Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Joseph Freiherr von Gichendorff. u den Liedern, die seit manchem Jahrzehnt diesseits wie jenseits
Das Gedicht stammt aus dem reifsten Mannesalter Eichendorfss, aus seinem
Aber wenn er die eitle Weltgunst aus Hoheit der Gesinnung wie aus lange
Grenzboten I. 1888.
Joseph Freiherr von Gichendorff. u den Liedern, die seit manchem Jahrzehnt diesseits wie jenseits
Das Gedicht stammt aus dem reifsten Mannesalter Eichendorfss, aus seinem
Aber wenn er die eitle Weltgunst aus Hoheit der Gesinnung wie aus lange
Grenzboten I. 1888.
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[Abbildung]
Joseph Freiherr von Gichendorff.
u den Liedern, die seit manchem Jahrzehnt diesseits wie jenseits
des Weltmeeres in ernsten Stunden von deutschen Lippen am
liebsten gesungen werden, gehört das Morgengebet, das mit den
Worten „O wunderbares tiefes Schweigen" feierlich anhebt und
mit den Worten „Zu dir Herr, übern Strom der Zeit!" wie ein
alter Choral schließt. Es giebt aber noch eine vierte Strophe zu diesem Liede,
und sie ist für den Dichter nicht minder bezeichnend als die durch Mendelssohns
Komposition uns allen so vertraut gewordnen drei vorausgehenden, fromm
ergebenen Strophen. Sie lautet:
Und buhlt mein Lied, auf Wcltgunst lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit,
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
Schweig' ich vor dir in Ewigkeit.
Das Gedicht stammt aus dem reifsten Mannesalter Eichendorfss, aus seinem
fünfundvierzigsten Lebensjahre. Wie bittrer Ernst es ihm war um das Ver¬
achten des schnöden Soldes der Eitelkeit, um sein ablehnendes Verhalten gegen
die Weltgunst, das geht aus einem seiner ironischen Sprüche hervor:
Bau nur auf Weltgunst recht,
Und paß auf jeden Wink und Gruß,
Wirst dabei nimmer fröhlich werden!
Es hat's kein Hund so schlecht,
Der hinter seinen Herren muß,
Nicht frei spazieren kann auf Erden.
Aber wenn er die eitle Weltgunst aus Hoheit der Gesinnung wie aus lange
bewährter Erfahrung verachtete, weit offen war doch sein Herz für den reinen
Klang echter Sympathie, und als dem schon dem Greisenalter entgegenschreitenden
bei einem kurzen Verweilen in der Kaiserstadt an der Donau ein Sänger- und
Dichterfest bereitet wurde, da faßte er seinen Dank in die bewegten Worte:
Lerche, wo sic's grünen sieht,
Lenkt sie hin von ferne;
Wo ein Liedcrfrühling blüht,
Weilt der Dichter gerne.
Grenzboten I. 1888.
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