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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

Jene Zusammenkunft in Warschau hatte Bronnzell herbeigeführt; auf
Brvnnzcll folgte Olmütz. Am Tage nach Brvnnzell traf in Berlin eine Note
von Schwarzenberg ein, worin die förmliche Auflösung der Union, und zwar
durch einen Beschluß des Fürstenkollegiums, und Anerkennung des Bundestages
verlangt wurde; dagegen willigte Österreich in die Abhaltung von "freien Konfe¬
renzen," auf denen über die Umgestaltung der Bundesversammlung beraten werden
sollte. Am 15. November erfüllte Preußen die erste Forderung. Am 24. verlangte
der österreichische Gesandte von Prokesch die Räumung Kurhesseus durch die preu¬
ßischen Truppen binnen vierundzwanzig Stunden und die Teilnahme Preußens an
der Bundesexekution in Schleswig-Holstein. Jetzt bat Manteuffel Schwarzenberg
um eine Zusammenkunft in Olmütz und reiste sofort dahin. Die Konferenz fand
statt am 29. November 1850. Manteuffel gab in allen Stücken nach und rettete
uur die "freien Konferenzen." Schwarzenberg setzte sein Programm vollständig
durch, das dahin lautete: "Preußen aus allen seinen vorgeschobenen Stellungen
verdrängen, es isoliren, ihm die Sympathien nicht nur der Bevölkerungen,
sondern auch der Regierungen der deutschen Staaten entziehen, in ganz
Deutschland, bis an dessen äußerste Grenzen, die Fahnen und damit die Macht
des österreichischen Kaiserstaats entfalten und alle Spuren der nationalen und
freiheitlichen Bestrebungen des Jahres 1848 vernichten." Die preußischen
Truppen wurden bis auf ein Bataillon, das in Kassel blieb, aus Kurhessen
zurückgezogen, und die "Strafbaiern" thaten ihre Pflicht, um das Land "zum
Gehorsam" zu bringen. Preußische Pioniere mußten bei Wittcnbergc eine Brücke
über die Elbe schlagen für die österreichischen Truppen, welche nach den mcer-
nmschlungenen Herzogtümern zogen, um sie zu entwaffnen und von neuem den
dänischen Quälereien auszuliefern. Und der ganze Haß für alle diese Nichts¬
würdigkeiten fiel nicht etwa auf Österreich, das der sogenannte unmoralische
Urheber derselben war, sondern auf Preußen, das doch nur durch seine un¬
verzeihliche Schwäche mitschuldig war. Das zuwege zu bringen, war das
Meisterwerk der Schwarzenbergschen Staatskunst. Wahrlich: das ^plur In
?rü88<z war ihm zur Genüge gelungen; das äenrollr, das Österreich im
Jahre 1866 plante, sollte zu einem andern Ausgange führen.

Die "freien Konferenzen," jene gewaltige Errungenschaft Manteuffels in
Olmütz, fanden statt, und zwar in Dresden. Sie dauerten vom 23. Dezember
1850 bis zum 15. Mai 1851 und führten, wie vorauszusehen war, zu nichts
weiter, als daß sie "viel schätzbares Material*) lieferten, was bei einer etwaigen
spätern Umgestaltung des Bundes von großem Nutzen sein konnte." Einfache
Rückkehr zum Bundestage war die Parole. Am 27. März forderte Preußen
seine Verbündeten hierzu auf, und am 30. Mai dieses Jahres wurde der Bundes¬
tag in der alten Form wiederhergestellt.



") Hier wurde dieser Ausdruck zuerst in einer amtliche" Rede bon Schwarzenberg angewandt,
Der deutsche Bund.

Jene Zusammenkunft in Warschau hatte Bronnzell herbeigeführt; auf
Brvnnzcll folgte Olmütz. Am Tage nach Brvnnzell traf in Berlin eine Note
von Schwarzenberg ein, worin die förmliche Auflösung der Union, und zwar
durch einen Beschluß des Fürstenkollegiums, und Anerkennung des Bundestages
verlangt wurde; dagegen willigte Österreich in die Abhaltung von „freien Konfe¬
renzen," auf denen über die Umgestaltung der Bundesversammlung beraten werden
sollte. Am 15. November erfüllte Preußen die erste Forderung. Am 24. verlangte
der österreichische Gesandte von Prokesch die Räumung Kurhesseus durch die preu¬
ßischen Truppen binnen vierundzwanzig Stunden und die Teilnahme Preußens an
der Bundesexekution in Schleswig-Holstein. Jetzt bat Manteuffel Schwarzenberg
um eine Zusammenkunft in Olmütz und reiste sofort dahin. Die Konferenz fand
statt am 29. November 1850. Manteuffel gab in allen Stücken nach und rettete
uur die „freien Konferenzen." Schwarzenberg setzte sein Programm vollständig
durch, das dahin lautete: „Preußen aus allen seinen vorgeschobenen Stellungen
verdrängen, es isoliren, ihm die Sympathien nicht nur der Bevölkerungen,
sondern auch der Regierungen der deutschen Staaten entziehen, in ganz
Deutschland, bis an dessen äußerste Grenzen, die Fahnen und damit die Macht
des österreichischen Kaiserstaats entfalten und alle Spuren der nationalen und
freiheitlichen Bestrebungen des Jahres 1848 vernichten." Die preußischen
Truppen wurden bis auf ein Bataillon, das in Kassel blieb, aus Kurhessen
zurückgezogen, und die „Strafbaiern" thaten ihre Pflicht, um das Land „zum
Gehorsam" zu bringen. Preußische Pioniere mußten bei Wittcnbergc eine Brücke
über die Elbe schlagen für die österreichischen Truppen, welche nach den mcer-
nmschlungenen Herzogtümern zogen, um sie zu entwaffnen und von neuem den
dänischen Quälereien auszuliefern. Und der ganze Haß für alle diese Nichts¬
würdigkeiten fiel nicht etwa auf Österreich, das der sogenannte unmoralische
Urheber derselben war, sondern auf Preußen, das doch nur durch seine un¬
verzeihliche Schwäche mitschuldig war. Das zuwege zu bringen, war das
Meisterwerk der Schwarzenbergschen Staatskunst. Wahrlich: das ^plur In
?rü88<z war ihm zur Genüge gelungen; das äenrollr, das Österreich im
Jahre 1866 plante, sollte zu einem andern Ausgange führen.

Die „freien Konferenzen," jene gewaltige Errungenschaft Manteuffels in
Olmütz, fanden statt, und zwar in Dresden. Sie dauerten vom 23. Dezember
1850 bis zum 15. Mai 1851 und führten, wie vorauszusehen war, zu nichts
weiter, als daß sie „viel schätzbares Material*) lieferten, was bei einer etwaigen
spätern Umgestaltung des Bundes von großem Nutzen sein konnte." Einfache
Rückkehr zum Bundestage war die Parole. Am 27. März forderte Preußen
seine Verbündeten hierzu auf, und am 30. Mai dieses Jahres wurde der Bundes¬
tag in der alten Form wiederhergestellt.



") Hier wurde dieser Ausdruck zuerst in einer amtliche» Rede bon Schwarzenberg angewandt,
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[0403] Der deutsche Bund. Jene Zusammenkunft in Warschau hatte Bronnzell herbeigeführt; auf Brvnnzcll folgte Olmütz. Am Tage nach Brvnnzell traf in Berlin eine Note von Schwarzenberg ein, worin die förmliche Auflösung der Union, und zwar durch einen Beschluß des Fürstenkollegiums, und Anerkennung des Bundestages verlangt wurde; dagegen willigte Österreich in die Abhaltung von „freien Konfe¬ renzen," auf denen über die Umgestaltung der Bundesversammlung beraten werden sollte. Am 15. November erfüllte Preußen die erste Forderung. Am 24. verlangte der österreichische Gesandte von Prokesch die Räumung Kurhesseus durch die preu¬ ßischen Truppen binnen vierundzwanzig Stunden und die Teilnahme Preußens an der Bundesexekution in Schleswig-Holstein. Jetzt bat Manteuffel Schwarzenberg um eine Zusammenkunft in Olmütz und reiste sofort dahin. Die Konferenz fand statt am 29. November 1850. Manteuffel gab in allen Stücken nach und rettete uur die „freien Konferenzen." Schwarzenberg setzte sein Programm vollständig durch, das dahin lautete: „Preußen aus allen seinen vorgeschobenen Stellungen verdrängen, es isoliren, ihm die Sympathien nicht nur der Bevölkerungen, sondern auch der Regierungen der deutschen Staaten entziehen, in ganz Deutschland, bis an dessen äußerste Grenzen, die Fahnen und damit die Macht des österreichischen Kaiserstaats entfalten und alle Spuren der nationalen und freiheitlichen Bestrebungen des Jahres 1848 vernichten." Die preußischen Truppen wurden bis auf ein Bataillon, das in Kassel blieb, aus Kurhessen zurückgezogen, und die „Strafbaiern" thaten ihre Pflicht, um das Land „zum Gehorsam" zu bringen. Preußische Pioniere mußten bei Wittcnbergc eine Brücke über die Elbe schlagen für die österreichischen Truppen, welche nach den mcer- nmschlungenen Herzogtümern zogen, um sie zu entwaffnen und von neuem den dänischen Quälereien auszuliefern. Und der ganze Haß für alle diese Nichts¬ würdigkeiten fiel nicht etwa auf Österreich, das der sogenannte unmoralische Urheber derselben war, sondern auf Preußen, das doch nur durch seine un¬ verzeihliche Schwäche mitschuldig war. Das zuwege zu bringen, war das Meisterwerk der Schwarzenbergschen Staatskunst. Wahrlich: das ^plur In ?rü88<z war ihm zur Genüge gelungen; das äenrollr, das Österreich im Jahre 1866 plante, sollte zu einem andern Ausgange führen. Die „freien Konferenzen," jene gewaltige Errungenschaft Manteuffels in Olmütz, fanden statt, und zwar in Dresden. Sie dauerten vom 23. Dezember 1850 bis zum 15. Mai 1851 und führten, wie vorauszusehen war, zu nichts weiter, als daß sie „viel schätzbares Material*) lieferten, was bei einer etwaigen spätern Umgestaltung des Bundes von großem Nutzen sein konnte." Einfache Rückkehr zum Bundestage war die Parole. Am 27. März forderte Preußen seine Verbündeten hierzu auf, und am 30. Mai dieses Jahres wurde der Bundes¬ tag in der alten Form wiederhergestellt. ") Hier wurde dieser Ausdruck zuerst in einer amtliche» Rede bon Schwarzenberg angewandt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/403>, abgerufen am 28.09.2024.