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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Warum soll der junge David nicht mein Mann sein? schrie die Frau
zornig, indem sie mit wenigen raschen Schritten ans Fenster eilte. Da kommt
er, fragt ihn, ob ich nicht seine Frau bin.

Starr vor ungläubigem Staunen sah der junge Mann sie an. Da legte
sich eine Hand auf sein Knie, und eine melodische Männerstimme sagte
mit dem unverkennbaren Ausdrucke freudigster Überraschung: Alexei! Welche
Frende! Bist du's wirklich, hältst dein Versprechen?

Vom Pferde springend, umarmte Alexei seineu Freund.

Gott sei Dank, da bist du endlich, und ganz der alte! Auf ein Haar
wäre ich umgekehrt, denn -- doch giebt es hier keinen unnützen Jungen, der
mein Pferd halten kann? Du da, komm her!

Komm her, Rüben! rief auch David einem jungen Menschen zu, der sich
zögernd, offenbar ängstlich, näherte. Fürchte nichts, komm nur!

Alexei warf ihm die Zügel zu, und seinen Arm in den Davids schiebend,
ließ er sich in das Haus führen. In einem kleinen Raume, wo Bücher auf
einem Tische Davids unterbrochene Beschäftigung zeigten, blieben sie stehen, und
David richtete seine sanften, schönen Augen auf Alexei, der ihn um Kopfeslänge
überragte.

Mein Herz freut sich bei deinem Anblick, als wärest du mein Bruder.

Du standest mir immer so nahe wie ein Bruder, sagte Alexei, indem er
seine Blicke prüfend über die zierliche Gestalt und das regelmäßige, für seine
Jugend fast zu ernste Antlitz Davids gleiten ließ. Deine Gelehrsamkeit half
mir oft, ich konnte immer nur mit meinen Fäusten für dich eintreten.

Ich werde dir nie vergessen, daß du mir gegen die ganze Rotte Knaben
beistandest.

Davids Wangen glühten, und seine Augen leuchteten auf bei der Er¬
innerung. Er drückte liebevoll Alexeis Hand.

Zwanzig gegen einen, versetzte Alexei lachend. Das hätte jeden empört.

Ich weiß, dein Edelmut galt dem Unterdrückten, nicht mir.

Ein Schatten legte sich auf Davids ausdrucksvolles Gesicht.

Jede Freundschaft muß irgend einen Anfang haben, und wir sind dadurch
wirkliche Freunde geworden, sonst David, ich Hütte dich wohl kaum sonst hier
aufgesucht. Alexei warf einen bezeichnenden Blick durchs Fenster auf die Straße.
Der Tod meines Onkels hat mich zum Besitzer des Gutes gemacht, und ich will
einen Teil des Sommers hier zubringen.

Das ist herrlich! Alles ist so gekommen, wie wir es uns damals aus¬
dachten.

Ja, auch ich freue mich dessen. Aber David, wir sind ja Freunde, mein
Ohr hat mich wohl vorhin getäuscht, wäre es möglich! Ich habe lange nichts
von dir gehört -- nein, ich habe mich geirrt, natürlich. Er legte den Arm
um Davids Schulter und wendete ihn dem scheidenden Tageslichte zu. Jene


Grenzboten I. 1888. ^
David Beronski.

Warum soll der junge David nicht mein Mann sein? schrie die Frau
zornig, indem sie mit wenigen raschen Schritten ans Fenster eilte. Da kommt
er, fragt ihn, ob ich nicht seine Frau bin.

Starr vor ungläubigem Staunen sah der junge Mann sie an. Da legte
sich eine Hand auf sein Knie, und eine melodische Männerstimme sagte
mit dem unverkennbaren Ausdrucke freudigster Überraschung: Alexei! Welche
Frende! Bist du's wirklich, hältst dein Versprechen?

Vom Pferde springend, umarmte Alexei seineu Freund.

Gott sei Dank, da bist du endlich, und ganz der alte! Auf ein Haar
wäre ich umgekehrt, denn — doch giebt es hier keinen unnützen Jungen, der
mein Pferd halten kann? Du da, komm her!

Komm her, Rüben! rief auch David einem jungen Menschen zu, der sich
zögernd, offenbar ängstlich, näherte. Fürchte nichts, komm nur!

Alexei warf ihm die Zügel zu, und seinen Arm in den Davids schiebend,
ließ er sich in das Haus führen. In einem kleinen Raume, wo Bücher auf
einem Tische Davids unterbrochene Beschäftigung zeigten, blieben sie stehen, und
David richtete seine sanften, schönen Augen auf Alexei, der ihn um Kopfeslänge
überragte.

Mein Herz freut sich bei deinem Anblick, als wärest du mein Bruder.

Du standest mir immer so nahe wie ein Bruder, sagte Alexei, indem er
seine Blicke prüfend über die zierliche Gestalt und das regelmäßige, für seine
Jugend fast zu ernste Antlitz Davids gleiten ließ. Deine Gelehrsamkeit half
mir oft, ich konnte immer nur mit meinen Fäusten für dich eintreten.

Ich werde dir nie vergessen, daß du mir gegen die ganze Rotte Knaben
beistandest.

Davids Wangen glühten, und seine Augen leuchteten auf bei der Er¬
innerung. Er drückte liebevoll Alexeis Hand.

Zwanzig gegen einen, versetzte Alexei lachend. Das hätte jeden empört.

Ich weiß, dein Edelmut galt dem Unterdrückten, nicht mir.

Ein Schatten legte sich auf Davids ausdrucksvolles Gesicht.

Jede Freundschaft muß irgend einen Anfang haben, und wir sind dadurch
wirkliche Freunde geworden, sonst David, ich Hütte dich wohl kaum sonst hier
aufgesucht. Alexei warf einen bezeichnenden Blick durchs Fenster auf die Straße.
Der Tod meines Onkels hat mich zum Besitzer des Gutes gemacht, und ich will
einen Teil des Sommers hier zubringen.

Das ist herrlich! Alles ist so gekommen, wie wir es uns damals aus¬
dachten.

Ja, auch ich freue mich dessen. Aber David, wir sind ja Freunde, mein
Ohr hat mich wohl vorhin getäuscht, wäre es möglich! Ich habe lange nichts
von dir gehört — nein, ich habe mich geirrt, natürlich. Er legte den Arm
um Davids Schulter und wendete ihn dem scheidenden Tageslichte zu. Jene


Grenzboten I. 1888. ^
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[0057] David Beronski. Warum soll der junge David nicht mein Mann sein? schrie die Frau zornig, indem sie mit wenigen raschen Schritten ans Fenster eilte. Da kommt er, fragt ihn, ob ich nicht seine Frau bin. Starr vor ungläubigem Staunen sah der junge Mann sie an. Da legte sich eine Hand auf sein Knie, und eine melodische Männerstimme sagte mit dem unverkennbaren Ausdrucke freudigster Überraschung: Alexei! Welche Frende! Bist du's wirklich, hältst dein Versprechen? Vom Pferde springend, umarmte Alexei seineu Freund. Gott sei Dank, da bist du endlich, und ganz der alte! Auf ein Haar wäre ich umgekehrt, denn — doch giebt es hier keinen unnützen Jungen, der mein Pferd halten kann? Du da, komm her! Komm her, Rüben! rief auch David einem jungen Menschen zu, der sich zögernd, offenbar ängstlich, näherte. Fürchte nichts, komm nur! Alexei warf ihm die Zügel zu, und seinen Arm in den Davids schiebend, ließ er sich in das Haus führen. In einem kleinen Raume, wo Bücher auf einem Tische Davids unterbrochene Beschäftigung zeigten, blieben sie stehen, und David richtete seine sanften, schönen Augen auf Alexei, der ihn um Kopfeslänge überragte. Mein Herz freut sich bei deinem Anblick, als wärest du mein Bruder. Du standest mir immer so nahe wie ein Bruder, sagte Alexei, indem er seine Blicke prüfend über die zierliche Gestalt und das regelmäßige, für seine Jugend fast zu ernste Antlitz Davids gleiten ließ. Deine Gelehrsamkeit half mir oft, ich konnte immer nur mit meinen Fäusten für dich eintreten. Ich werde dir nie vergessen, daß du mir gegen die ganze Rotte Knaben beistandest. Davids Wangen glühten, und seine Augen leuchteten auf bei der Er¬ innerung. Er drückte liebevoll Alexeis Hand. Zwanzig gegen einen, versetzte Alexei lachend. Das hätte jeden empört. Ich weiß, dein Edelmut galt dem Unterdrückten, nicht mir. Ein Schatten legte sich auf Davids ausdrucksvolles Gesicht. Jede Freundschaft muß irgend einen Anfang haben, und wir sind dadurch wirkliche Freunde geworden, sonst David, ich Hütte dich wohl kaum sonst hier aufgesucht. Alexei warf einen bezeichnenden Blick durchs Fenster auf die Straße. Der Tod meines Onkels hat mich zum Besitzer des Gutes gemacht, und ich will einen Teil des Sommers hier zubringen. Das ist herrlich! Alles ist so gekommen, wie wir es uns damals aus¬ dachten. Ja, auch ich freue mich dessen. Aber David, wir sind ja Freunde, mein Ohr hat mich wohl vorhin getäuscht, wäre es möglich! Ich habe lange nichts von dir gehört — nein, ich habe mich geirrt, natürlich. Er legte den Arm um Davids Schulter und wendete ihn dem scheidenden Tageslichte zu. Jene Grenzboten I. 1888. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/57>, abgerufen am 28.09.2024.