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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der Verkehr mit Wein,

Beschränkung der Zeit und des Verhältnisses, und solche verbesserten Weine
als Wein zu verkaufen. Der Verfasser läßt es dahin gestellt, ob Kunstweine
ganz zu verbieten seien, hält es aber im Interesse des Weinbaues und des
Weinhandels für zweckmäßig.

Eine Schrift, die den Titel führt: "Der Moselweinbau und seine Ver¬
edlung, von einem Rhein- und Weinländer," erschienen bei Fr. Will). Grnnow
in Leipzig, führt nach längern und überzeugenden Ausführungen ähnliche Klagen
wie der Rheinhesse Görz. Am Schlüsse wird gesagt: "Niemand ist im Zweifel
darüber, daß es besser wäre, wenn aller unser einheimischer Wein gleich so
wüchse, wie er verbraucht werden kann und soll, und infolge dessen alle diese
künstlichen Nachhilfemittel nicht nötig wären. Aber selbst in den, an Gunst
der klimatischen Lage uns weit übertreffende" Frankreich ist doch dies nur in
beschränktem Maße der Fall, und das nämliche gilt von den bevorzugtesten
Lagen Deutschlands." Und weiter: "Wolle jeder sich klar machen, ob wirklich
das Ziel, um Himmels Willen keinen in Deutschland hergestellten gallisirten
Wein mit Zustimmung des Gesetzes öffentlich als "Wein" verkaufen zu lassen,
die Opfer auch nur annähernd wert ist. die hierfür gebracht werden müßten
und die zunächst darin bestünden, daß ein herrlicher, heute blühender und wohl¬
habender Landstrich verarmen müßte, die französische Konkurrenz aber eine un¬
geheure Begünstigung empfinge und geschäftliche Reellität sowie gesundheitliche
Obsorge nicht begünstigt, sondern schwer geschädigt würden." Verlangt wird
am Schlüsse: Verbot der Kunstweinfabrikation, Gestattung des Zusatzes reinen
Zuckers mit Wasser unter Beibehaltung des Namens "Wein" für das so her¬
gestellte Getränk und Führung des Namens "Naturwein" oder "reiner Wein"
nur für den aus Traubensaft ohne jeglichen Zusatz gewonnenen Wein.

In ähnlicher Weise äußern sich fast alle Handelskammern am Rhein
und in der Pfalz. Allerdings ist in ihnen vorzugsweise der Weinhandel ver¬
treten, aber in einzelnen, wie zum Beispiel Bingen, Wiesbaden, sind anch
die Weinproduzenten vertreten oder doch von Einfluß. Die Handelskammer in
Bingen führt in einer Eingabe an den Reichstag vom 21. März 1887 aus,
daß nur das Aufgeben der beengenden Definition des Begriffes Wein dem
deutschen Weinhandel seiner normalen Entwicklung und Prosperität zuführen
könne, daß nur das Aufgeben allzu juristischer Anschauungen den deutschen
Winzer in die Lage zu bringen vermögen, das Produkt seiner mühseligen
Arbeit verwerten zu können. Die pfälzische Handels- und Gewerbekammer
in Ludwigshafen richtete an den Reichstag die Bitte, er wolle den Erlaß
eines besondern Weingesetzes veranlassen, in welchem die Weinsabrikation auf
kaltem Wege strengstens verboten, dagegen eine rationelle Verbesserung bei der
ersten Gährung und innerhalb bestimmt festzusetzender Grenzen ohne besondre
Deklaration gestattet werde. Eine Eingabe der Handelskammer in Wiesbaden,
der Vertreterin des vornehmsten deutschen Weingebietes, des Rheingaues, gipfelt


Der Verkehr mit Wein,

Beschränkung der Zeit und des Verhältnisses, und solche verbesserten Weine
als Wein zu verkaufen. Der Verfasser läßt es dahin gestellt, ob Kunstweine
ganz zu verbieten seien, hält es aber im Interesse des Weinbaues und des
Weinhandels für zweckmäßig.

Eine Schrift, die den Titel führt: „Der Moselweinbau und seine Ver¬
edlung, von einem Rhein- und Weinländer," erschienen bei Fr. Will). Grnnow
in Leipzig, führt nach längern und überzeugenden Ausführungen ähnliche Klagen
wie der Rheinhesse Görz. Am Schlüsse wird gesagt: „Niemand ist im Zweifel
darüber, daß es besser wäre, wenn aller unser einheimischer Wein gleich so
wüchse, wie er verbraucht werden kann und soll, und infolge dessen alle diese
künstlichen Nachhilfemittel nicht nötig wären. Aber selbst in den, an Gunst
der klimatischen Lage uns weit übertreffende» Frankreich ist doch dies nur in
beschränktem Maße der Fall, und das nämliche gilt von den bevorzugtesten
Lagen Deutschlands." Und weiter: „Wolle jeder sich klar machen, ob wirklich
das Ziel, um Himmels Willen keinen in Deutschland hergestellten gallisirten
Wein mit Zustimmung des Gesetzes öffentlich als »Wein« verkaufen zu lassen,
die Opfer auch nur annähernd wert ist. die hierfür gebracht werden müßten
und die zunächst darin bestünden, daß ein herrlicher, heute blühender und wohl¬
habender Landstrich verarmen müßte, die französische Konkurrenz aber eine un¬
geheure Begünstigung empfinge und geschäftliche Reellität sowie gesundheitliche
Obsorge nicht begünstigt, sondern schwer geschädigt würden." Verlangt wird
am Schlüsse: Verbot der Kunstweinfabrikation, Gestattung des Zusatzes reinen
Zuckers mit Wasser unter Beibehaltung des Namens „Wein" für das so her¬
gestellte Getränk und Führung des Namens „Naturwein" oder „reiner Wein"
nur für den aus Traubensaft ohne jeglichen Zusatz gewonnenen Wein.

In ähnlicher Weise äußern sich fast alle Handelskammern am Rhein
und in der Pfalz. Allerdings ist in ihnen vorzugsweise der Weinhandel ver¬
treten, aber in einzelnen, wie zum Beispiel Bingen, Wiesbaden, sind anch
die Weinproduzenten vertreten oder doch von Einfluß. Die Handelskammer in
Bingen führt in einer Eingabe an den Reichstag vom 21. März 1887 aus,
daß nur das Aufgeben der beengenden Definition des Begriffes Wein dem
deutschen Weinhandel seiner normalen Entwicklung und Prosperität zuführen
könne, daß nur das Aufgeben allzu juristischer Anschauungen den deutschen
Winzer in die Lage zu bringen vermögen, das Produkt seiner mühseligen
Arbeit verwerten zu können. Die pfälzische Handels- und Gewerbekammer
in Ludwigshafen richtete an den Reichstag die Bitte, er wolle den Erlaß
eines besondern Weingesetzes veranlassen, in welchem die Weinsabrikation auf
kaltem Wege strengstens verboten, dagegen eine rationelle Verbesserung bei der
ersten Gährung und innerhalb bestimmt festzusetzender Grenzen ohne besondre
Deklaration gestattet werde. Eine Eingabe der Handelskammer in Wiesbaden,
der Vertreterin des vornehmsten deutschen Weingebietes, des Rheingaues, gipfelt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/668>, abgerufen am 27.06.2024.