Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt. och ist es ungewiß, ob das Schauspiel, welches mit der Berufung Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt. och ist es ungewiß, ob das Schauspiel, welches mit der Berufung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202687"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_202098/figures/grenzboten_341847_202098_202687_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt.</head><lb/> <p xml:id="ID_2147" next="#ID_2148"> och ist es ungewiß, ob das Schauspiel, welches mit der Berufung<lb/> des Koburgers auf den Fttrstenstuhl Bulgariens begann, als<lb/> Tragödie oder als Komödie endigen wird. Bisher hatte es mehr<lb/> von der letztern Gattung, namentlich der Held mit seiner Mama<lb/> und den Intriganten, die ihn am Drahte hatten, entsprachen<lb/> ihr ganz entschieden, und jedenfalls wäre es komisch, wenn Bulgarien allein oder<lb/> richtiger eine dort herrschende Partei dem Willen dreier Großmächte, nachdem<lb/> er ausgesprochen wäre, Trotz zu bieten auch nur Miene machen wollte. Dieser<lb/> Wille ist aber jetzt ausgesprochen und durch den Sultan, den Suzerän der<lb/> Bulgare», auch als sein Wille in Sofia mitgeteilt worden. Damit begann der<lb/> zweite Auftritt im zweite« Akte des Stückes Prinz Ferdinand und seine Gönner,<lb/> und dieser wird ohne Zweifel mindestens tragikomischen Charakter tragen, wenn<lb/> die übrigen drei Großmächte sich nicht bald zu andrer Stellung zu dem russischen<lb/> Verlangen, als ihre anfängliche war, entschließen. Das bleibt abzuwarten. Tritt<lb/> es ein, so wäre Widerstand der Partei Stambuloffs nicht bloß eine Komödie,<lb/> sondern eine Posse. Vorläufig genügt es, daß die Pforte dem russischen An¬<lb/> trage, der von Deutschland und Frankreich unterstützt wurde, entsprochen hat,<lb/> indem der Großwessir an die bulgarische Regierung telegraphisch die Erklärung ge¬<lb/> richtet hat, die Stellung des Prinzen Ferdinand an der Spitze des Vasallenstaates<lb/> Bulgarien sei rechtlos; denn sie sei im Widerspruche mit den Bestimmungen des<lb/> Berliner Friedensvertrages. Die Sache beschränkt sich aber nicht ans das ver¬<lb/> hältnismäßig kleine und schwache Bulgarien. Europa steht zwei russischen Be¬<lb/> wegungen gegenüber, die offenbar als zusammenhängend aufzufassen sind.<lb/> Während Nelidoff, der russische Botschafter in Konstantinopel, angewiesen wurde,<lb/> seiner ersten Note wegen einer Erklärung des Sultans gegen die Usurpation<lb/> des Koburgers eine dringendere folgen zu lassen, ging der Vormarsch russischer<lb/> Truppen gegen die polnischen Grenzen ohne Unterlaß weiter, das Kommissariat<lb/> in Warschau häufte dort große Vorräte wie für einen Feldzug auf, und viele<lb/> russische Offiziere, die sich auf Urlaub befanden, wurden zu ihren Regimentern<lb/> einberufen. Also, wie es scheint, diplomatischer Druck bei der Pforte, verstärkt<lb/> durch militärische Schachzüge — gegen Bulgarien? Wohl nicht gegen dieses</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0588]
[Abbildung]
Prinz Ferdinand zweiter Akt, zweiter Auftritt.
och ist es ungewiß, ob das Schauspiel, welches mit der Berufung
des Koburgers auf den Fttrstenstuhl Bulgariens begann, als
Tragödie oder als Komödie endigen wird. Bisher hatte es mehr
von der letztern Gattung, namentlich der Held mit seiner Mama
und den Intriganten, die ihn am Drahte hatten, entsprachen
ihr ganz entschieden, und jedenfalls wäre es komisch, wenn Bulgarien allein oder
richtiger eine dort herrschende Partei dem Willen dreier Großmächte, nachdem
er ausgesprochen wäre, Trotz zu bieten auch nur Miene machen wollte. Dieser
Wille ist aber jetzt ausgesprochen und durch den Sultan, den Suzerän der
Bulgare», auch als sein Wille in Sofia mitgeteilt worden. Damit begann der
zweite Auftritt im zweite« Akte des Stückes Prinz Ferdinand und seine Gönner,
und dieser wird ohne Zweifel mindestens tragikomischen Charakter tragen, wenn
die übrigen drei Großmächte sich nicht bald zu andrer Stellung zu dem russischen
Verlangen, als ihre anfängliche war, entschließen. Das bleibt abzuwarten. Tritt
es ein, so wäre Widerstand der Partei Stambuloffs nicht bloß eine Komödie,
sondern eine Posse. Vorläufig genügt es, daß die Pforte dem russischen An¬
trage, der von Deutschland und Frankreich unterstützt wurde, entsprochen hat,
indem der Großwessir an die bulgarische Regierung telegraphisch die Erklärung ge¬
richtet hat, die Stellung des Prinzen Ferdinand an der Spitze des Vasallenstaates
Bulgarien sei rechtlos; denn sie sei im Widerspruche mit den Bestimmungen des
Berliner Friedensvertrages. Die Sache beschränkt sich aber nicht ans das ver¬
hältnismäßig kleine und schwache Bulgarien. Europa steht zwei russischen Be¬
wegungen gegenüber, die offenbar als zusammenhängend aufzufassen sind.
Während Nelidoff, der russische Botschafter in Konstantinopel, angewiesen wurde,
seiner ersten Note wegen einer Erklärung des Sultans gegen die Usurpation
des Koburgers eine dringendere folgen zu lassen, ging der Vormarsch russischer
Truppen gegen die polnischen Grenzen ohne Unterlaß weiter, das Kommissariat
in Warschau häufte dort große Vorräte wie für einen Feldzug auf, und viele
russische Offiziere, die sich auf Urlaub befanden, wurden zu ihren Regimentern
einberufen. Also, wie es scheint, diplomatischer Druck bei der Pforte, verstärkt
durch militärische Schachzüge — gegen Bulgarien? Wohl nicht gegen dieses
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