Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht. Da sich die Daten des Elohisten unmöglich auf die Dauer der geschichtlichen Der Vergleich der Regenzeit mit einer Flut ist aber ein naturmythisch so Wir sehen demnach, daß der Flutbcricht im Dubarmythus nicht willkürlich, Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht. Da sich die Daten des Elohisten unmöglich auf die Dauer der geschichtlichen Der Vergleich der Regenzeit mit einer Flut ist aber ein naturmythisch so Wir sehen demnach, daß der Flutbcricht im Dubarmythus nicht willkürlich, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202555"/> <fw type="header" place="top"> Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1697"> Da sich die Daten des Elohisten unmöglich auf die Dauer der geschichtlichen<lb/> Springflut beziehen können, ohne ihren Verlauf als einen völlig naturwidriger<lb/> hinzustellen, da sie hingegen mit denen für die wesentlichen Erscheinungen im<lb/> jährlichen Sonnenlauf haarscharf übereinstimmen und entschieden auf babylonischem<lb/> Boden wurzeln, so sagen wir: Der Elohist hat Kenntnis von einem uralten<lb/> Sonnenmythenrest gehabt, der jedoch nicht mit dem Beginn des Frühjahrs<lb/> einsetzte, sondern mit dem der Regenzeit, deren Allegorisirung durch eine ur¬<lb/> sprünglich naturmythische, infolge der geschichtlichen Springflut erweiterte Flut¬<lb/> sage der wesentlichste Bestandteil des Mythus war. Und dieser wesentlichste<lb/> Bestandteil des alten Mythus, die Versinnbildlichung der Regenzeit durch die<lb/> Flutgeschichte selbst, ist als Ergänzung der jüngern Dubarsage in diese auf¬<lb/> genommen und mit ihr verschmolzen, ein Vorgang, der sich in der Mythen¬<lb/> bildung hundertmal wiederholt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1698"> Der Vergleich der Regenzeit mit einer Flut ist aber ein naturmythisch so<lb/> erklärliches einfaches Bild, wie es sich nur denken läßt. Während dieser Flut,<lb/> deren Dauer obendrein nach der Erzählung des Hasisathra mit derjenigen der<lb/> Regenzeit übereinstimmt, wird der Sonnenheld in der Arche dem menschlichen<lb/> Auge entrückt; die Sonne verbirgt sich eine Zeit lang hinter dem Gewölk, das<lb/> gleich einem riesigen Schiff über dem strömenden Regen schwebt. Nach der<lb/> Regenzeit geht der Sonnenheld aus seiner Arche hervor, und die Taube bringt<lb/> ihm den grünenden Ölzweig, das Sinnbild der Fruchtbarkeit im subtropischen<lb/> Asien, als ein Zeichen, daß die Natur nur des wärmenden Sonnenlichtes harrt,<lb/> um neu gestärkt ihre fruchtbringende Thätigkeit zu beginnen. Der Sonnenheld,<lb/> nun wieder Dubar, folgt dem Winter, er erwirkt die Auferstehung Eabcmis,<lb/> um mit ihm zu neuer Herrlichkeit vereint, den jungen Frühling der Natur zu<lb/> erzeugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1699"> Wir sehen demnach, daß der Flutbcricht im Dubarmythus nicht willkürlich,<lb/> auch nicht nur äußerlich begründet eingeschaltet worden ist, daß seine Einschaltung<lb/> vielmehr vom babylonischen Standpunkte aus ebenso innerlich naturmythisch be¬<lb/> gründet ist wie die übrigen Teile. Aus einem alten Hasisathramythus ent¬<lb/> nommen, macht er gerade an seiner Stelle die Keilschrifterzählung von Dubar<lb/> zu einer in sich abgerundeten, anziehenden mythologischen Allegorie des all¬<lb/> jährlichen Sonnenlaufes in allen seinen Stufen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht.
Da sich die Daten des Elohisten unmöglich auf die Dauer der geschichtlichen
Springflut beziehen können, ohne ihren Verlauf als einen völlig naturwidriger
hinzustellen, da sie hingegen mit denen für die wesentlichen Erscheinungen im
jährlichen Sonnenlauf haarscharf übereinstimmen und entschieden auf babylonischem
Boden wurzeln, so sagen wir: Der Elohist hat Kenntnis von einem uralten
Sonnenmythenrest gehabt, der jedoch nicht mit dem Beginn des Frühjahrs
einsetzte, sondern mit dem der Regenzeit, deren Allegorisirung durch eine ur¬
sprünglich naturmythische, infolge der geschichtlichen Springflut erweiterte Flut¬
sage der wesentlichste Bestandteil des Mythus war. Und dieser wesentlichste
Bestandteil des alten Mythus, die Versinnbildlichung der Regenzeit durch die
Flutgeschichte selbst, ist als Ergänzung der jüngern Dubarsage in diese auf¬
genommen und mit ihr verschmolzen, ein Vorgang, der sich in der Mythen¬
bildung hundertmal wiederholt.
Der Vergleich der Regenzeit mit einer Flut ist aber ein naturmythisch so
erklärliches einfaches Bild, wie es sich nur denken läßt. Während dieser Flut,
deren Dauer obendrein nach der Erzählung des Hasisathra mit derjenigen der
Regenzeit übereinstimmt, wird der Sonnenheld in der Arche dem menschlichen
Auge entrückt; die Sonne verbirgt sich eine Zeit lang hinter dem Gewölk, das
gleich einem riesigen Schiff über dem strömenden Regen schwebt. Nach der
Regenzeit geht der Sonnenheld aus seiner Arche hervor, und die Taube bringt
ihm den grünenden Ölzweig, das Sinnbild der Fruchtbarkeit im subtropischen
Asien, als ein Zeichen, daß die Natur nur des wärmenden Sonnenlichtes harrt,
um neu gestärkt ihre fruchtbringende Thätigkeit zu beginnen. Der Sonnenheld,
nun wieder Dubar, folgt dem Winter, er erwirkt die Auferstehung Eabcmis,
um mit ihm zu neuer Herrlichkeit vereint, den jungen Frühling der Natur zu
erzeugen.
Wir sehen demnach, daß der Flutbcricht im Dubarmythus nicht willkürlich,
auch nicht nur äußerlich begründet eingeschaltet worden ist, daß seine Einschaltung
vielmehr vom babylonischen Standpunkte aus ebenso innerlich naturmythisch be¬
gründet ist wie die übrigen Teile. Aus einem alten Hasisathramythus ent¬
nommen, macht er gerade an seiner Stelle die Keilschrifterzählung von Dubar
zu einer in sich abgerundeten, anziehenden mythologischen Allegorie des all¬
jährlichen Sonnenlaufes in allen seinen Stufen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |