Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Gottsched und die deutsche Sprache. Der Kampf gegen die Fremdwörter zieht sich durch Gottscheds ganze schrift¬ Wie Gottsched den Kampf gegen die Fremdwörter bis an das Ende seiner Gottsched und die deutsche Sprache. Der Kampf gegen die Fremdwörter zieht sich durch Gottscheds ganze schrift¬ Wie Gottsched den Kampf gegen die Fremdwörter bis an das Ende seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202511"/> <fw type="header" place="top"> Gottsched und die deutsche Sprache.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1519"> Der Kampf gegen die Fremdwörter zieht sich durch Gottscheds ganze schrift¬<lb/> stellerische Thätigkeit hindurch. Die „Beobachtungen über den Gebrauch und<lb/> Mißbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten," eins seiner letzten Werke,<lb/> auf dessen Titel er sich nicht Professor, sondern „öffentlicher Lehrer zu Leipzig"<lb/> nennt, enthalten zahlreiche gelegentliche Ausfälle gegen die „sprachliche Menge¬<lb/> sucht" und Vorschläge zur Ersetzung fremder Wörter durch deutsche. So sagt<lb/> er von dem Worte „entziffern," das zu seiner Zeit noch ziemlich neu war:<lb/> „Ein neues Leckerbißchen unsrer Modeschriftsteller. Sie wollen nichts mehr<lb/> entdecken, erraten oder ans Licht bringen, nein, es muß alles entziffert werden.<lb/> Das liebe äeoniSrsr der Franzosen ist Schuld daran." Ein andres, zu seiner<lb/> Zeit neu ausgekommenes Wort empfiehlt er dagegen; statt „eine Kommission<lb/> erteilen" soll man sagen: „einen Auftrag geben", und er fügt hinzu: „Dies<lb/> Wort ist zwar noch nicht sehr gewöhnlich, aber es ist regelmäßig gebildet."<lb/> Statt eine „Audienz" nachzusuchen, soll man „Gehör" erbitten, und wo er über<lb/> die Bedeutung des Wortes „warten" spricht, fügt er in seinem Ingrimm gegen<lb/> Fremdwörter und mit einer boshaften Bemerkung gegen die Ärzte hinzu: „Das<lb/> so undeutsche »kuriren« unsrer Ärzte, welches freilich kein Gesundmachen heißt,<lb/> ist nichts andres als das Warten eines Kranken, insoweit ein Arzt es besorgen<lb/> kann." Gegen Ärzte und Soldaten wendet sich folgende Ausführung: „Ope¬<lb/> riren ist ein Kunstwort der Heilkünstler von ihren Arzneien, dafür sie gar wohl<lb/> »wirken« sagen könnten. Ja von diesem Operiren werden gar gewisse Quack¬<lb/> salber Operateurs genannt; vielleicht weil sie mehr mit den Händen wirksam<lb/> sind als mit dem Verstände, z. B. im Ausreißen der Zähne, Staarstechen<lb/> u. dergl. Auch im Kriegswesen hat man Operationen eingeführt, wenn man sagt:<lb/> die heurigen Kriegsoperationen werden bald wieder angehen. Könnte man aber<lb/> nicht sagen: die kriegerischen Anstalten, Unternehmungen werden bald wieder<lb/> ihren Anfang nehmen?" Auch die höchsten Kreise verschont Gottsched nicht,<lb/> wenn es sich darum handelt, ein gutes deutsches Wort an die Stelle eines<lb/> fremden zu setzen: „Was sind Galatage anders als Prunktage, und Galakleider<lb/> anders als Prnnkkleider? Und was könnte man bequemeres erdenken, eine<lb/> Staatskarosse eines Botschafters oder Gesandten auszudrücken, als einen Prunk¬<lb/> wagen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1520" next="#ID_1521"> Wie Gottsched den Kampf gegen die Fremdwörter bis an das Ende seiner<lb/> schriftstellerischen Thätigkeit fortsetzte, so hatte er ihn auch gleich beim Beginn<lb/> derselben aufgenommen. Schon in seiner ersten Zeitschrift, den „Vernünftigen<lb/> Tadlerinnen," geht er dem Frcmdlvörternnwesen bald in sittlicher Entrüstung über<lb/> die undeutsche Gesinnung, bald mit den Waffen des Spottes scharf zu Leibe.<lb/> Es wäre zu wünschen, daß die Zeitschriften, welche jetzt in unsern Familien die<lb/> Stelle der moralischen Wochenschriften des achtzehnten Jahrhunderts einnehmen,<lb/> eben so deutsch dächten und so deutsch handelten. Leider findet man in vielen<lb/> derselben statt eines Kampfes gegen die Fremdwörter eine recht ausgiebige</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Gottsched und die deutsche Sprache.
Der Kampf gegen die Fremdwörter zieht sich durch Gottscheds ganze schrift¬
stellerische Thätigkeit hindurch. Die „Beobachtungen über den Gebrauch und
Mißbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten," eins seiner letzten Werke,
auf dessen Titel er sich nicht Professor, sondern „öffentlicher Lehrer zu Leipzig"
nennt, enthalten zahlreiche gelegentliche Ausfälle gegen die „sprachliche Menge¬
sucht" und Vorschläge zur Ersetzung fremder Wörter durch deutsche. So sagt
er von dem Worte „entziffern," das zu seiner Zeit noch ziemlich neu war:
„Ein neues Leckerbißchen unsrer Modeschriftsteller. Sie wollen nichts mehr
entdecken, erraten oder ans Licht bringen, nein, es muß alles entziffert werden.
Das liebe äeoniSrsr der Franzosen ist Schuld daran." Ein andres, zu seiner
Zeit neu ausgekommenes Wort empfiehlt er dagegen; statt „eine Kommission
erteilen" soll man sagen: „einen Auftrag geben", und er fügt hinzu: „Dies
Wort ist zwar noch nicht sehr gewöhnlich, aber es ist regelmäßig gebildet."
Statt eine „Audienz" nachzusuchen, soll man „Gehör" erbitten, und wo er über
die Bedeutung des Wortes „warten" spricht, fügt er in seinem Ingrimm gegen
Fremdwörter und mit einer boshaften Bemerkung gegen die Ärzte hinzu: „Das
so undeutsche »kuriren« unsrer Ärzte, welches freilich kein Gesundmachen heißt,
ist nichts andres als das Warten eines Kranken, insoweit ein Arzt es besorgen
kann." Gegen Ärzte und Soldaten wendet sich folgende Ausführung: „Ope¬
riren ist ein Kunstwort der Heilkünstler von ihren Arzneien, dafür sie gar wohl
»wirken« sagen könnten. Ja von diesem Operiren werden gar gewisse Quack¬
salber Operateurs genannt; vielleicht weil sie mehr mit den Händen wirksam
sind als mit dem Verstände, z. B. im Ausreißen der Zähne, Staarstechen
u. dergl. Auch im Kriegswesen hat man Operationen eingeführt, wenn man sagt:
die heurigen Kriegsoperationen werden bald wieder angehen. Könnte man aber
nicht sagen: die kriegerischen Anstalten, Unternehmungen werden bald wieder
ihren Anfang nehmen?" Auch die höchsten Kreise verschont Gottsched nicht,
wenn es sich darum handelt, ein gutes deutsches Wort an die Stelle eines
fremden zu setzen: „Was sind Galatage anders als Prunktage, und Galakleider
anders als Prnnkkleider? Und was könnte man bequemeres erdenken, eine
Staatskarosse eines Botschafters oder Gesandten auszudrücken, als einen Prunk¬
wagen?"
Wie Gottsched den Kampf gegen die Fremdwörter bis an das Ende seiner
schriftstellerischen Thätigkeit fortsetzte, so hatte er ihn auch gleich beim Beginn
derselben aufgenommen. Schon in seiner ersten Zeitschrift, den „Vernünftigen
Tadlerinnen," geht er dem Frcmdlvörternnwesen bald in sittlicher Entrüstung über
die undeutsche Gesinnung, bald mit den Waffen des Spottes scharf zu Leibe.
Es wäre zu wünschen, daß die Zeitschriften, welche jetzt in unsern Familien die
Stelle der moralischen Wochenschriften des achtzehnten Jahrhunderts einnehmen,
eben so deutsch dächten und so deutsch handelten. Leider findet man in vielen
derselben statt eines Kampfes gegen die Fremdwörter eine recht ausgiebige
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