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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

zwischen Preußen und Österreich zuspitzte. Das war freilich im Grunde ge¬
nommen immer der Fall gewesen und hätte niemals vergessen werden sollen.

Während preußische und einige andre Bundestruppen, Hessen und Mecklen¬
burger, den Aufstand in der Pfalz und in Baden siegreich bekämpften, setzte
man von Berlin aus die Unionsbestrebungen fort. Baden hatte, als es preu¬
ßische Hilfe gegen die Revolution erbat, sich ganz an Preußen angeschlossen
und war dem "Dreikönigsbunde" beigetreten; auch Baiern verhielt sich nicht mehr
ganz ablehnend, da es Preußens in der Pfalz bedürfte. So schienen fast alle
Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands geneigt, der preußischen Führung zu folgen.

In dem "Entwürfe der Verfassung des deutschen Reiches," der dem Drei¬
königsbunde zu Grunde gelegt war, war das Ausscheiden oder die Ausschließung
Österreichs zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern es hieß im ersten
Abschnitte nur: "Das deutsche Reich (der deutsche Bundesstaat) umfaßt nur
diejenigen Staatsgebiete, welche die Reichsverfassung anerkennen." Aber nach
der oben mitgeteilten Erklärung Österreichs bei Gelegenheit der Abberufung seiner
Abgeordneten aus Frankfurt konnte kein Zweifel sein, daß für den Kaiserstaat
in diesem Reiche kein Platz war. Seine bisherige Stellung in Deutschland
wollte jedoch Österreich nicht aufgeben, sondern um jeden Preis wiedergewinnen.
Die Bemühungen der "Großdeutschen" in Frankfurt unter der geschickten Lei¬
tung Schmerlings hatten nicht vermocht, die Kaiserwahl zu hintertreiben. Die
Anwesenheit des österreichischen Reichsverwesers in Frankfurt hatte allerdings
mitgeholfen, thatsächliche Ergebnisse zu hintertreiben. Man wandte aber jetzt
andre Mittel an. So lange der Kampf in Ungarn noch fortdauerte, trat die
österreichische Regierung nicht offen hervor, sondern stiftete nur allerlei Ränke
und Hetzereien an den Höfen der Mittelstaaten an, um das Dreikönigsbündnis
zu zerreißen. Damit Preußen möglichst in Sicherheit gewiegt würde, einigte
man sich mit ihm zu einer gemeinsamen Bundesregierung in Frankfurt, die aus
den Händen des Reichsverwesers die Befugnisse des alten Bundestages erhalten
sollte. Das dauerte aber nur kurze Zeit. Inzwischen hatten die Zcttelungen
bei den Mittelstaaten ihre Wirkung gethan. Sachsen und Hannover fielen von
Preußen ab und schickten leine Vertreter nach Erfurt, wo die Bundesverfassung
endgiltig festgestellt werden sollte, und Hannover sagte sich förmlich von dem
Bündnisse vom 26. Mai 1849 los. Dann kam Baiern mit einem neuen Ver-
fassungscntwurfe, der angeblich von den drei andern Königreichen gebilligt
worden sein sollte, daher "Vierkönigsbündnis" genannt. Das erhöhte die Ver¬
wirrung noch. Endlich setzte der König von Württemberg so sehr alle Rück¬
sicht beiseite, daß er bei der Eröffnung des neuen Landtages (16. März 1350)
offen aussprach, der deutsche Einheitsstaat sei das "gefährlichste aller Traum¬
bilder," und das Bündnis vom 26. Mai 1849 sei "ein künstlicher Souder-
bnndsversnch, auf den politischen Selbstmord der Gesamtheit berechnet," und
so verletzende Worte für Preußen hinzufügte, daß dieses allen diplomatischen


Der deutsche Bund.

zwischen Preußen und Österreich zuspitzte. Das war freilich im Grunde ge¬
nommen immer der Fall gewesen und hätte niemals vergessen werden sollen.

Während preußische und einige andre Bundestruppen, Hessen und Mecklen¬
burger, den Aufstand in der Pfalz und in Baden siegreich bekämpften, setzte
man von Berlin aus die Unionsbestrebungen fort. Baden hatte, als es preu¬
ßische Hilfe gegen die Revolution erbat, sich ganz an Preußen angeschlossen
und war dem „Dreikönigsbunde" beigetreten; auch Baiern verhielt sich nicht mehr
ganz ablehnend, da es Preußens in der Pfalz bedürfte. So schienen fast alle
Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands geneigt, der preußischen Führung zu folgen.

In dem „Entwürfe der Verfassung des deutschen Reiches," der dem Drei¬
königsbunde zu Grunde gelegt war, war das Ausscheiden oder die Ausschließung
Österreichs zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern es hieß im ersten
Abschnitte nur: „Das deutsche Reich (der deutsche Bundesstaat) umfaßt nur
diejenigen Staatsgebiete, welche die Reichsverfassung anerkennen." Aber nach
der oben mitgeteilten Erklärung Österreichs bei Gelegenheit der Abberufung seiner
Abgeordneten aus Frankfurt konnte kein Zweifel sein, daß für den Kaiserstaat
in diesem Reiche kein Platz war. Seine bisherige Stellung in Deutschland
wollte jedoch Österreich nicht aufgeben, sondern um jeden Preis wiedergewinnen.
Die Bemühungen der „Großdeutschen" in Frankfurt unter der geschickten Lei¬
tung Schmerlings hatten nicht vermocht, die Kaiserwahl zu hintertreiben. Die
Anwesenheit des österreichischen Reichsverwesers in Frankfurt hatte allerdings
mitgeholfen, thatsächliche Ergebnisse zu hintertreiben. Man wandte aber jetzt
andre Mittel an. So lange der Kampf in Ungarn noch fortdauerte, trat die
österreichische Regierung nicht offen hervor, sondern stiftete nur allerlei Ränke
und Hetzereien an den Höfen der Mittelstaaten an, um das Dreikönigsbündnis
zu zerreißen. Damit Preußen möglichst in Sicherheit gewiegt würde, einigte
man sich mit ihm zu einer gemeinsamen Bundesregierung in Frankfurt, die aus
den Händen des Reichsverwesers die Befugnisse des alten Bundestages erhalten
sollte. Das dauerte aber nur kurze Zeit. Inzwischen hatten die Zcttelungen
bei den Mittelstaaten ihre Wirkung gethan. Sachsen und Hannover fielen von
Preußen ab und schickten leine Vertreter nach Erfurt, wo die Bundesverfassung
endgiltig festgestellt werden sollte, und Hannover sagte sich förmlich von dem
Bündnisse vom 26. Mai 1849 los. Dann kam Baiern mit einem neuen Ver-
fassungscntwurfe, der angeblich von den drei andern Königreichen gebilligt
worden sein sollte, daher „Vierkönigsbündnis" genannt. Das erhöhte die Ver¬
wirrung noch. Endlich setzte der König von Württemberg so sehr alle Rück¬
sicht beiseite, daß er bei der Eröffnung des neuen Landtages (16. März 1350)
offen aussprach, der deutsche Einheitsstaat sei das „gefährlichste aller Traum¬
bilder," und das Bündnis vom 26. Mai 1849 sei „ein künstlicher Souder-
bnndsversnch, auf den politischen Selbstmord der Gesamtheit berechnet," und
so verletzende Worte für Preußen hinzufügte, daß dieses allen diplomatischen


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[0399] Der deutsche Bund. zwischen Preußen und Österreich zuspitzte. Das war freilich im Grunde ge¬ nommen immer der Fall gewesen und hätte niemals vergessen werden sollen. Während preußische und einige andre Bundestruppen, Hessen und Mecklen¬ burger, den Aufstand in der Pfalz und in Baden siegreich bekämpften, setzte man von Berlin aus die Unionsbestrebungen fort. Baden hatte, als es preu¬ ßische Hilfe gegen die Revolution erbat, sich ganz an Preußen angeschlossen und war dem „Dreikönigsbunde" beigetreten; auch Baiern verhielt sich nicht mehr ganz ablehnend, da es Preußens in der Pfalz bedürfte. So schienen fast alle Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands geneigt, der preußischen Führung zu folgen. In dem „Entwürfe der Verfassung des deutschen Reiches," der dem Drei¬ königsbunde zu Grunde gelegt war, war das Ausscheiden oder die Ausschließung Österreichs zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern es hieß im ersten Abschnitte nur: „Das deutsche Reich (der deutsche Bundesstaat) umfaßt nur diejenigen Staatsgebiete, welche die Reichsverfassung anerkennen." Aber nach der oben mitgeteilten Erklärung Österreichs bei Gelegenheit der Abberufung seiner Abgeordneten aus Frankfurt konnte kein Zweifel sein, daß für den Kaiserstaat in diesem Reiche kein Platz war. Seine bisherige Stellung in Deutschland wollte jedoch Österreich nicht aufgeben, sondern um jeden Preis wiedergewinnen. Die Bemühungen der „Großdeutschen" in Frankfurt unter der geschickten Lei¬ tung Schmerlings hatten nicht vermocht, die Kaiserwahl zu hintertreiben. Die Anwesenheit des österreichischen Reichsverwesers in Frankfurt hatte allerdings mitgeholfen, thatsächliche Ergebnisse zu hintertreiben. Man wandte aber jetzt andre Mittel an. So lange der Kampf in Ungarn noch fortdauerte, trat die österreichische Regierung nicht offen hervor, sondern stiftete nur allerlei Ränke und Hetzereien an den Höfen der Mittelstaaten an, um das Dreikönigsbündnis zu zerreißen. Damit Preußen möglichst in Sicherheit gewiegt würde, einigte man sich mit ihm zu einer gemeinsamen Bundesregierung in Frankfurt, die aus den Händen des Reichsverwesers die Befugnisse des alten Bundestages erhalten sollte. Das dauerte aber nur kurze Zeit. Inzwischen hatten die Zcttelungen bei den Mittelstaaten ihre Wirkung gethan. Sachsen und Hannover fielen von Preußen ab und schickten leine Vertreter nach Erfurt, wo die Bundesverfassung endgiltig festgestellt werden sollte, und Hannover sagte sich förmlich von dem Bündnisse vom 26. Mai 1849 los. Dann kam Baiern mit einem neuen Ver- fassungscntwurfe, der angeblich von den drei andern Königreichen gebilligt worden sein sollte, daher „Vierkönigsbündnis" genannt. Das erhöhte die Ver¬ wirrung noch. Endlich setzte der König von Württemberg so sehr alle Rück¬ sicht beiseite, daß er bei der Eröffnung des neuen Landtages (16. März 1350) offen aussprach, der deutsche Einheitsstaat sei das „gefährlichste aller Traum¬ bilder," und das Bündnis vom 26. Mai 1849 sei „ein künstlicher Souder- bnndsversnch, auf den politischen Selbstmord der Gesamtheit berechnet," und so verletzende Worte für Preußen hinzufügte, daß dieses allen diplomatischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/399>, abgerufen am 21.06.2024.