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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Gottsched und die deutsche Sprache.

Pflege derselben. Es wäre gar schön, wenn eine Zeitschrift unsrer Zeit von
ihrem Einflüsse sagen könnte, wie die "Vernünftigen Tadlerinnen": "Da wir von
der Reinigkeit der deutschen Sprache unsre Gedanken eröffnet, so hat dieses
die Wirkung gehabt, daß verschiedne Personen beiderlei Geschlechts einander
auszulachen anfangen, wenn sie sich in ihren Gesprächen vieler französischen
Wörter bedienen."

Wiederum gegen die höchsten Kreise sich wendend, schreibt Gottsched im
21. Stück des ersten Jahrganges: "Die Höfe in Deutschland sind fast nicht
deutsche Höfe. Wenn Fremdlinge dahin kommen, so ists ein Glück, wenn sie
einige Hofbcdieutc antreffen, die ihnen deutsch zureden. An dem einen Hofe gilt
das Spanische, ein dem andern das Italienische, am dritten das Französische,
am vierten das Engländische. Trifft man ja Leute an, die gegen einen, den
sie für einfältig ansehen, deutsch sprechen, so ist es nicht mehr deutsch, sondern
eine seltsame Vermischung etlicher Sprachen, die sich nicht besser zusammen
schicken, als wenn man bewaffnete Soldaten, Bauern mit ihren Flegeln und
Halloren mit ihren Morgensternen unordentlich durcheinander stellen wollte und
sie also einherziehen ließe. Dieser Anblick würde ohne Zweifel sehr unangenehm
sein, und doch ist eine vermischte Rede ihrer Natur nach nicht besser."

Daß es Gottsched nicht darum zu thun war, alle Fremdwörter auszurotten,
sagt er auch schon in den "Vernünftigen Tadlerinnen." "Unsre Gedanken -- heißt
es da (II, 23) -- sind niemals dahin gegangen, unsre Landsleute zu hindern, daß
sie kein fremdes Wort brauchen sollten, wenn kein einheimisches vorhanden ist.
Wir haben nur die unnützen Sprachmischer ausgelacht, die ohne Not dergleichen
ausländische Lumpen auf ihren dentschen Rock hängen und sich einbilden, recht
galant zu reden und zu schreiben, wenn sie dasjenige mit einem verstümmelten
französischen Worte übel ausdrücken, was sie mit einer guten deutschen Redens¬
art weit besser hätten vortragen können. Wenn unsre Frauenzimmerkleidungen
bald Contuschen, bald Votanten, bald Andrieunen genennet werden, so wnnderts
mich nicht. Diese Moden kommen aus Frankreich; folglich kommen auch die
Namen daher. Wenn aber Magdalis aus eingebildeter Galanterie im Reden
sagt: die Sonne brilliret so stark, daß man sich nicht suffisamment eventailliren
kann, so möchte ich flugs den Krampf in die Ohren bekommen. Ich rate ihr,
ein paar alte deutsche Traltätchen zu lesen, die im vorigen Jahrhunderte schon
herausgekommen. Das eine heißt: Der deutsche Franzos, worin der Deutschen
allzubegierige Nachahmung in den französischen Sitten, Kleidung, Sprache,
Reisen und andern Vanitäten vorgebildet wird; 1682. Das andre: Der un¬
artige deutsche Sprachverderber, und ist um eben diese Zeit auf etlichen Bogen
herausgekommen."

Mit wie guter Laune Gottsched, der so oft für die verkörperte Langweilig¬
keit gehalten wird, dabei zu spotten versteht, dafür noch ein paar Beispiele.
Gleich im zweiten Stück des ersten Jahrganges spricht er über die Sitte der


Gottsched und die deutsche Sprache.

Pflege derselben. Es wäre gar schön, wenn eine Zeitschrift unsrer Zeit von
ihrem Einflüsse sagen könnte, wie die „Vernünftigen Tadlerinnen": „Da wir von
der Reinigkeit der deutschen Sprache unsre Gedanken eröffnet, so hat dieses
die Wirkung gehabt, daß verschiedne Personen beiderlei Geschlechts einander
auszulachen anfangen, wenn sie sich in ihren Gesprächen vieler französischen
Wörter bedienen."

Wiederum gegen die höchsten Kreise sich wendend, schreibt Gottsched im
21. Stück des ersten Jahrganges: „Die Höfe in Deutschland sind fast nicht
deutsche Höfe. Wenn Fremdlinge dahin kommen, so ists ein Glück, wenn sie
einige Hofbcdieutc antreffen, die ihnen deutsch zureden. An dem einen Hofe gilt
das Spanische, ein dem andern das Italienische, am dritten das Französische,
am vierten das Engländische. Trifft man ja Leute an, die gegen einen, den
sie für einfältig ansehen, deutsch sprechen, so ist es nicht mehr deutsch, sondern
eine seltsame Vermischung etlicher Sprachen, die sich nicht besser zusammen
schicken, als wenn man bewaffnete Soldaten, Bauern mit ihren Flegeln und
Halloren mit ihren Morgensternen unordentlich durcheinander stellen wollte und
sie also einherziehen ließe. Dieser Anblick würde ohne Zweifel sehr unangenehm
sein, und doch ist eine vermischte Rede ihrer Natur nach nicht besser."

Daß es Gottsched nicht darum zu thun war, alle Fremdwörter auszurotten,
sagt er auch schon in den „Vernünftigen Tadlerinnen." „Unsre Gedanken — heißt
es da (II, 23) — sind niemals dahin gegangen, unsre Landsleute zu hindern, daß
sie kein fremdes Wort brauchen sollten, wenn kein einheimisches vorhanden ist.
Wir haben nur die unnützen Sprachmischer ausgelacht, die ohne Not dergleichen
ausländische Lumpen auf ihren dentschen Rock hängen und sich einbilden, recht
galant zu reden und zu schreiben, wenn sie dasjenige mit einem verstümmelten
französischen Worte übel ausdrücken, was sie mit einer guten deutschen Redens¬
art weit besser hätten vortragen können. Wenn unsre Frauenzimmerkleidungen
bald Contuschen, bald Votanten, bald Andrieunen genennet werden, so wnnderts
mich nicht. Diese Moden kommen aus Frankreich; folglich kommen auch die
Namen daher. Wenn aber Magdalis aus eingebildeter Galanterie im Reden
sagt: die Sonne brilliret so stark, daß man sich nicht suffisamment eventailliren
kann, so möchte ich flugs den Krampf in die Ohren bekommen. Ich rate ihr,
ein paar alte deutsche Traltätchen zu lesen, die im vorigen Jahrhunderte schon
herausgekommen. Das eine heißt: Der deutsche Franzos, worin der Deutschen
allzubegierige Nachahmung in den französischen Sitten, Kleidung, Sprache,
Reisen und andern Vanitäten vorgebildet wird; 1682. Das andre: Der un¬
artige deutsche Sprachverderber, und ist um eben diese Zeit auf etlichen Bogen
herausgekommen."

Mit wie guter Laune Gottsched, der so oft für die verkörperte Langweilig¬
keit gehalten wird, dabei zu spotten versteht, dafür noch ein paar Beispiele.
Gleich im zweiten Stück des ersten Jahrganges spricht er über die Sitte der


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[0413] Gottsched und die deutsche Sprache. Pflege derselben. Es wäre gar schön, wenn eine Zeitschrift unsrer Zeit von ihrem Einflüsse sagen könnte, wie die „Vernünftigen Tadlerinnen": „Da wir von der Reinigkeit der deutschen Sprache unsre Gedanken eröffnet, so hat dieses die Wirkung gehabt, daß verschiedne Personen beiderlei Geschlechts einander auszulachen anfangen, wenn sie sich in ihren Gesprächen vieler französischen Wörter bedienen." Wiederum gegen die höchsten Kreise sich wendend, schreibt Gottsched im 21. Stück des ersten Jahrganges: „Die Höfe in Deutschland sind fast nicht deutsche Höfe. Wenn Fremdlinge dahin kommen, so ists ein Glück, wenn sie einige Hofbcdieutc antreffen, die ihnen deutsch zureden. An dem einen Hofe gilt das Spanische, ein dem andern das Italienische, am dritten das Französische, am vierten das Engländische. Trifft man ja Leute an, die gegen einen, den sie für einfältig ansehen, deutsch sprechen, so ist es nicht mehr deutsch, sondern eine seltsame Vermischung etlicher Sprachen, die sich nicht besser zusammen schicken, als wenn man bewaffnete Soldaten, Bauern mit ihren Flegeln und Halloren mit ihren Morgensternen unordentlich durcheinander stellen wollte und sie also einherziehen ließe. Dieser Anblick würde ohne Zweifel sehr unangenehm sein, und doch ist eine vermischte Rede ihrer Natur nach nicht besser." Daß es Gottsched nicht darum zu thun war, alle Fremdwörter auszurotten, sagt er auch schon in den „Vernünftigen Tadlerinnen." „Unsre Gedanken — heißt es da (II, 23) — sind niemals dahin gegangen, unsre Landsleute zu hindern, daß sie kein fremdes Wort brauchen sollten, wenn kein einheimisches vorhanden ist. Wir haben nur die unnützen Sprachmischer ausgelacht, die ohne Not dergleichen ausländische Lumpen auf ihren dentschen Rock hängen und sich einbilden, recht galant zu reden und zu schreiben, wenn sie dasjenige mit einem verstümmelten französischen Worte übel ausdrücken, was sie mit einer guten deutschen Redens¬ art weit besser hätten vortragen können. Wenn unsre Frauenzimmerkleidungen bald Contuschen, bald Votanten, bald Andrieunen genennet werden, so wnnderts mich nicht. Diese Moden kommen aus Frankreich; folglich kommen auch die Namen daher. Wenn aber Magdalis aus eingebildeter Galanterie im Reden sagt: die Sonne brilliret so stark, daß man sich nicht suffisamment eventailliren kann, so möchte ich flugs den Krampf in die Ohren bekommen. Ich rate ihr, ein paar alte deutsche Traltätchen zu lesen, die im vorigen Jahrhunderte schon herausgekommen. Das eine heißt: Der deutsche Franzos, worin der Deutschen allzubegierige Nachahmung in den französischen Sitten, Kleidung, Sprache, Reisen und andern Vanitäten vorgebildet wird; 1682. Das andre: Der un¬ artige deutsche Sprachverderber, und ist um eben diese Zeit auf etlichen Bogen herausgekommen." Mit wie guter Laune Gottsched, der so oft für die verkörperte Langweilig¬ keit gehalten wird, dabei zu spotten versteht, dafür noch ein paar Beispiele. Gleich im zweiten Stück des ersten Jahrganges spricht er über die Sitte der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/413>, abgerufen am 28.09.2024.