frage -- auf die Universität, um die Schwierigkeiten näher
kennen zu lernen, die sich ihm entgegenstellen. Schon der erste Eindruck, den
der junge Student von unsern Universitätseinrichtungen empfängt, wird nur zu
oft ein ungünstiger sein. Bekanntlich beginnen bei uns die Semester am 15. April
und am 15. Oktober. Man würde sich aber sehr täuschen, wenn man glauben
wollte, daß nun wirklich die Vorlesungen schon gehalten würden. Das ist ja
nur der "offizielle" Anfang. In Wirklichkeit beginnt das Semester in der
Regel erst vierzehn Tage später. Genau derselbe Unfug -- denn anders kann
man es doch nicht nennen -- wird am Schlüsse des Semesters getrieben, es
wird vierzehn Tage vor dem "offiziellen" Schlüsse geschlossen. Es gehen also
von dem an sich schon kurzen Semester mindestens noch vier Wochen ab.


Das juristische Studium.

Vermögen. Wem nun gute „Wechsel" zu Gebote stehen, wer außerdem die
Absicht hat, einige Semester zuzulegen — und dies dürfte wohl stets der Fall
sein —, wer das kann und will, dem kann man es doch nicht so übel nehmen,
wenn er anfangs, anstatt ins Kolleg zu gehen, daran vorbei, etwa zur Stamm¬
kneipe wandert. Will er später seine Prüfungen bestehen, so wird er so gut
wie jeder andre arbeiten müssen, nur daß ihm die Arbeit, da sie ihm völlig
ungewohnt ist, vielleicht saurer werden wird als andern.

Die dritte Gruppe endlich besteht aus denjenigen, welche sich nicht nur
als Skua. ^'ur. einschreiben lassen, sondern es auch wirklich sein wollen. Der eine
hat daheim den Richter und Staatsanwalt öfter reden hören, er hat ein tieferes
Interesse an diesem Berufe gewonnen und folgt nun seiner Neigung; bei dem
andern ist es das Verwaltungsfach, das ihn fesselt; ein dritter endlich will
die rein wissenschaftliche Laufbahn verfolgen. Aber was er auch wähle, jeden¬
falls ist der junge Student dieser Gruppe entschlossen, zu arbeiten, und zwar
gleich von vornherein zu arbeiten.

Dies sind also die drei Gruppen, die sich mehr oder minder scharf von ein¬
ander abgesondert unter den Juristen erkennen lassen. Alle drei Gruppen lassen
sich in die Listen als Skua. ^rü,-. eintragen; alle drei Gruppen belegen in ihren
Testirbüchern Kollegien, viel oder wenig. Die Zahl der Eingezeichneten ist
also groß genug, verhältnismäßig gering dagegen die Zahl derer, welche wirklich
die Kollegien besuchen. Und der Grund hierfür? Natürlich nur der offenbare
Unfleiß der Studirenden, wird es in den meisten Fällen heißen. Daß man
jene drei Gruppen streng von einander scheiden muß, daß von jenen Gruppen
die erste gar nicht, die zweite fast gar nicht (wenigstens für die ersten Semester)
das Kolleg besuchen will noch kann, daß also nur die dritte Gruppe die Zahl
der wirklichen Jurastudirenden enthält, wird gar nicht beachtet. Aber erst wenn
man dies berücksichtigt, wird man sich ein richtiges Urteil über Fleiß oder
Unfleiß der Juristen bilden können, wird man finden, daß die Juristen durch¬
aus nicht so weit hinter den Studirenden andrer Fakultäten zurückstehen.

Begleiten wir einmal den jungen Juristen der dritten Gruppe — und nur
diese kommt in Frage — auf die Universität, um die Schwierigkeiten näher
kennen zu lernen, die sich ihm entgegenstellen. Schon der erste Eindruck, den
der junge Student von unsern Universitätseinrichtungen empfängt, wird nur zu
oft ein ungünstiger sein. Bekanntlich beginnen bei uns die Semester am 15. April
und am 15. Oktober. Man würde sich aber sehr täuschen, wenn man glauben
wollte, daß nun wirklich die Vorlesungen schon gehalten würden. Das ist ja
nur der „offizielle" Anfang. In Wirklichkeit beginnt das Semester in der
Regel erst vierzehn Tage später. Genau derselbe Unfug — denn anders kann
man es doch nicht nennen — wird am Schlüsse des Semesters getrieben, es
wird vierzehn Tage vor dem „offiziellen" Schlüsse geschlossen. Es gehen also
von dem an sich schon kurzen Semester mindestens noch vier Wochen ab.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/218>, abgerufen am 01.09.2024.