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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Sie Finanzlage der russischen Eisenbahnen,

zinsnng und Rückzahlung des Aktienkapitals wesentlich verschieden ist von einer
Bürgschaft für Verzinsung und Rückzahlung des Obligationenkapitals einer Ge¬
sellschaft.

Das auf die Aktien gegebene Bttrgschaftsversprechen ist eine ausschließlich
der Gesellschaft gegenüber eingegangene Verbindlichkeit. Werden nun Aktien
und Obligationen in demselben Bürgschaftsversprechcn vereinigt, so liegt es
nahe, dies dahin zu verstehen, daß die Persönlichkeit des Forderuugsberechtigteu,
welche mit Bezug auf die Aktien unzweifelhaft feststeht, dieselbe geblieben ist,
daß also die Aktionäre, d. h. die Gesellschaft, allein berechtigt sind, von der
Regierung diejenigen Leistungen zu fordern, welche zur Befriedigung der Obli¬
gationeninhaber Vorkommendenfalls nötig sind. Hätte die Negierung die Absicht
gehabt, dem Obligationeninhaber als Bürge im Sinne des bürgerlichen Rechtes
zu haften und diesem ein unmittelbares Klagerecht gegen den Fiskus einzu¬
räumen, so wäre die richtige Fassung auch nach dem sonst unvollkommenen
russischen Recht leicht zu finden gewesen. Da eine scharfe Fassung der von
der Negierung eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung fehlt, so muß die letztere
so eng wie möglich ausgelegt, also angenommen werden, daß die Regierung in
alle den hierher gehörigen Fällen mit dem Obligationcninhaber unmittelbar
nichts zu thu" haben, sondern lediglich der Eisenbahngesellschaft das Recht
geben wollte, von ihr die Ergänzung derjenigen Summen zu beanspruchen,
welche nötig sind, um terminmäßig die Obligationeninhaber in der bedungenen
Weise zu befriedigen. Den Obligationeninhabern, welche von der Eisenbahn-
gcsellschaft nicht befriedigt werden sollten, würden also auch bei dieser Fassung
des Bürgschaftsvcrsprecheus kein unmittelbarer Rechtsanspruch an den Fiskus
zustehen.

Wie man aber auch die Frage beantworten möge, ob und welche rechtliche
Ansprüche um den Staat dem Inhaber eines vom Staate verbürgten Wert¬
papiers in dem Falle zustehen, daß er im Zinsgenuß ze. gekürzt werden sollte,
eine praktische Bedeutung ist ihr nicht beizulegen, vielmehr kommt es darauf
an, ob der Staat seinen Namen mit dem betreffenden Eisenbahnpapier in der
Weise verknüpft hat, daß er für den Staatskredit fürchten muß, wenn die dem
Inhaber des Papiers gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nicht oder nicht
vollständig erfüllt werden.

Diese Frage ist für die in Rede stehende Gruppe von Wertpapieren un¬
bedingt zu bejahen. In diesem Sinne scheint der Staat bisher die von ihm
gegebene Bürgschaftszusage selbst aufgefaßt und erfüllt zu haben, und in diesem
Sinne ist sie vom Geldmarkte aufgenommen und verstanden worden. Die
Börsen würden einen etwaigen Versuch der Regierung, auf Grund juristischer
Auslegungen von einem Teil der Bürgschaftsleistungen sich zu befreien, welche
bisher unbeanstandet gezahlt worden sind, wie die Erklärung einer Zahlungs¬
unfähigkeit auffassen und beantworten.


Grcnzlwtcn I. 1888. ^
Sie Finanzlage der russischen Eisenbahnen,

zinsnng und Rückzahlung des Aktienkapitals wesentlich verschieden ist von einer
Bürgschaft für Verzinsung und Rückzahlung des Obligationenkapitals einer Ge¬
sellschaft.

Das auf die Aktien gegebene Bttrgschaftsversprechen ist eine ausschließlich
der Gesellschaft gegenüber eingegangene Verbindlichkeit. Werden nun Aktien
und Obligationen in demselben Bürgschaftsversprechcn vereinigt, so liegt es
nahe, dies dahin zu verstehen, daß die Persönlichkeit des Forderuugsberechtigteu,
welche mit Bezug auf die Aktien unzweifelhaft feststeht, dieselbe geblieben ist,
daß also die Aktionäre, d. h. die Gesellschaft, allein berechtigt sind, von der
Regierung diejenigen Leistungen zu fordern, welche zur Befriedigung der Obli¬
gationeninhaber Vorkommendenfalls nötig sind. Hätte die Negierung die Absicht
gehabt, dem Obligationeninhaber als Bürge im Sinne des bürgerlichen Rechtes
zu haften und diesem ein unmittelbares Klagerecht gegen den Fiskus einzu¬
räumen, so wäre die richtige Fassung auch nach dem sonst unvollkommenen
russischen Recht leicht zu finden gewesen. Da eine scharfe Fassung der von
der Negierung eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung fehlt, so muß die letztere
so eng wie möglich ausgelegt, also angenommen werden, daß die Regierung in
alle den hierher gehörigen Fällen mit dem Obligationcninhaber unmittelbar
nichts zu thu» haben, sondern lediglich der Eisenbahngesellschaft das Recht
geben wollte, von ihr die Ergänzung derjenigen Summen zu beanspruchen,
welche nötig sind, um terminmäßig die Obligationeninhaber in der bedungenen
Weise zu befriedigen. Den Obligationeninhabern, welche von der Eisenbahn-
gcsellschaft nicht befriedigt werden sollten, würden also auch bei dieser Fassung
des Bürgschaftsvcrsprecheus kein unmittelbarer Rechtsanspruch an den Fiskus
zustehen.

Wie man aber auch die Frage beantworten möge, ob und welche rechtliche
Ansprüche um den Staat dem Inhaber eines vom Staate verbürgten Wert¬
papiers in dem Falle zustehen, daß er im Zinsgenuß ze. gekürzt werden sollte,
eine praktische Bedeutung ist ihr nicht beizulegen, vielmehr kommt es darauf
an, ob der Staat seinen Namen mit dem betreffenden Eisenbahnpapier in der
Weise verknüpft hat, daß er für den Staatskredit fürchten muß, wenn die dem
Inhaber des Papiers gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nicht oder nicht
vollständig erfüllt werden.

Diese Frage ist für die in Rede stehende Gruppe von Wertpapieren un¬
bedingt zu bejahen. In diesem Sinne scheint der Staat bisher die von ihm
gegebene Bürgschaftszusage selbst aufgefaßt und erfüllt zu haben, und in diesem
Sinne ist sie vom Geldmarkte aufgenommen und verstanden worden. Die
Börsen würden einen etwaigen Versuch der Regierung, auf Grund juristischer
Auslegungen von einem Teil der Bürgschaftsleistungen sich zu befreien, welche
bisher unbeanstandet gezahlt worden sind, wie die Erklärung einer Zahlungs¬
unfähigkeit auffassen und beantworten.


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[0081] Sie Finanzlage der russischen Eisenbahnen, zinsnng und Rückzahlung des Aktienkapitals wesentlich verschieden ist von einer Bürgschaft für Verzinsung und Rückzahlung des Obligationenkapitals einer Ge¬ sellschaft. Das auf die Aktien gegebene Bttrgschaftsversprechen ist eine ausschließlich der Gesellschaft gegenüber eingegangene Verbindlichkeit. Werden nun Aktien und Obligationen in demselben Bürgschaftsversprechcn vereinigt, so liegt es nahe, dies dahin zu verstehen, daß die Persönlichkeit des Forderuugsberechtigteu, welche mit Bezug auf die Aktien unzweifelhaft feststeht, dieselbe geblieben ist, daß also die Aktionäre, d. h. die Gesellschaft, allein berechtigt sind, von der Regierung diejenigen Leistungen zu fordern, welche zur Befriedigung der Obli¬ gationeninhaber Vorkommendenfalls nötig sind. Hätte die Negierung die Absicht gehabt, dem Obligationeninhaber als Bürge im Sinne des bürgerlichen Rechtes zu haften und diesem ein unmittelbares Klagerecht gegen den Fiskus einzu¬ räumen, so wäre die richtige Fassung auch nach dem sonst unvollkommenen russischen Recht leicht zu finden gewesen. Da eine scharfe Fassung der von der Negierung eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung fehlt, so muß die letztere so eng wie möglich ausgelegt, also angenommen werden, daß die Regierung in alle den hierher gehörigen Fällen mit dem Obligationcninhaber unmittelbar nichts zu thu» haben, sondern lediglich der Eisenbahngesellschaft das Recht geben wollte, von ihr die Ergänzung derjenigen Summen zu beanspruchen, welche nötig sind, um terminmäßig die Obligationeninhaber in der bedungenen Weise zu befriedigen. Den Obligationeninhabern, welche von der Eisenbahn- gcsellschaft nicht befriedigt werden sollten, würden also auch bei dieser Fassung des Bürgschaftsvcrsprecheus kein unmittelbarer Rechtsanspruch an den Fiskus zustehen. Wie man aber auch die Frage beantworten möge, ob und welche rechtliche Ansprüche um den Staat dem Inhaber eines vom Staate verbürgten Wert¬ papiers in dem Falle zustehen, daß er im Zinsgenuß ze. gekürzt werden sollte, eine praktische Bedeutung ist ihr nicht beizulegen, vielmehr kommt es darauf an, ob der Staat seinen Namen mit dem betreffenden Eisenbahnpapier in der Weise verknüpft hat, daß er für den Staatskredit fürchten muß, wenn die dem Inhaber des Papiers gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllt werden. Diese Frage ist für die in Rede stehende Gruppe von Wertpapieren un¬ bedingt zu bejahen. In diesem Sinne scheint der Staat bisher die von ihm gegebene Bürgschaftszusage selbst aufgefaßt und erfüllt zu haben, und in diesem Sinne ist sie vom Geldmarkte aufgenommen und verstanden worden. Die Börsen würden einen etwaigen Versuch der Regierung, auf Grund juristischer Auslegungen von einem Teil der Bürgschaftsleistungen sich zu befreien, welche bisher unbeanstandet gezahlt worden sind, wie die Erklärung einer Zahlungs¬ unfähigkeit auffassen und beantworten. Grcnzlwtcn I. 1888. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/81>, abgerufen am 28.09.2024.