Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Bildung der Töchter höherer Stände. 186 öffentliche höhere Mädchenschulen. Im ganzen weisen diese 1464 Klassen auf, In den letzten Jahren ist auf Veranlassung des preußischen Kultusministers, Die Bildung der Töchter höherer Stände. 186 öffentliche höhere Mädchenschulen. Im ganzen weisen diese 1464 Klassen auf, In den letzten Jahren ist auf Veranlassung des preußischen Kultusministers, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202662"/> <fw type="header" place="top"> Die Bildung der Töchter höherer Stände.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2084" prev="#ID_2083"> 186 öffentliche höhere Mädchenschulen. Im ganzen weisen diese 1464 Klassen auf,<lb/> was im Durchschnitt etwa acht Klassen auf die Schule ausmachen würde. Doch<lb/> ist auch eine Anzahl Schulen mit einer, zwei, drei u. s. w. Klassen dabei. Zur<lb/> bessern Übersicht teile ich mit, daß von den 186 Schulen 7 aus einer, 4 aus<lb/> 2, 12 aus 3, 14 aus 4, 21 aus 5, 23 aus 6, 19 aus 7, 18 aus 8, 41 aus<lb/> 9, 24 aus 10, 3 aus mehr als 10 Klassen bestehen. Es kämen also immerhin<lb/> weit über hundert große öffentliche Schulen in Betracht, für die eine gesetzliche<lb/> Regelung vielleicht auch mit Rücksicht auf die an diesen Schulen angestellten<lb/> Lehrkräfte sich doch wohl der Mühe verlohnt. Unter den Lehrern sind, wenn<lb/> wir die theologischen Hilfslehrer mitzählen, ein halbes Tausend akademisch ge¬<lb/> bildet. Gar nicht mitgerechnet aber ist bei dieser Übersicht die stattliche Zahl<lb/> der Privatmädchenschulcn, die mit ihren Lehrkräften und Einrichtungen in vielen<lb/> Fällen den öffentlichen Schulen kaum nachstehen und auf die sich die Wohlthat<lb/> des Gesetzes gegebenen Falls nicht minder zu erstrecken hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2085"> In den letzten Jahren ist auf Veranlassung des preußischen Kultusministers,<lb/> nachdem für andre deutsche Staaten dies bereits geschehen ist, ein Normallehrplan<lb/> für die höhern Mädchenschulen Berlins ausgearbeitet worden. Zuerst wurde<lb/> allseitig, aber fälschlich angenommen, daß dieser Plan für alle höhern Mädchen¬<lb/> schulen Preußens verbindlich sein solle. Liegt auch die ausgesprochene Absicht<lb/> bor, auf Grund dieses Planes eine einheitliche Regelung herbeizuführen, so<lb/> werden doch auch bestehende Verhältnisse und Systeme, die sich bewährt haben,<lb/> Berücksichtigung finden. Jedenfalls wird nicht die Absicht bestehen, aus dem<lb/> Plane ein Prokrustesbett zu machen. Nichtsdestoweniger sind Normativ-<lb/> bestimmuugen auf diesem Gebiete für keinen Staat zu entbehren, schon im Inter¬<lb/> esse der sonst in einem Meer von Ungewißheit mit den Wogen der Verkennung<lb/> kümpfenden beteiligten Kreise. Die Notwendigkeit einer verständigen allgemeinen<lb/> weiblichen Bildung bestreitet heutzutage niemand mehr. Auch darüber ist man<lb/> einig, daß sie auf dem Wege des Privatunterrichts nicht einmal für bevorzugte<lb/> Kreise so allseitig und umfassend zu erreichen ist, wie durch eine förmliche Schule,<lb/> diese auch den Charakter durch mannichfache Mittel bildende und nie einseitig<lb/> wirkende „Welt im Kleinen." Wenn ein gelehrter Historiker einmal gesagt hat,<lb/> daß der beste Professor für die Mädchen die Mutter und die beste Universität<lb/> das elterliche Haus sei, so ist das unzweifelhaft fehr richtig und bezieht sich<lb/> namentlich darauf, daß man nach der Schulzeit die Mädchen nicht noch in<lb/> großartige Pensionen senden sollte. Im übrigen müssen aber diese Professoren<lb/> doch auch erst erzogen und unterrichtet werden, und hierzu reichen sich am besten<lb/> "Schule und Haus" die Hand.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0563]
Die Bildung der Töchter höherer Stände.
186 öffentliche höhere Mädchenschulen. Im ganzen weisen diese 1464 Klassen auf,
was im Durchschnitt etwa acht Klassen auf die Schule ausmachen würde. Doch
ist auch eine Anzahl Schulen mit einer, zwei, drei u. s. w. Klassen dabei. Zur
bessern Übersicht teile ich mit, daß von den 186 Schulen 7 aus einer, 4 aus
2, 12 aus 3, 14 aus 4, 21 aus 5, 23 aus 6, 19 aus 7, 18 aus 8, 41 aus
9, 24 aus 10, 3 aus mehr als 10 Klassen bestehen. Es kämen also immerhin
weit über hundert große öffentliche Schulen in Betracht, für die eine gesetzliche
Regelung vielleicht auch mit Rücksicht auf die an diesen Schulen angestellten
Lehrkräfte sich doch wohl der Mühe verlohnt. Unter den Lehrern sind, wenn
wir die theologischen Hilfslehrer mitzählen, ein halbes Tausend akademisch ge¬
bildet. Gar nicht mitgerechnet aber ist bei dieser Übersicht die stattliche Zahl
der Privatmädchenschulcn, die mit ihren Lehrkräften und Einrichtungen in vielen
Fällen den öffentlichen Schulen kaum nachstehen und auf die sich die Wohlthat
des Gesetzes gegebenen Falls nicht minder zu erstrecken hätte.
In den letzten Jahren ist auf Veranlassung des preußischen Kultusministers,
nachdem für andre deutsche Staaten dies bereits geschehen ist, ein Normallehrplan
für die höhern Mädchenschulen Berlins ausgearbeitet worden. Zuerst wurde
allseitig, aber fälschlich angenommen, daß dieser Plan für alle höhern Mädchen¬
schulen Preußens verbindlich sein solle. Liegt auch die ausgesprochene Absicht
bor, auf Grund dieses Planes eine einheitliche Regelung herbeizuführen, so
werden doch auch bestehende Verhältnisse und Systeme, die sich bewährt haben,
Berücksichtigung finden. Jedenfalls wird nicht die Absicht bestehen, aus dem
Plane ein Prokrustesbett zu machen. Nichtsdestoweniger sind Normativ-
bestimmuugen auf diesem Gebiete für keinen Staat zu entbehren, schon im Inter¬
esse der sonst in einem Meer von Ungewißheit mit den Wogen der Verkennung
kümpfenden beteiligten Kreise. Die Notwendigkeit einer verständigen allgemeinen
weiblichen Bildung bestreitet heutzutage niemand mehr. Auch darüber ist man
einig, daß sie auf dem Wege des Privatunterrichts nicht einmal für bevorzugte
Kreise so allseitig und umfassend zu erreichen ist, wie durch eine förmliche Schule,
diese auch den Charakter durch mannichfache Mittel bildende und nie einseitig
wirkende „Welt im Kleinen." Wenn ein gelehrter Historiker einmal gesagt hat,
daß der beste Professor für die Mädchen die Mutter und die beste Universität
das elterliche Haus sei, so ist das unzweifelhaft fehr richtig und bezieht sich
namentlich darauf, daß man nach der Schulzeit die Mädchen nicht noch in
großartige Pensionen senden sollte. Im übrigen müssen aber diese Professoren
doch auch erst erzogen und unterrichtet werden, und hierzu reichen sich am besten
"Schule und Haus" die Hand.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |