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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

3. August des genannten Jahres machte der Kaiser dem Könige von Preußen
im Bade Gastein mündlich davon Mitteilung. Schon am folgenden Tage er¬
gingen an alle deutschen Fürsten Einladungsschreiben zu einem großen Fürsten¬
tage in Frankfurt a. M, für den 26. August dieses Jahres. Alle Einwendungen
des Königs von Preußen, daß er sich nicht so überraschen lassen könnte, daß
erst eine Einigung zwischen den beiden Großmächten herbeigeführt werden müsse
u. s. w., blieben unbeachtet. Der Fürstentag fand statt; außer Preußen fehlten
nur einige Kleinstaaten und Dänemark wegen Holstein. Der Vundesreformplan
wurde vorgelegt. Es verlohnt sich nicht, ihn im einzelnen zu besprechen; es
sollte ein Direktorium, ein Bundesrat, ein sogenanntes Delegirtenparlament ein¬
gerichtet werden, alles unter Österreichs Leitung, das namentlich die Militär¬
macht des Bundes fast ganz in seine Hand gebracht hätte. Die Mittelstaaten
zeigten sich sehr höflich, sehr entgegenkommend, aber in der Hauptsache machten
sie Ausflüchte und Schwierigkeiten; eine österreichiiche Hegemonie wollten sie
ebenso wenig wie eine preußische. Alle Versuche, Preußen zum Veitritte zu
bewegen, schlugen fehl; der König hielt sich fern, und da Österreich Gewalt
weder gebrauchen wollte noch konnte, so verlief die ganze Sache, die mit soviel
Prunk begonnen worden war, im Sande. Die kaiserliche Regierung sollte fühlen,
daß jetzt in Preußen ein andrer Geist herrschte. Das Hohenzollernszepter ruhte
in den Händen des Königs Wilhelm, und der Mann, der als erster Berater
neben ihm stand, hieß nicht mehr Otto von Manteuffel, sondern Otto von
Bismarck - Schönhausen.

In dem bald darauf ausbrechenden dänischen Kriege wurde das Herzogtum
Holstein von Bundestruppen besetzt. Als Österreich, trotz der bei Gelegenheit
des Fürstentages erlittenen Niederlage, mit Preußen ein Bündnis abgeschlossen
hatte, wurden diese Truppen, Sachsen und Hannoveraner, einfach, beiseite ge¬
schoben, zum großen Ärger der mittelstaatlichen Diplomaten. Wie schon früher
erwähnt, durfte im folgenden Jahre Herr von Beust an den Londoner
Konferenzen als Vertreter des deutschen Bundes teilnehmen. Einen weitern
Zweck hatte die Sache nicht.

Als bald darauf dann der Zeitpunkt herannahte, wo die deutsche Frage
mit "Blut und Eisen" zum Austrage gebracht werden sollte, suchte Osterreich
zum letzten male den Bund gegen Preußen auszuspielen. Am 11. Juni 1866
stellte es den Antrag, die Mvbilisiruug der ganzen Bundesarmee, mit Ausnahme
der drei preußischen Korps, zu beschließen. Schon am dritten Tage darnach,
am 14. Juni, unerhört schnell bei einer so wichtigen Sache, wurde über den
Antrag abgestimmt, und zwar unter Hintansetzung aller für eine Bundesexekution
vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen. Zum letzten male gelang es Oster¬
reich, eine Mehrheit gegen Preußen zu stände zu bringen, allerdings nur durch
Fälschung und gesetzwidrige Zählung von Stimmen. Die Exekution wurde be¬
schlossen. Darauf erklärte der preußische Gesandte, von Savigny, den Bund


Der deutsche Bund.

3. August des genannten Jahres machte der Kaiser dem Könige von Preußen
im Bade Gastein mündlich davon Mitteilung. Schon am folgenden Tage er¬
gingen an alle deutschen Fürsten Einladungsschreiben zu einem großen Fürsten¬
tage in Frankfurt a. M, für den 26. August dieses Jahres. Alle Einwendungen
des Königs von Preußen, daß er sich nicht so überraschen lassen könnte, daß
erst eine Einigung zwischen den beiden Großmächten herbeigeführt werden müsse
u. s. w., blieben unbeachtet. Der Fürstentag fand statt; außer Preußen fehlten
nur einige Kleinstaaten und Dänemark wegen Holstein. Der Vundesreformplan
wurde vorgelegt. Es verlohnt sich nicht, ihn im einzelnen zu besprechen; es
sollte ein Direktorium, ein Bundesrat, ein sogenanntes Delegirtenparlament ein¬
gerichtet werden, alles unter Österreichs Leitung, das namentlich die Militär¬
macht des Bundes fast ganz in seine Hand gebracht hätte. Die Mittelstaaten
zeigten sich sehr höflich, sehr entgegenkommend, aber in der Hauptsache machten
sie Ausflüchte und Schwierigkeiten; eine österreichiiche Hegemonie wollten sie
ebenso wenig wie eine preußische. Alle Versuche, Preußen zum Veitritte zu
bewegen, schlugen fehl; der König hielt sich fern, und da Österreich Gewalt
weder gebrauchen wollte noch konnte, so verlief die ganze Sache, die mit soviel
Prunk begonnen worden war, im Sande. Die kaiserliche Regierung sollte fühlen,
daß jetzt in Preußen ein andrer Geist herrschte. Das Hohenzollernszepter ruhte
in den Händen des Königs Wilhelm, und der Mann, der als erster Berater
neben ihm stand, hieß nicht mehr Otto von Manteuffel, sondern Otto von
Bismarck - Schönhausen.

In dem bald darauf ausbrechenden dänischen Kriege wurde das Herzogtum
Holstein von Bundestruppen besetzt. Als Österreich, trotz der bei Gelegenheit
des Fürstentages erlittenen Niederlage, mit Preußen ein Bündnis abgeschlossen
hatte, wurden diese Truppen, Sachsen und Hannoveraner, einfach, beiseite ge¬
schoben, zum großen Ärger der mittelstaatlichen Diplomaten. Wie schon früher
erwähnt, durfte im folgenden Jahre Herr von Beust an den Londoner
Konferenzen als Vertreter des deutschen Bundes teilnehmen. Einen weitern
Zweck hatte die Sache nicht.

Als bald darauf dann der Zeitpunkt herannahte, wo die deutsche Frage
mit „Blut und Eisen" zum Austrage gebracht werden sollte, suchte Osterreich
zum letzten male den Bund gegen Preußen auszuspielen. Am 11. Juni 1866
stellte es den Antrag, die Mvbilisiruug der ganzen Bundesarmee, mit Ausnahme
der drei preußischen Korps, zu beschließen. Schon am dritten Tage darnach,
am 14. Juni, unerhört schnell bei einer so wichtigen Sache, wurde über den
Antrag abgestimmt, und zwar unter Hintansetzung aller für eine Bundesexekution
vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen. Zum letzten male gelang es Oster¬
reich, eine Mehrheit gegen Preußen zu stände zu bringen, allerdings nur durch
Fälschung und gesetzwidrige Zählung von Stimmen. Die Exekution wurde be¬
schlossen. Darauf erklärte der preußische Gesandte, von Savigny, den Bund


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[0405] Der deutsche Bund. 3. August des genannten Jahres machte der Kaiser dem Könige von Preußen im Bade Gastein mündlich davon Mitteilung. Schon am folgenden Tage er¬ gingen an alle deutschen Fürsten Einladungsschreiben zu einem großen Fürsten¬ tage in Frankfurt a. M, für den 26. August dieses Jahres. Alle Einwendungen des Königs von Preußen, daß er sich nicht so überraschen lassen könnte, daß erst eine Einigung zwischen den beiden Großmächten herbeigeführt werden müsse u. s. w., blieben unbeachtet. Der Fürstentag fand statt; außer Preußen fehlten nur einige Kleinstaaten und Dänemark wegen Holstein. Der Vundesreformplan wurde vorgelegt. Es verlohnt sich nicht, ihn im einzelnen zu besprechen; es sollte ein Direktorium, ein Bundesrat, ein sogenanntes Delegirtenparlament ein¬ gerichtet werden, alles unter Österreichs Leitung, das namentlich die Militär¬ macht des Bundes fast ganz in seine Hand gebracht hätte. Die Mittelstaaten zeigten sich sehr höflich, sehr entgegenkommend, aber in der Hauptsache machten sie Ausflüchte und Schwierigkeiten; eine österreichiiche Hegemonie wollten sie ebenso wenig wie eine preußische. Alle Versuche, Preußen zum Veitritte zu bewegen, schlugen fehl; der König hielt sich fern, und da Österreich Gewalt weder gebrauchen wollte noch konnte, so verlief die ganze Sache, die mit soviel Prunk begonnen worden war, im Sande. Die kaiserliche Regierung sollte fühlen, daß jetzt in Preußen ein andrer Geist herrschte. Das Hohenzollernszepter ruhte in den Händen des Königs Wilhelm, und der Mann, der als erster Berater neben ihm stand, hieß nicht mehr Otto von Manteuffel, sondern Otto von Bismarck - Schönhausen. In dem bald darauf ausbrechenden dänischen Kriege wurde das Herzogtum Holstein von Bundestruppen besetzt. Als Österreich, trotz der bei Gelegenheit des Fürstentages erlittenen Niederlage, mit Preußen ein Bündnis abgeschlossen hatte, wurden diese Truppen, Sachsen und Hannoveraner, einfach, beiseite ge¬ schoben, zum großen Ärger der mittelstaatlichen Diplomaten. Wie schon früher erwähnt, durfte im folgenden Jahre Herr von Beust an den Londoner Konferenzen als Vertreter des deutschen Bundes teilnehmen. Einen weitern Zweck hatte die Sache nicht. Als bald darauf dann der Zeitpunkt herannahte, wo die deutsche Frage mit „Blut und Eisen" zum Austrage gebracht werden sollte, suchte Osterreich zum letzten male den Bund gegen Preußen auszuspielen. Am 11. Juni 1866 stellte es den Antrag, die Mvbilisiruug der ganzen Bundesarmee, mit Ausnahme der drei preußischen Korps, zu beschließen. Schon am dritten Tage darnach, am 14. Juni, unerhört schnell bei einer so wichtigen Sache, wurde über den Antrag abgestimmt, und zwar unter Hintansetzung aller für eine Bundesexekution vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen. Zum letzten male gelang es Oster¬ reich, eine Mehrheit gegen Preußen zu stände zu bringen, allerdings nur durch Fälschung und gesetzwidrige Zählung von Stimmen. Die Exekution wurde be¬ schlossen. Darauf erklärte der preußische Gesandte, von Savigny, den Bund

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/405>, abgerufen am 28.09.2024.