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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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?er deutsche Bund.

für gebrochen und stellte seine amtliche Thätigkeit ein. Damit trat Preußen
aus dem Bunde aus; ihm folgten die meisten norddeutschen Kleinstaaten. Der
Nest des Bundestages blieb in Frankfurt, bis der Anmarsch der siegreichen
preußische" Mainarmce ihm den Aufenthalt dort unheimlich machte. Am
14. Juli siedelten die würdigen Herren unter Führung des österreichischen
Präsidinlgesaudtcu von Kübeck nach Augsburg über, schlugen ihr Quartier in
dem bekannten Gasthofe "Zu den drei Mohren" auf und hielten sogar uoch
einige Sitzungen. Nach Abschluß der Präliminarien von Nikolsburg verließ der
österreichische Gesandte Augsburg ganz in der Stille. Ihm folgten nach und
nach die übrigen Gesandten. Der letzte war der des gewesenen Herzogtums
Nassau, der Fürst vou Sayu-Wittgenstein, der bis zum 24. August aus¬
gehalten hatte.

So endete ohne Sang und Klang, ruhmlos und ehrlos, ernstlich betrauert
wohl nur von sehr wenigen, mißachtet selbst von denen, welche vorgaben, dafür
zu kämpfen, unter dem Jubel von vielen Millionen patriotischer Deutschen der
unselige deutsche Bundestag. --

Das jetzt lebende Geschlecht, und zwar nicht nur die Jüngern, die die
Ereignisse, welche hier vorgeführt sind, nur aus Büchern kennen, sondern
auch ältere, gereiftere Männer, die damals schon an der Politik thätigen An¬
teil genommen oder doch wenigstens als denkende Beobachter jene großen Um¬
gestaltungen miterlebt haben, wir alle, wenn wir rückwärts blicken auf jene
Vorgänge, haben das Gefühl, als ob uns eine lange, lange Zeit von ihnen
trennte, als ob sie weit, weit hinter uns lügen. Eine wunderbare Erschei¬
nung, da in Wirklichkeit der Zeitraum, welcher seitdem verflossen ist, nur
sehr kurz ist. Das kommt daher, daß in überraschend kurzer Zeit nicht bloß
die gesamte innere und äußere politische Lage in Deutschland und dem jetzt mit
ihm fest Verbündeten Österreich sich völlig verändert und daß die Stimmung und
die Gesinnung der Bevölkerung dieser mächtigen Reiche eine gründliche und
segensreiche Umwandlung erfahren hat. Unter Preußens Führung ist Deutsch¬
land geeinigt worden und zu einer Höhe der Macht und Größe emporgestiegen,
wie nie zuvor. Das uns jetzt eng befreundete Osterreich, das Jahre lang grol¬
lend sich fernhielt, hat seit geraumer Zeit erkannt, daß seine Interessen denen
des neuen Reiches nicht widersprechen, sondern daß ein festes Zusammenhalten
beider Staaten die beste Bürgschaft ist, nicht nur für Heil und Wohlergehen
dieser beiden Länder, sondern auch für die Ruhe und den Frieden Europas.

Wenn daher jene Vorgänge, die jetzt der Geschichte, nicht mehr der Tages¬
politik angehören, dem Leser vor Augen geführt werden, so geschieht es nicht
etwa in der Absicht, alte Wunden, die jetzt geheilt sind, wieder aufzureißen,
alte Leidenschaften, die sich beruhigt haben, wieder wachzurufen. Im Gegenteil!
Nichts wäre weniger am Platze in der ernsten und schweren, ja in der bangen
und trüben Zeit, in der wir leben. Jene Irrungen und Verwirrungen der Po-


?er deutsche Bund.

für gebrochen und stellte seine amtliche Thätigkeit ein. Damit trat Preußen
aus dem Bunde aus; ihm folgten die meisten norddeutschen Kleinstaaten. Der
Nest des Bundestages blieb in Frankfurt, bis der Anmarsch der siegreichen
preußische« Mainarmce ihm den Aufenthalt dort unheimlich machte. Am
14. Juli siedelten die würdigen Herren unter Führung des österreichischen
Präsidinlgesaudtcu von Kübeck nach Augsburg über, schlugen ihr Quartier in
dem bekannten Gasthofe „Zu den drei Mohren" auf und hielten sogar uoch
einige Sitzungen. Nach Abschluß der Präliminarien von Nikolsburg verließ der
österreichische Gesandte Augsburg ganz in der Stille. Ihm folgten nach und
nach die übrigen Gesandten. Der letzte war der des gewesenen Herzogtums
Nassau, der Fürst vou Sayu-Wittgenstein, der bis zum 24. August aus¬
gehalten hatte.

So endete ohne Sang und Klang, ruhmlos und ehrlos, ernstlich betrauert
wohl nur von sehr wenigen, mißachtet selbst von denen, welche vorgaben, dafür
zu kämpfen, unter dem Jubel von vielen Millionen patriotischer Deutschen der
unselige deutsche Bundestag. —

Das jetzt lebende Geschlecht, und zwar nicht nur die Jüngern, die die
Ereignisse, welche hier vorgeführt sind, nur aus Büchern kennen, sondern
auch ältere, gereiftere Männer, die damals schon an der Politik thätigen An¬
teil genommen oder doch wenigstens als denkende Beobachter jene großen Um¬
gestaltungen miterlebt haben, wir alle, wenn wir rückwärts blicken auf jene
Vorgänge, haben das Gefühl, als ob uns eine lange, lange Zeit von ihnen
trennte, als ob sie weit, weit hinter uns lügen. Eine wunderbare Erschei¬
nung, da in Wirklichkeit der Zeitraum, welcher seitdem verflossen ist, nur
sehr kurz ist. Das kommt daher, daß in überraschend kurzer Zeit nicht bloß
die gesamte innere und äußere politische Lage in Deutschland und dem jetzt mit
ihm fest Verbündeten Österreich sich völlig verändert und daß die Stimmung und
die Gesinnung der Bevölkerung dieser mächtigen Reiche eine gründliche und
segensreiche Umwandlung erfahren hat. Unter Preußens Führung ist Deutsch¬
land geeinigt worden und zu einer Höhe der Macht und Größe emporgestiegen,
wie nie zuvor. Das uns jetzt eng befreundete Osterreich, das Jahre lang grol¬
lend sich fernhielt, hat seit geraumer Zeit erkannt, daß seine Interessen denen
des neuen Reiches nicht widersprechen, sondern daß ein festes Zusammenhalten
beider Staaten die beste Bürgschaft ist, nicht nur für Heil und Wohlergehen
dieser beiden Länder, sondern auch für die Ruhe und den Frieden Europas.

Wenn daher jene Vorgänge, die jetzt der Geschichte, nicht mehr der Tages¬
politik angehören, dem Leser vor Augen geführt werden, so geschieht es nicht
etwa in der Absicht, alte Wunden, die jetzt geheilt sind, wieder aufzureißen,
alte Leidenschaften, die sich beruhigt haben, wieder wachzurufen. Im Gegenteil!
Nichts wäre weniger am Platze in der ernsten und schweren, ja in der bangen
und trüben Zeit, in der wir leben. Jene Irrungen und Verwirrungen der Po-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/406>, abgerufen am 28.09.2024.