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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der Verkehr mit lveiu.

in den Sätzen, daß die Weinfabrikation, Kunstweine, bei denen das Grundelement
Wasser ist, dem Zucker. Alkohol und Weinsteinsäure zugesetzt werden, gänzlich
verboten, daß dagegen die rationelle Weinverbesserung nach Gall oder Chaptal
gestattet werde, ohne daß die so im Most verbesserten Weine beim Verkauf als
Knnstweine, was sie ja auch nicht seien, zu bezeichnen wären. Nur wenn nach
den §§ 5 und 6 des Nahrungs- und Genußmittelgesetzes gesetzlich festgestellt
werde, was Wein sei, und eine deutlich erkennbare Grenze gezogen werde, wo
der Wein aufhöre und die Fälschung beginne, welche Methoden erlaubt und
welche Verbote" seien, werde die von der Reichsregierung bei der Beratung des
Gegenstandes im Frühjahr 1837 kundgegebene Absicht, dem Weinhandel eine
sichere Grundlage zu verschaffen, erreicht werden; aber nie und nimmermehr
auf dem jetzt betretenen Wege des Palliativs, indem man die Unsicherheiten des
Nahrungsmittelgesetzes fortdauern lasse. Die Handelskammer Mainz, wo wohl
der Weinhandel im Reiche am stärksten vertreten ist, hat einen besondern
Gesetzentwurf ausarbeite-? lassen, der die Kunstweinfabrikation ganz verbietet,
den Deklarationszwaug nur für Weine, die bereits vergohren gewesen, durch
Zusatz von Zucker, Wasser, Trockenbeereu (Rosinen) oder sonstige die Gährung
befördernde Stoffe aufgegohren werden, also nur für das Petiotisiren feststellt
und im übrigen die Verbesserung der Weine, insbesondre das Gallisircn und
Chaptalisiren, ganz frei gibt. Die Stuttgarter Handels- und Gewerbeknmmer
endlich stellt den Antrag, daß in das Weingesetz eine Bestimmung aufgenommen
werde, wonach die bei der ersten Gährung vorgenommene Verbesserung des
Weines nicht mehr der Deklaration unterliegen solle.

Diese Mitteilungen werden genügen, um zu zeigen, daß man am Rhein
und überall da, wo im deutschen Reiche Wein gebaut und gehandelt wird, in
der Weinfrage darin einig ist: Verbot des Kunstweins, dagegen Gestaltung der
Verbessernngsmethoden des Gallisirens und Chaptalisirens ohne Deklarations¬
zwang und damit Gleichstellung des so verbesserten Weines mit dem Naturweine
ini Handel. In? Reichstage aber und in dessen Kommission ist die Einigkeit
in dieser Frage nicht so groß. Bereits bei der ersten Lesung des Entwurfs am
5. Dezember 1887 sprach sich der nativnalliberale Abgeordnete Dr. Bürklin,
all? Pfälzer, entschieden für den unbedingte?? Deklarationszwang ans. In der
Kommission fand die strenge Ansicht Ausdruck in einem Antrage des Grafen
Adclmann und Genossen, der grundsätzlich den Namen "Wein" nnr für Trauben¬
saft ohne jeden Zusatz ii? Anspruch nimmt, aber das Verbessern unter der Be¬
dingung des Deklarationszwauges gestattet, also auch für das durch den Zusatz
reinen Zuckers und Wassers zum Moste gewonnene Getränk einen unterschei¬
dende" Namen fordert. Dagegen ist von den Abgeordneten Racke (Mainz) und
Genossen der Antrag eingebrvcht worden, den? Entwurf dahin abzuändern, daß
unter dem Namen "Wein" (Natnrwein) nur das durch alkoholische Gährung
aus Traubensaft, frei von jedem Zusätze, gewonnene Getränk verkauft werden


Der Verkehr mit lveiu.

in den Sätzen, daß die Weinfabrikation, Kunstweine, bei denen das Grundelement
Wasser ist, dem Zucker. Alkohol und Weinsteinsäure zugesetzt werden, gänzlich
verboten, daß dagegen die rationelle Weinverbesserung nach Gall oder Chaptal
gestattet werde, ohne daß die so im Most verbesserten Weine beim Verkauf als
Knnstweine, was sie ja auch nicht seien, zu bezeichnen wären. Nur wenn nach
den §§ 5 und 6 des Nahrungs- und Genußmittelgesetzes gesetzlich festgestellt
werde, was Wein sei, und eine deutlich erkennbare Grenze gezogen werde, wo
der Wein aufhöre und die Fälschung beginne, welche Methoden erlaubt und
welche Verbote» seien, werde die von der Reichsregierung bei der Beratung des
Gegenstandes im Frühjahr 1837 kundgegebene Absicht, dem Weinhandel eine
sichere Grundlage zu verschaffen, erreicht werden; aber nie und nimmermehr
auf dem jetzt betretenen Wege des Palliativs, indem man die Unsicherheiten des
Nahrungsmittelgesetzes fortdauern lasse. Die Handelskammer Mainz, wo wohl
der Weinhandel im Reiche am stärksten vertreten ist, hat einen besondern
Gesetzentwurf ausarbeite-? lassen, der die Kunstweinfabrikation ganz verbietet,
den Deklarationszwaug nur für Weine, die bereits vergohren gewesen, durch
Zusatz von Zucker, Wasser, Trockenbeereu (Rosinen) oder sonstige die Gährung
befördernde Stoffe aufgegohren werden, also nur für das Petiotisiren feststellt
und im übrigen die Verbesserung der Weine, insbesondre das Gallisircn und
Chaptalisiren, ganz frei gibt. Die Stuttgarter Handels- und Gewerbeknmmer
endlich stellt den Antrag, daß in das Weingesetz eine Bestimmung aufgenommen
werde, wonach die bei der ersten Gährung vorgenommene Verbesserung des
Weines nicht mehr der Deklaration unterliegen solle.

Diese Mitteilungen werden genügen, um zu zeigen, daß man am Rhein
und überall da, wo im deutschen Reiche Wein gebaut und gehandelt wird, in
der Weinfrage darin einig ist: Verbot des Kunstweins, dagegen Gestaltung der
Verbessernngsmethoden des Gallisirens und Chaptalisirens ohne Deklarations¬
zwang und damit Gleichstellung des so verbesserten Weines mit dem Naturweine
ini Handel. In? Reichstage aber und in dessen Kommission ist die Einigkeit
in dieser Frage nicht so groß. Bereits bei der ersten Lesung des Entwurfs am
5. Dezember 1887 sprach sich der nativnalliberale Abgeordnete Dr. Bürklin,
all? Pfälzer, entschieden für den unbedingte?? Deklarationszwang ans. In der
Kommission fand die strenge Ansicht Ausdruck in einem Antrage des Grafen
Adclmann und Genossen, der grundsätzlich den Namen „Wein" nnr für Trauben¬
saft ohne jeden Zusatz ii? Anspruch nimmt, aber das Verbessern unter der Be¬
dingung des Deklarationszwauges gestattet, also auch für das durch den Zusatz
reinen Zuckers und Wassers zum Moste gewonnene Getränk einen unterschei¬
dende» Namen fordert. Dagegen ist von den Abgeordneten Racke (Mainz) und
Genossen der Antrag eingebrvcht worden, den? Entwurf dahin abzuändern, daß
unter dem Namen „Wein" (Natnrwein) nur das durch alkoholische Gährung
aus Traubensaft, frei von jedem Zusätze, gewonnene Getränk verkauft werden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/669>, abgerufen am 27.06.2024.