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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

Im Börsenverkehr werden daher alle hierher gehörigen Papiere, unbekümmert
um den Wortlaut der betreffenden Statuten, als vom Staate unmittelbar ver¬
bürgt (direkt garantirt) bezeichnet und im Kurse mit den unmittelbaren Staats¬
papieren ungefähr in dieselbe Linie gesetzt.

Die Dauer der Staatsbürgschaft erstreckt sich für alle derzeit in Deutsch¬
land untergebrachten russischen Eisenbahnwertpapiere bis zum Ablaufe der Kon¬
zession, mit welcher die Papiere statutenmäßig getilgt sein sollen, beziehentlich
bis zum Ankauf der Bahn durch den Staat. Nur bei den Aktien einiger
wenigen Gesellschaften ist die Bürgschaft auf eine kürzere Zeit beschränkt. Dahin
gehören die Aktien der Njask-Wjasma, der Morschansk-Sysran und der Nostow-
Wladikawkas-Eisenbahn. Diese Aktien befinden sich, wie der Kurszettel der
Berliner Börse zeigt, nicht auf dem deutschen Markte.

Die Staatsbürgschaft umfaßt in allen Fällen, in welchen sie mit dem
Ablaufe der Kouzcjsiou ihr Ende erreicht, sowohl die bedungene Verzinsung
wie die entsprechende Tilgungsquote, und es sind beide zusammen in einem
bestimmten alljährlich aufzuwendenden Prozentsätze des Nominalkapitals aus¬
gedrückt.

Die Zinsabschuitte der vom Staate verbürgten Obligationen und Aktien
werden in der Regel von den Eisenbahngesellschaften selbst eingelöst, ebenso
erfolgt dnrch die letztern auch die Amortisation. Eine Ansnahme machen nur
die Orenburg-, Weichsel-, Ural- und Fastvwo-Eisenbahn, deren Zinsabschuitte und
amortisirte Papiere statutenmäßig durch die russische Neichsbank gezahlt werden.

Die verbürgte Eiscnbahugesellschaft, welche zur Einlösung ihrer Verpflich¬
tung Zuschüsse des Staates braucht, stellt bei dem betreffenden Ministerium!
einen begründeten Antrag, worauf ihr meist ohne eingehendere Prüfung die
erforderlichen Summen so rechtzeitig augewiesen werden, daß in der Einlösung
der Zinsabschnitte :c. eine Verzögerung, welche den Kurs der russischen Eisen¬
bahnpapiere im Auslande ungünstig beeinflussen würde, nicht entsteht. Die vom
Staate auf Grund der Bürgschaftszusage geleisteten Zahlungen werden jedes
mal als verzinsliche Schulden der Eisenbahn an den Staat gebucht und in den
Rechnungen fortlaufend vorgetragen. Die Rückerstattung dieser Schuld ist in
den Statuten meist derart festgesetzt, daß der Staat nur in den allergünstigsten
Füllen auf den wirklichen Eingang rechnen kann. Eine Bedeutung wird diese For¬
derung des Staates erst dann gewinnen, wenn er zum Ankauf der Bahn schreitet.

Die Schulden der Gesellschaften an den Staat sind hauptsächlich deshalb
unverhältnismäßig angewachsen, weil die Eisenbahngesellschaften Neubauten, An¬
schaffung von Betriebsmaterial, Legung von Stahlschienen u. s. w. den Betriebs¬
kosten zuzuschlagen pflegten, wodurch die Reineinnahme verringert und der
Bürgschaftsznschuß des Staates in demselben Maße gewachsen ist. Auf diesen,
dehnbaren Begriff "Reineinnahme" beruht unter anderen die Bestimmung des
Kostenpreises einer Bahn im Falle des Ankaufs derselben durch den Staat.


Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

Im Börsenverkehr werden daher alle hierher gehörigen Papiere, unbekümmert
um den Wortlaut der betreffenden Statuten, als vom Staate unmittelbar ver¬
bürgt (direkt garantirt) bezeichnet und im Kurse mit den unmittelbaren Staats¬
papieren ungefähr in dieselbe Linie gesetzt.

Die Dauer der Staatsbürgschaft erstreckt sich für alle derzeit in Deutsch¬
land untergebrachten russischen Eisenbahnwertpapiere bis zum Ablaufe der Kon¬
zession, mit welcher die Papiere statutenmäßig getilgt sein sollen, beziehentlich
bis zum Ankauf der Bahn durch den Staat. Nur bei den Aktien einiger
wenigen Gesellschaften ist die Bürgschaft auf eine kürzere Zeit beschränkt. Dahin
gehören die Aktien der Njask-Wjasma, der Morschansk-Sysran und der Nostow-
Wladikawkas-Eisenbahn. Diese Aktien befinden sich, wie der Kurszettel der
Berliner Börse zeigt, nicht auf dem deutschen Markte.

Die Staatsbürgschaft umfaßt in allen Fällen, in welchen sie mit dem
Ablaufe der Kouzcjsiou ihr Ende erreicht, sowohl die bedungene Verzinsung
wie die entsprechende Tilgungsquote, und es sind beide zusammen in einem
bestimmten alljährlich aufzuwendenden Prozentsätze des Nominalkapitals aus¬
gedrückt.

Die Zinsabschuitte der vom Staate verbürgten Obligationen und Aktien
werden in der Regel von den Eisenbahngesellschaften selbst eingelöst, ebenso
erfolgt dnrch die letztern auch die Amortisation. Eine Ansnahme machen nur
die Orenburg-, Weichsel-, Ural- und Fastvwo-Eisenbahn, deren Zinsabschuitte und
amortisirte Papiere statutenmäßig durch die russische Neichsbank gezahlt werden.

Die verbürgte Eiscnbahugesellschaft, welche zur Einlösung ihrer Verpflich¬
tung Zuschüsse des Staates braucht, stellt bei dem betreffenden Ministerium!
einen begründeten Antrag, worauf ihr meist ohne eingehendere Prüfung die
erforderlichen Summen so rechtzeitig augewiesen werden, daß in der Einlösung
der Zinsabschnitte :c. eine Verzögerung, welche den Kurs der russischen Eisen¬
bahnpapiere im Auslande ungünstig beeinflussen würde, nicht entsteht. Die vom
Staate auf Grund der Bürgschaftszusage geleisteten Zahlungen werden jedes
mal als verzinsliche Schulden der Eisenbahn an den Staat gebucht und in den
Rechnungen fortlaufend vorgetragen. Die Rückerstattung dieser Schuld ist in
den Statuten meist derart festgesetzt, daß der Staat nur in den allergünstigsten
Füllen auf den wirklichen Eingang rechnen kann. Eine Bedeutung wird diese For¬
derung des Staates erst dann gewinnen, wenn er zum Ankauf der Bahn schreitet.

Die Schulden der Gesellschaften an den Staat sind hauptsächlich deshalb
unverhältnismäßig angewachsen, weil die Eisenbahngesellschaften Neubauten, An¬
schaffung von Betriebsmaterial, Legung von Stahlschienen u. s. w. den Betriebs¬
kosten zuzuschlagen pflegten, wodurch die Reineinnahme verringert und der
Bürgschaftsznschuß des Staates in demselben Maße gewachsen ist. Auf diesen,
dehnbaren Begriff „Reineinnahme" beruht unter anderen die Bestimmung des
Kostenpreises einer Bahn im Falle des Ankaufs derselben durch den Staat.


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[0082] Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen. Im Börsenverkehr werden daher alle hierher gehörigen Papiere, unbekümmert um den Wortlaut der betreffenden Statuten, als vom Staate unmittelbar ver¬ bürgt (direkt garantirt) bezeichnet und im Kurse mit den unmittelbaren Staats¬ papieren ungefähr in dieselbe Linie gesetzt. Die Dauer der Staatsbürgschaft erstreckt sich für alle derzeit in Deutsch¬ land untergebrachten russischen Eisenbahnwertpapiere bis zum Ablaufe der Kon¬ zession, mit welcher die Papiere statutenmäßig getilgt sein sollen, beziehentlich bis zum Ankauf der Bahn durch den Staat. Nur bei den Aktien einiger wenigen Gesellschaften ist die Bürgschaft auf eine kürzere Zeit beschränkt. Dahin gehören die Aktien der Njask-Wjasma, der Morschansk-Sysran und der Nostow- Wladikawkas-Eisenbahn. Diese Aktien befinden sich, wie der Kurszettel der Berliner Börse zeigt, nicht auf dem deutschen Markte. Die Staatsbürgschaft umfaßt in allen Fällen, in welchen sie mit dem Ablaufe der Kouzcjsiou ihr Ende erreicht, sowohl die bedungene Verzinsung wie die entsprechende Tilgungsquote, und es sind beide zusammen in einem bestimmten alljährlich aufzuwendenden Prozentsätze des Nominalkapitals aus¬ gedrückt. Die Zinsabschuitte der vom Staate verbürgten Obligationen und Aktien werden in der Regel von den Eisenbahngesellschaften selbst eingelöst, ebenso erfolgt dnrch die letztern auch die Amortisation. Eine Ansnahme machen nur die Orenburg-, Weichsel-, Ural- und Fastvwo-Eisenbahn, deren Zinsabschuitte und amortisirte Papiere statutenmäßig durch die russische Neichsbank gezahlt werden. Die verbürgte Eiscnbahugesellschaft, welche zur Einlösung ihrer Verpflich¬ tung Zuschüsse des Staates braucht, stellt bei dem betreffenden Ministerium! einen begründeten Antrag, worauf ihr meist ohne eingehendere Prüfung die erforderlichen Summen so rechtzeitig augewiesen werden, daß in der Einlösung der Zinsabschnitte :c. eine Verzögerung, welche den Kurs der russischen Eisen¬ bahnpapiere im Auslande ungünstig beeinflussen würde, nicht entsteht. Die vom Staate auf Grund der Bürgschaftszusage geleisteten Zahlungen werden jedes mal als verzinsliche Schulden der Eisenbahn an den Staat gebucht und in den Rechnungen fortlaufend vorgetragen. Die Rückerstattung dieser Schuld ist in den Statuten meist derart festgesetzt, daß der Staat nur in den allergünstigsten Füllen auf den wirklichen Eingang rechnen kann. Eine Bedeutung wird diese For¬ derung des Staates erst dann gewinnen, wenn er zum Ankauf der Bahn schreitet. Die Schulden der Gesellschaften an den Staat sind hauptsächlich deshalb unverhältnismäßig angewachsen, weil die Eisenbahngesellschaften Neubauten, An¬ schaffung von Betriebsmaterial, Legung von Stahlschienen u. s. w. den Betriebs¬ kosten zuzuschlagen pflegten, wodurch die Reineinnahme verringert und der Bürgschaftsznschuß des Staates in demselben Maße gewachsen ist. Auf diesen, dehnbaren Begriff „Reineinnahme" beruht unter anderen die Bestimmung des Kostenpreises einer Bahn im Falle des Ankaufs derselben durch den Staat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/82>, abgerufen am 27.06.2024.