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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Im Mondschein mit Goethe.

Nun am östlichen Bereiche
Ahn' ich Mondenglanz und Glut,
Schwanker Weiden Haargezwcige
Scherzen auf der nächsten Flut.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.

(Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten, VIII.)

Ja, so kommt sie am unbewölkter Nachthimmel herauf, Latoncis keusche
Tochter, ruhig das Sterngcwimmel durchziehend, das sie umgiebt, erst weiß oder
rot, dann silbern, endlich golden blinkend aus ihrem freundlichen Auge. Dann
regiert sie, und nicht mehr ihr Bruder, der Sonnengott, und wir? wir lassen
uns, ach und wie gerne, von ihr regieren I Unter ihren Einfluß gestellt, sind
wir nicht mehr geneigt noch gewillt, zu wirken und zu handeln, aber auch nicht zu
schlummern und der Welt uns entrücken zu lassen; wir wollen nur noch empfinden,
nicht mehr gebend, nur nehmend uns der Wirkung überlassen, welche die Welt
und was in ihr ist, in ihren milden Strahlen gebadet, auf uns ausübt. Und
diese Wirkung, sie ist unter allen Umständen eine abschwächende, lösende, ver¬
klärende! Lunas Zauberschein ist selber nur der Abglanz des flammenden Tages¬
gestirns, von dessen Überfluß er wohlthätig gerade so viel verbreitet, als hin¬
reicht, uns das Einzelne, das Gemeine zu verhüllen und nur das Allgemeine,
das ewig schön ist, noch zu zeigen!

Das ist es im Grnnde vor allem, was die Menschen hinauszieht, unwider¬
stehlich, in die von den Mondstrahlen durchflutete nächtliche Welt! Darum freue
ich mich, wenn ich


Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald

und


(Die schöne Nacht)
Luna bricht durch Busch und Eichen,

darum sehne ich mich darnach, daß mir


Luna wieder
Aus den Silberlocken lächle;

(Triumph der Empfindsamkeit, vierter Akt)

darum beglückt und beseligt es mich, wenn


Endlich leuchtet meinem Pfad
Luna klar und golden! (

Neugriechische Liebcsskolien, I)

darum schaue ich so gerne hin, wenn


ein Ring von Wölkchen rundet
Um den Mond so heitern Kreis;

(Faust II, klassische Walpurgisnacht)
Im Mondschein mit Goethe.

Nun am östlichen Bereiche
Ahn' ich Mondenglanz und Glut,
Schwanker Weiden Haargezwcige
Scherzen auf der nächsten Flut.
Durch bewegter Schatten Spiele
Zittert Lunas Zauberschein,
Und durchs Auge schleicht die Kühle
Sänftigend ins Herz hinein.

(Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten, VIII.)

Ja, so kommt sie am unbewölkter Nachthimmel herauf, Latoncis keusche
Tochter, ruhig das Sterngcwimmel durchziehend, das sie umgiebt, erst weiß oder
rot, dann silbern, endlich golden blinkend aus ihrem freundlichen Auge. Dann
regiert sie, und nicht mehr ihr Bruder, der Sonnengott, und wir? wir lassen
uns, ach und wie gerne, von ihr regieren I Unter ihren Einfluß gestellt, sind
wir nicht mehr geneigt noch gewillt, zu wirken und zu handeln, aber auch nicht zu
schlummern und der Welt uns entrücken zu lassen; wir wollen nur noch empfinden,
nicht mehr gebend, nur nehmend uns der Wirkung überlassen, welche die Welt
und was in ihr ist, in ihren milden Strahlen gebadet, auf uns ausübt. Und
diese Wirkung, sie ist unter allen Umständen eine abschwächende, lösende, ver¬
klärende! Lunas Zauberschein ist selber nur der Abglanz des flammenden Tages¬
gestirns, von dessen Überfluß er wohlthätig gerade so viel verbreitet, als hin¬
reicht, uns das Einzelne, das Gemeine zu verhüllen und nur das Allgemeine,
das ewig schön ist, noch zu zeigen!

Das ist es im Grnnde vor allem, was die Menschen hinauszieht, unwider¬
stehlich, in die von den Mondstrahlen durchflutete nächtliche Welt! Darum freue
ich mich, wenn ich


Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald

und


(Die schöne Nacht)
Luna bricht durch Busch und Eichen,

darum sehne ich mich darnach, daß mir


Luna wieder
Aus den Silberlocken lächle;

(Triumph der Empfindsamkeit, vierter Akt)

darum beglückt und beseligt es mich, wenn


Endlich leuchtet meinem Pfad
Luna klar und golden! (

Neugriechische Liebcsskolien, I)

darum schaue ich so gerne hin, wenn


ein Ring von Wölkchen rundet
Um den Mond so heitern Kreis;

(Faust II, klassische Walpurgisnacht)
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[0516] Im Mondschein mit Goethe. Nun am östlichen Bereiche Ahn' ich Mondenglanz und Glut, Schwanker Weiden Haargezwcige Scherzen auf der nächsten Flut. Durch bewegter Schatten Spiele Zittert Lunas Zauberschein, Und durchs Auge schleicht die Kühle Sänftigend ins Herz hinein. (Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten, VIII.) Ja, so kommt sie am unbewölkter Nachthimmel herauf, Latoncis keusche Tochter, ruhig das Sterngcwimmel durchziehend, das sie umgiebt, erst weiß oder rot, dann silbern, endlich golden blinkend aus ihrem freundlichen Auge. Dann regiert sie, und nicht mehr ihr Bruder, der Sonnengott, und wir? wir lassen uns, ach und wie gerne, von ihr regieren I Unter ihren Einfluß gestellt, sind wir nicht mehr geneigt noch gewillt, zu wirken und zu handeln, aber auch nicht zu schlummern und der Welt uns entrücken zu lassen; wir wollen nur noch empfinden, nicht mehr gebend, nur nehmend uns der Wirkung überlassen, welche die Welt und was in ihr ist, in ihren milden Strahlen gebadet, auf uns ausübt. Und diese Wirkung, sie ist unter allen Umständen eine abschwächende, lösende, ver¬ klärende! Lunas Zauberschein ist selber nur der Abglanz des flammenden Tages¬ gestirns, von dessen Überfluß er wohlthätig gerade so viel verbreitet, als hin¬ reicht, uns das Einzelne, das Gemeine zu verhüllen und nur das Allgemeine, das ewig schön ist, noch zu zeigen! Das ist es im Grnnde vor allem, was die Menschen hinauszieht, unwider¬ stehlich, in die von den Mondstrahlen durchflutete nächtliche Welt! Darum freue ich mich, wenn ich Wandle mit verhülltem Schritte Durch den öden, finstern Wald und (Die schöne Nacht) Luna bricht durch Busch und Eichen, darum sehne ich mich darnach, daß mir Luna wieder Aus den Silberlocken lächle; (Triumph der Empfindsamkeit, vierter Akt) darum beglückt und beseligt es mich, wenn Endlich leuchtet meinem Pfad Luna klar und golden! ( Neugriechische Liebcsskolien, I) darum schaue ich so gerne hin, wenn ein Ring von Wölkchen rundet Um den Mond so heitern Kreis; (Faust II, klassische Walpurgisnacht)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/516>, abgerufen am 27.06.2024.