Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Ricks Lyhne. gerade in der Zeit zum Alltagsdienst erniedrigt wurde, denn in dem Duft, den In der Geschichte, die er Frithjof erzählte, kehrte dies Bild unablässig Wie himmelhoch ein Menschenkind auch seinen Thron gestellt haben mag, Also geschah es Herrn Bigum, indem er sich ganz einfach in Fräulein Edele Und was that das denn schließlich? Was hatten sie denn alle zu sagen, Ricks Lyhne. gerade in der Zeit zum Alltagsdienst erniedrigt wurde, denn in dem Duft, den In der Geschichte, die er Frithjof erzählte, kehrte dies Bild unablässig Wie himmelhoch ein Menschenkind auch seinen Thron gestellt haben mag, Also geschah es Herrn Bigum, indem er sich ganz einfach in Fräulein Edele Und was that das denn schließlich? Was hatten sie denn alle zu sagen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202973"/> <fw type="header" place="top"> Ricks Lyhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> gerade in der Zeit zum Alltagsdienst erniedrigt wurde, denn in dem Duft, den<lb/> jene Tropfen Nosenessenz hinterlassen hatten, besaß er einen mächtigen Talisman,<lb/> der ihm gleichsam in einem Zauberspiegel Edele so zeigte, wie er sie gesehen<lb/> hatte, in dem Maskeradcnkostüm auf dem grünen Ruhebett liegend.</p><lb/> <p xml:id="ID_650"> In der Geschichte, die er Frithjof erzählte, kehrte dies Bild unablässig<lb/> wieder, und der unglückliche Frithjof war jetzt nie mehr sicher vor barfüßigen<lb/> Prinzessinnen; schleppte er sich durch die Dickichte des Urwaldes dahin, so riefen<lb/> sie ihn aus ihrer Hängematte von Lianen an, suchte er in einer Bergdohle<lb/> Schutz vor der Wut des Orkans, so erhoben sie sich von ihrem Lager aus<lb/> samtweichem Moos und hießen ihn willkommen, und sprengte er, pulver-<lb/> dampfgeschwärzt, blutbefleckt, mit kräftigem Säbelhieb die Kajüte des Piraten,<lb/> so fand er sie auch dort, hingegossen auf dem grünen Sofa des Kapitäns. Sie<lb/> langweilten ihn sehr, und er konnte gar nicht fassen, warum sie plötzlich so not¬<lb/> wendig geworden waren für die lieben Helden. —</p><lb/> <p xml:id="ID_651"> Wie himmelhoch ein Menschenkind auch seinen Thron gestellt haben mag,<lb/> wie fest es auch die Tiara der Ausnahme, die Genie bedeuten soll, auf seine<lb/> Stirn gedrückt hat, es kann sich doch niemals sicher davor fühlen, daß es<lb/> nicht einmal gleich König Nebukadnezar die seltsame Lust anwandelt, auf allen<lb/> Vieren zu gehen und mit den niedern Tieren des Feldes Gras zu fressen.</p><lb/> <p xml:id="ID_652"> Also geschah es Herrn Bigum, indem er sich ganz einfach in Fräulein Edele<lb/> verliebte. Und es half ihm nichts, daß er, um diese Liebe zu entschuldigen,<lb/> die Weltgeschichte veränderte, es half ihm auch nichts, daß er Edelen Beatrice,<lb/> Laura oder Vittoria Colonna nannte, denn alle die künstlichen Glorien, mit<lb/> denen er seine Liebe schmückte, erloschen ebenso schnell, wie er sie angezündet<lb/> hatte, vor der unleugbaren Wahrheit, daß er sich in Edelens Schönheit verliebt<lb/> hatte, und daß es weder die Eigenschaften des Herzens oder des Geistes waren,<lb/> die es ihm angethan hatten, sondern einzig und allein ihre Eleganz, ihr leichter<lb/> Weltton, ihre Sicherheit, ja sogar ihre graziöse Unverschämtheit. Es war nach<lb/> jeder Richtung hin eine Liebe, die ihn mit schamvoller Verwunderung über<lb/> den Wankelmut der Menschenkinder erfüllen mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Und was that das denn schließlich? Was hatten sie denn alle zu sagen,<lb/> diese ewigen Wahrheiten und flüchtigen Lügen, die wie Ringe ineinander griffen<lb/> und den schweren Panzer bildeten, den er seine Überzeugung nannte, was hatten<lb/> die gegen seine Liebe zu sagen? Sie waren ja das Mark und der Kern des<lb/> Lebens, da konnten sie ihre Stärke beweisen; waren sie schwächer, nun so<lb/> mußten sie brechen; waren sie aber stärker — Aber sie waren ja gebrochen,<lb/> aus einander gezerrt wie das Gewebe morscher Fäden. Was kümmerte sie sich<lb/> um die ewigen Wahrheiten! Und die großartigen Visionen, was halfen ihm<lb/> die? Die Gedanken, welche die Tiefe der Unendlichkeit erforschten, konnte er<lb/> sie mit ihnen erringen? Es war ja alles wertlos, was er besaß! Leuchtete<lb/> auch seine Seele in einer Pracht, welche die Sonne tausendfach überstrahlte,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
Ricks Lyhne.
gerade in der Zeit zum Alltagsdienst erniedrigt wurde, denn in dem Duft, den
jene Tropfen Nosenessenz hinterlassen hatten, besaß er einen mächtigen Talisman,
der ihm gleichsam in einem Zauberspiegel Edele so zeigte, wie er sie gesehen
hatte, in dem Maskeradcnkostüm auf dem grünen Ruhebett liegend.
In der Geschichte, die er Frithjof erzählte, kehrte dies Bild unablässig
wieder, und der unglückliche Frithjof war jetzt nie mehr sicher vor barfüßigen
Prinzessinnen; schleppte er sich durch die Dickichte des Urwaldes dahin, so riefen
sie ihn aus ihrer Hängematte von Lianen an, suchte er in einer Bergdohle
Schutz vor der Wut des Orkans, so erhoben sie sich von ihrem Lager aus
samtweichem Moos und hießen ihn willkommen, und sprengte er, pulver-
dampfgeschwärzt, blutbefleckt, mit kräftigem Säbelhieb die Kajüte des Piraten,
so fand er sie auch dort, hingegossen auf dem grünen Sofa des Kapitäns. Sie
langweilten ihn sehr, und er konnte gar nicht fassen, warum sie plötzlich so not¬
wendig geworden waren für die lieben Helden. —
Wie himmelhoch ein Menschenkind auch seinen Thron gestellt haben mag,
wie fest es auch die Tiara der Ausnahme, die Genie bedeuten soll, auf seine
Stirn gedrückt hat, es kann sich doch niemals sicher davor fühlen, daß es
nicht einmal gleich König Nebukadnezar die seltsame Lust anwandelt, auf allen
Vieren zu gehen und mit den niedern Tieren des Feldes Gras zu fressen.
Also geschah es Herrn Bigum, indem er sich ganz einfach in Fräulein Edele
verliebte. Und es half ihm nichts, daß er, um diese Liebe zu entschuldigen,
die Weltgeschichte veränderte, es half ihm auch nichts, daß er Edelen Beatrice,
Laura oder Vittoria Colonna nannte, denn alle die künstlichen Glorien, mit
denen er seine Liebe schmückte, erloschen ebenso schnell, wie er sie angezündet
hatte, vor der unleugbaren Wahrheit, daß er sich in Edelens Schönheit verliebt
hatte, und daß es weder die Eigenschaften des Herzens oder des Geistes waren,
die es ihm angethan hatten, sondern einzig und allein ihre Eleganz, ihr leichter
Weltton, ihre Sicherheit, ja sogar ihre graziöse Unverschämtheit. Es war nach
jeder Richtung hin eine Liebe, die ihn mit schamvoller Verwunderung über
den Wankelmut der Menschenkinder erfüllen mußte.
Und was that das denn schließlich? Was hatten sie denn alle zu sagen,
diese ewigen Wahrheiten und flüchtigen Lügen, die wie Ringe ineinander griffen
und den schweren Panzer bildeten, den er seine Überzeugung nannte, was hatten
die gegen seine Liebe zu sagen? Sie waren ja das Mark und der Kern des
Lebens, da konnten sie ihre Stärke beweisen; waren sie schwächer, nun so
mußten sie brechen; waren sie aber stärker — Aber sie waren ja gebrochen,
aus einander gezerrt wie das Gewebe morscher Fäden. Was kümmerte sie sich
um die ewigen Wahrheiten! Und die großartigen Visionen, was halfen ihm
die? Die Gedanken, welche die Tiefe der Unendlichkeit erforschten, konnte er
sie mit ihnen erringen? Es war ja alles wertlos, was er besaß! Leuchtete
auch seine Seele in einer Pracht, welche die Sonne tausendfach überstrahlte,
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