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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Joseph Freiherr von Eichendorff.

Es ist bekannt, daß die auf dieses Freikorps gesetzten Erwartungen nur
teilweise in Erfüllung gingen. In der Hoffnung, in einem andern Korps dem
Vaterlande besser dienen zu können, nahm Eichendorff während des Waffen¬
stillstandes im Juli 1813 seine Entlassung und fand bald darauf als Offizier
in einem schlesischen Landwehrregiment Aufnahme. Freilich auch eine Gedulds¬
probe. Denn diesem Regiment siel nach der Kapitulation von Torgau die trüb¬
selige Aufgabe zu, die schauerlich verpestete Stadt erst wieder bewohnbar zu
machen. Erst Napoleons Rückkehr von Elba und der nun von neuem ent¬
brennende Krieg gab der militärischen Thätigkeit Eichendorffs eine dankbarere Ver¬
wendung. Zwar hatte das Regiment, dem er jetzt zugeteilt wurde, das Mi߬
geschick, trotz aller Eilmärsche erst nach der Schlacht von Belle-Alliance die
Hauptarmee zu erreichen; aber unter stetem Zurückdrängen des Feindes ging
es nun vorwärts auf Paris, und als dienstthuender Offizier dem General
Gneisenau beigegeben, mit dem ihn bald herzliche Freundschaft verband, empfand
Eichendorff von nun an den Pulsschlag der großen Zeit aus unmittelbarster Nähe.
Im Anfange des Jahres 1816 führte er dann seine Kompagnie aus Frankreich
in die schlesische Heimat zurück und trat im Dezember desselben Jahres bei der
königlichen Regierung zu Breslau als Referendar ein. Ohne auf Einzelheiten ein¬
zugehen, sei gleich hier hinzugefügt, daß Eichendorff im Jahre 1844, also nach drei-
unddreißigjähriger. abwechselnder Amtsführung in Breslau, Danzig, Königsberg
und endlich in Berlin, unter dem Minister Eichhorn seine Entlassung nahm.

In Berlin war er fast ununterbrochen während dreizehn Jahren in der
Abteilung für katholisches Kirchen- und Schulwesen beschäftigt gewesen. Da
er mit dem Minister von Altenstein sehr gut stand, ging selbst aus der Meinungs¬
verschiedenheit beider bei Gelegenheit der Maßregelung des Erzbischofs von Köln
keine ernstliche Spannung hervor. Das von 1837 datirende Gedicht: "O heil'ge
Stadt, dein Hirte ist gefangen" läßt erkennen, was Eichendorff damals empfand,
ist aber erst spät in die Sammlung seiner Gedichte aufgenommen worden. Zu
dem Entlassungsgesuche gaben verschiedne Zurücksetzungen Veranlassung, welche
Eichendorff unter dem Ministerium Eichhorn erfuhr, mehr aber noch die Zu¬
mutung, die Angriffe, welche die katholische Presse gegen das Ministerium ge¬
richtet hatte, in geeigneter Weise aus dem Wege der Presse zu widerlegen.
König Friedrich Wilhelm IV. bewilligte das Gesuch erst nach nochmaliger
Wiederholung desselben (30. Juni 1844) und gab Eichendorff zuvor noch Ge¬
legenheit, in Marienburg Studien zur Wiederherstellung des dortigen Schlosses
der deutschen Ordensritter zu machen. Das Ergebnis dieser Arbeit erschien 1844
in Königsberg. Bekanntlich gehörte Eichendorff schon zu dem nähern Kreise
des Königs, als dieser noch Kronprinz war; sowohl die erste Gesamtausgabe
seiner poetischen Werke wie die neuen Auflagen seiner Gedichte sind dem König
zugeeignet. Wir staunen über das Rätsel einer poetischen Begabung, die sich
durch eine so langjährige Beamtenthätigkeit nicht allmählich verkümmern ließ.


Joseph Freiherr von Eichendorff.

Es ist bekannt, daß die auf dieses Freikorps gesetzten Erwartungen nur
teilweise in Erfüllung gingen. In der Hoffnung, in einem andern Korps dem
Vaterlande besser dienen zu können, nahm Eichendorff während des Waffen¬
stillstandes im Juli 1813 seine Entlassung und fand bald darauf als Offizier
in einem schlesischen Landwehrregiment Aufnahme. Freilich auch eine Gedulds¬
probe. Denn diesem Regiment siel nach der Kapitulation von Torgau die trüb¬
selige Aufgabe zu, die schauerlich verpestete Stadt erst wieder bewohnbar zu
machen. Erst Napoleons Rückkehr von Elba und der nun von neuem ent¬
brennende Krieg gab der militärischen Thätigkeit Eichendorffs eine dankbarere Ver¬
wendung. Zwar hatte das Regiment, dem er jetzt zugeteilt wurde, das Mi߬
geschick, trotz aller Eilmärsche erst nach der Schlacht von Belle-Alliance die
Hauptarmee zu erreichen; aber unter stetem Zurückdrängen des Feindes ging
es nun vorwärts auf Paris, und als dienstthuender Offizier dem General
Gneisenau beigegeben, mit dem ihn bald herzliche Freundschaft verband, empfand
Eichendorff von nun an den Pulsschlag der großen Zeit aus unmittelbarster Nähe.
Im Anfange des Jahres 1816 führte er dann seine Kompagnie aus Frankreich
in die schlesische Heimat zurück und trat im Dezember desselben Jahres bei der
königlichen Regierung zu Breslau als Referendar ein. Ohne auf Einzelheiten ein¬
zugehen, sei gleich hier hinzugefügt, daß Eichendorff im Jahre 1844, also nach drei-
unddreißigjähriger. abwechselnder Amtsführung in Breslau, Danzig, Königsberg
und endlich in Berlin, unter dem Minister Eichhorn seine Entlassung nahm.

In Berlin war er fast ununterbrochen während dreizehn Jahren in der
Abteilung für katholisches Kirchen- und Schulwesen beschäftigt gewesen. Da
er mit dem Minister von Altenstein sehr gut stand, ging selbst aus der Meinungs¬
verschiedenheit beider bei Gelegenheit der Maßregelung des Erzbischofs von Köln
keine ernstliche Spannung hervor. Das von 1837 datirende Gedicht: „O heil'ge
Stadt, dein Hirte ist gefangen" läßt erkennen, was Eichendorff damals empfand,
ist aber erst spät in die Sammlung seiner Gedichte aufgenommen worden. Zu
dem Entlassungsgesuche gaben verschiedne Zurücksetzungen Veranlassung, welche
Eichendorff unter dem Ministerium Eichhorn erfuhr, mehr aber noch die Zu¬
mutung, die Angriffe, welche die katholische Presse gegen das Ministerium ge¬
richtet hatte, in geeigneter Weise aus dem Wege der Presse zu widerlegen.
König Friedrich Wilhelm IV. bewilligte das Gesuch erst nach nochmaliger
Wiederholung desselben (30. Juni 1844) und gab Eichendorff zuvor noch Ge¬
legenheit, in Marienburg Studien zur Wiederherstellung des dortigen Schlosses
der deutschen Ordensritter zu machen. Das Ergebnis dieser Arbeit erschien 1844
in Königsberg. Bekanntlich gehörte Eichendorff schon zu dem nähern Kreise
des Königs, als dieser noch Kronprinz war; sowohl die erste Gesamtausgabe
seiner poetischen Werke wie die neuen Auflagen seiner Gedichte sind dem König
zugeeignet. Wir staunen über das Rätsel einer poetischen Begabung, die sich
durch eine so langjährige Beamtenthätigkeit nicht allmählich verkümmern ließ.


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[0462] Joseph Freiherr von Eichendorff. Es ist bekannt, daß die auf dieses Freikorps gesetzten Erwartungen nur teilweise in Erfüllung gingen. In der Hoffnung, in einem andern Korps dem Vaterlande besser dienen zu können, nahm Eichendorff während des Waffen¬ stillstandes im Juli 1813 seine Entlassung und fand bald darauf als Offizier in einem schlesischen Landwehrregiment Aufnahme. Freilich auch eine Gedulds¬ probe. Denn diesem Regiment siel nach der Kapitulation von Torgau die trüb¬ selige Aufgabe zu, die schauerlich verpestete Stadt erst wieder bewohnbar zu machen. Erst Napoleons Rückkehr von Elba und der nun von neuem ent¬ brennende Krieg gab der militärischen Thätigkeit Eichendorffs eine dankbarere Ver¬ wendung. Zwar hatte das Regiment, dem er jetzt zugeteilt wurde, das Mi߬ geschick, trotz aller Eilmärsche erst nach der Schlacht von Belle-Alliance die Hauptarmee zu erreichen; aber unter stetem Zurückdrängen des Feindes ging es nun vorwärts auf Paris, und als dienstthuender Offizier dem General Gneisenau beigegeben, mit dem ihn bald herzliche Freundschaft verband, empfand Eichendorff von nun an den Pulsschlag der großen Zeit aus unmittelbarster Nähe. Im Anfange des Jahres 1816 führte er dann seine Kompagnie aus Frankreich in die schlesische Heimat zurück und trat im Dezember desselben Jahres bei der königlichen Regierung zu Breslau als Referendar ein. Ohne auf Einzelheiten ein¬ zugehen, sei gleich hier hinzugefügt, daß Eichendorff im Jahre 1844, also nach drei- unddreißigjähriger. abwechselnder Amtsführung in Breslau, Danzig, Königsberg und endlich in Berlin, unter dem Minister Eichhorn seine Entlassung nahm. In Berlin war er fast ununterbrochen während dreizehn Jahren in der Abteilung für katholisches Kirchen- und Schulwesen beschäftigt gewesen. Da er mit dem Minister von Altenstein sehr gut stand, ging selbst aus der Meinungs¬ verschiedenheit beider bei Gelegenheit der Maßregelung des Erzbischofs von Köln keine ernstliche Spannung hervor. Das von 1837 datirende Gedicht: „O heil'ge Stadt, dein Hirte ist gefangen" läßt erkennen, was Eichendorff damals empfand, ist aber erst spät in die Sammlung seiner Gedichte aufgenommen worden. Zu dem Entlassungsgesuche gaben verschiedne Zurücksetzungen Veranlassung, welche Eichendorff unter dem Ministerium Eichhorn erfuhr, mehr aber noch die Zu¬ mutung, die Angriffe, welche die katholische Presse gegen das Ministerium ge¬ richtet hatte, in geeigneter Weise aus dem Wege der Presse zu widerlegen. König Friedrich Wilhelm IV. bewilligte das Gesuch erst nach nochmaliger Wiederholung desselben (30. Juni 1844) und gab Eichendorff zuvor noch Ge¬ legenheit, in Marienburg Studien zur Wiederherstellung des dortigen Schlosses der deutschen Ordensritter zu machen. Das Ergebnis dieser Arbeit erschien 1844 in Königsberg. Bekanntlich gehörte Eichendorff schon zu dem nähern Kreise des Königs, als dieser noch Kronprinz war; sowohl die erste Gesamtausgabe seiner poetischen Werke wie die neuen Auflagen seiner Gedichte sind dem König zugeeignet. Wir staunen über das Rätsel einer poetischen Begabung, die sich durch eine so langjährige Beamtenthätigkeit nicht allmählich verkümmern ließ.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/462>, abgerufen am 27.06.2024.