Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Fremde Einflüsse im Reiche. bejaht als von der öffentlichen Meinung Englands. Die Vermählung der Fremde Einflüsse im Reiche. bejaht als von der öffentlichen Meinung Englands. Die Vermählung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202944"/> <fw type="header" place="top"> Fremde Einflüsse im Reiche.</fw><lb/> <p xml:id="ID_547" prev="#ID_546" next="#ID_548"> bejaht als von der öffentlichen Meinung Englands. Die Vermählung der<lb/> ältesten Tochter der Königin mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen<lb/> legte dem bösen Willen der großen Mehrheit des englischen Publikums einige<lb/> Reserve auf, bis der Prinz von Wales mit einer dänischen Prinzessin verhei¬<lb/> ratet wurde und damit der Beweis vorlag, daß man sich in seinen Stimmungen<lb/> gegen das verhaßte Deutschland nicht mehr durch Rücksichten auf den Hof be¬<lb/> irren zu lassen brauchte. Die angeblichen Sympathien der Königin für Schleswig-<lb/> Holstein waren Illusionen, und nur arge Naivität in politischen Dingen konnte<lb/> von einem intimen Freundschaftsverhältnis oder gar von einer uus vorteilhaften<lb/> Allianz zwischen Großbritannien und Preußen als einer Folge jenes Ehebündnisses<lb/> trcinmcn. Nicht einmal ein nützlicher Dienst war zu erwarten, als Preußen 1864<lb/> mit der Erfüllung seiner Aufgaben begann, und Preußen mußte seinen Weg<lb/> im vollsten Gegensatze zu dem Mißtrauen und Übelwollen Englands machen.<lb/> 1866 hatte sich die Königin so weit „in den Irrgarten antipreußischer Mani¬<lb/> pulationen verloren, daß man ihr nicht mehr die Wahrheit sagen durfte." Ein<lb/> Beweis dafür sind die Briefe ihrer Tochter Alice, die sie selbst herausgegeben<lb/> hat. Die kluge Prinzessin stand ganz entschieden auf preußischer Seite und<lb/> beklagte tief die Stellung, die der Großherzog in dem Konflikte gewählt hatte.<lb/> In den Briefen aber begegnet man dem geraden Gegenteil davon: die gute<lb/> Tochter durfte der Mutter nicht gestehen, was sie empfand und dachte. Die<lb/> englische Politik war aber damals nicht etwa für Österreich begeistert. Konnte<lb/> man Österreich schwächen, seine Stellung in Italien und an der Adria erschüttern,<lb/> ihm Venedig nehmen, so waren das Ziele, „aufs innigste zu wünschen." Nur<lb/> Preußen sollte dadurch nicht gehoben und gestärkt werden. Es war im Interesse<lb/> Englands, wenn beide Mächte kleiner wurden, da es so stärker wurde und im¬<lb/> stande blieb, die bli-lWvs ok Mroxo zu halten und nach seinem Willen zu diri-<lb/> giren. Während des Krieges waren indes diese und ähnliche Gedanken aufs<lb/> bloße Wünschen beschränkt. Aber schon 1867 sah der Eingeweihte die Damen¬<lb/> politik sich wieder an den Webstuhl der Zeit setzen, und während hier ins¬<lb/> geheim gearbeitet wurde, verriet das englische Volk bei Ausbruch des Krieges<lb/> von 1870 offen, mit welchem von den beiden Gegnern es sympathisirte, und<lb/> dieses Gefühl wurde von Thaten begleitet, welche wie Überschreitung der Grenzen<lb/> der Neutralität aussahen, ja zum guten Teile unter den Begriff sielen, welchen<lb/> die englische Jurisprudenz mit trg,nun1so,t nsutraltt^ bezeichnet. Man versah<lb/> die französischen Heere mit Waffen, die französischen Kriegsschiffe mit Kohlen,<lb/> man ließ durch französische Kreuzer deutsche Kauffahrer in englischen Gewässern<lb/> aufbringen und zerstören, man erweckte bei den französischen Machthabern Hoff¬<lb/> nungen, welche sie in ihrem Widerstande bestärkten. Solche und ähnliche Ma¬<lb/> növer ließen sich allerdings von den hochstehenden Partcigängerinnen Englands<lb/> in Deutschland nicht ausführen, der Damenchor in der Tragödie mußte vielmehr<lb/> die Siegeslieder der Deutschen mitsingen und konnte nur im stillen über das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
Fremde Einflüsse im Reiche.
bejaht als von der öffentlichen Meinung Englands. Die Vermählung der
ältesten Tochter der Königin mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen
legte dem bösen Willen der großen Mehrheit des englischen Publikums einige
Reserve auf, bis der Prinz von Wales mit einer dänischen Prinzessin verhei¬
ratet wurde und damit der Beweis vorlag, daß man sich in seinen Stimmungen
gegen das verhaßte Deutschland nicht mehr durch Rücksichten auf den Hof be¬
irren zu lassen brauchte. Die angeblichen Sympathien der Königin für Schleswig-
Holstein waren Illusionen, und nur arge Naivität in politischen Dingen konnte
von einem intimen Freundschaftsverhältnis oder gar von einer uus vorteilhaften
Allianz zwischen Großbritannien und Preußen als einer Folge jenes Ehebündnisses
trcinmcn. Nicht einmal ein nützlicher Dienst war zu erwarten, als Preußen 1864
mit der Erfüllung seiner Aufgaben begann, und Preußen mußte seinen Weg
im vollsten Gegensatze zu dem Mißtrauen und Übelwollen Englands machen.
1866 hatte sich die Königin so weit „in den Irrgarten antipreußischer Mani¬
pulationen verloren, daß man ihr nicht mehr die Wahrheit sagen durfte." Ein
Beweis dafür sind die Briefe ihrer Tochter Alice, die sie selbst herausgegeben
hat. Die kluge Prinzessin stand ganz entschieden auf preußischer Seite und
beklagte tief die Stellung, die der Großherzog in dem Konflikte gewählt hatte.
In den Briefen aber begegnet man dem geraden Gegenteil davon: die gute
Tochter durfte der Mutter nicht gestehen, was sie empfand und dachte. Die
englische Politik war aber damals nicht etwa für Österreich begeistert. Konnte
man Österreich schwächen, seine Stellung in Italien und an der Adria erschüttern,
ihm Venedig nehmen, so waren das Ziele, „aufs innigste zu wünschen." Nur
Preußen sollte dadurch nicht gehoben und gestärkt werden. Es war im Interesse
Englands, wenn beide Mächte kleiner wurden, da es so stärker wurde und im¬
stande blieb, die bli-lWvs ok Mroxo zu halten und nach seinem Willen zu diri-
giren. Während des Krieges waren indes diese und ähnliche Gedanken aufs
bloße Wünschen beschränkt. Aber schon 1867 sah der Eingeweihte die Damen¬
politik sich wieder an den Webstuhl der Zeit setzen, und während hier ins¬
geheim gearbeitet wurde, verriet das englische Volk bei Ausbruch des Krieges
von 1870 offen, mit welchem von den beiden Gegnern es sympathisirte, und
dieses Gefühl wurde von Thaten begleitet, welche wie Überschreitung der Grenzen
der Neutralität aussahen, ja zum guten Teile unter den Begriff sielen, welchen
die englische Jurisprudenz mit trg,nun1so,t nsutraltt^ bezeichnet. Man versah
die französischen Heere mit Waffen, die französischen Kriegsschiffe mit Kohlen,
man ließ durch französische Kreuzer deutsche Kauffahrer in englischen Gewässern
aufbringen und zerstören, man erweckte bei den französischen Machthabern Hoff¬
nungen, welche sie in ihrem Widerstande bestärkten. Solche und ähnliche Ma¬
növer ließen sich allerdings von den hochstehenden Partcigängerinnen Englands
in Deutschland nicht ausführen, der Damenchor in der Tragödie mußte vielmehr
die Siegeslieder der Deutschen mitsingen und konnte nur im stillen über das
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