Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.

Ich fordere aber unter gewissen, namentlich kriegerischen und rebellischen Zu¬
ständen die Diktatur für den teutschen König. . . . Unter den Reichsboten wünsch'
ich die Rcichsritterschaft vertreten zu sehen mit Assessoren des übrigen deutschen
Adels; dann aber Abgeordnete der Städte und Landgemeinden, die aber nicht
gezwungen sein müssen, aus ihrer Gemeinde zu wählen."

Man sieht, die organisirte Konfusion, Unmöglichkeiten über Unmöglich¬
keiten, das Mittelalter und Japan dazwischen, ein Taikun und ein Mikado.
War es denkbar, daß Österreich, der Mikado, sich, wenn es wieder erstarkte,
mit der ihm zugedachten Stellung, die ihm nur ucmori8 "ZMZg. werden, fast
nur ein Titel und ohne wesentlichen Einfluß sein sollte, begnügen und den
Taikun, der Diktator werden konnte, sich gutwillig gefallen lassen würde? Und
hätte wohl Nikolaus, der nicht bloß Kaiser, sondern auch Papst war, den
römischen Erbkaiser, den sein königlicher Schwager von den Toten erwecken
wollte und der den Anspruch erhob, das "unbestritten erste Haupt der Christen¬
heit" zu sein, bereitwilliger den Rang gegeben als einem "teutschen Wahlkaiser"?
Man denke sich Bismarck als Paten neben diesen utopischen Plan, den nur ein
Radowitz aus der Taufe zu heben versucht haben könnte.

Im dritten Kapitel des dritten Buches: "Die Nationalversammlung und
der Reichsverweser" findet sich wenig von den eingestreuten Briefen, Denk¬
schriften und anderweitigen Dokumenten, welche das Werk des Herzogs be¬
achtenswerter machen als der eigentliche Text, wo er selbst spricht, und wo
viele Partien meist bekannte Dinge enthalten. Interessant in Betreff der Ober-
hauptsfragc ist die Denkschrift des sächsischen Ministers v. d. Pfordten, welche
im April 1848 eifrig verbreitet wurde und S. 291 mit dem Lobe, nicht ohne
Geschick aufgetreten zu sein, im Auszuge mitgeteilt wird. Es heißt darin:
"Die Herstellung einer erblichen Kaiserwürde ist zwar sehr wünschenswert und
für die Zukunft im Auge zu behalten; zur Zeit aber erscheint dieselbe aus
vielen, kaum der Erwähnung bedürfenden Gründen als unmöglich. Österreich
ist in einer Krisis befangen, deren Ende kaum zu ahnen ist, schwerlich aber in
seiner Kräftigung im deutschen Sinne bestehen wird; seine neue Konstitution
hat mehr einen slawischen als einen deutschen Staat gegründet. Auch Preußen
ist nicht konsolidirt und hat fast überall im Volke unüberwindliche Antipathien
gegen sich. Die übrigen Staaten sind nicht stark genug, um eine erbliche
Kaiserkrone zu tragen, und ein Kaiser ohne Land ist vollends nur theoretisch
denkbar, nicht aber praktisch möglich. Ist hier ein Erbkaiser jetzt noch un¬
möglich, so ist ein Wahlkaisertum für immer zu verwerfen, wenn man nicht
alle Lehren der Geschichte vergessen will. Ebenso entschieden aber muß man
sich auch gegen ein Kollektivoberhaupt, sei es nun der ganze Bundestag oder
ein Kollegium von dreien erklären; das hieße die Schwäche der Bundesgewalt
fortsetzen. Nur ein einzelnes Oberhaupt, mit einem verantwortlichen Ministerium
an der Seite, kann der Träger einer starken Zentralgewalt sein, wie Deutsch-


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.

Ich fordere aber unter gewissen, namentlich kriegerischen und rebellischen Zu¬
ständen die Diktatur für den teutschen König. . . . Unter den Reichsboten wünsch'
ich die Rcichsritterschaft vertreten zu sehen mit Assessoren des übrigen deutschen
Adels; dann aber Abgeordnete der Städte und Landgemeinden, die aber nicht
gezwungen sein müssen, aus ihrer Gemeinde zu wählen."

Man sieht, die organisirte Konfusion, Unmöglichkeiten über Unmöglich¬
keiten, das Mittelalter und Japan dazwischen, ein Taikun und ein Mikado.
War es denkbar, daß Österreich, der Mikado, sich, wenn es wieder erstarkte,
mit der ihm zugedachten Stellung, die ihm nur ucmori8 «ZMZg. werden, fast
nur ein Titel und ohne wesentlichen Einfluß sein sollte, begnügen und den
Taikun, der Diktator werden konnte, sich gutwillig gefallen lassen würde? Und
hätte wohl Nikolaus, der nicht bloß Kaiser, sondern auch Papst war, den
römischen Erbkaiser, den sein königlicher Schwager von den Toten erwecken
wollte und der den Anspruch erhob, das „unbestritten erste Haupt der Christen¬
heit" zu sein, bereitwilliger den Rang gegeben als einem „teutschen Wahlkaiser"?
Man denke sich Bismarck als Paten neben diesen utopischen Plan, den nur ein
Radowitz aus der Taufe zu heben versucht haben könnte.

Im dritten Kapitel des dritten Buches: „Die Nationalversammlung und
der Reichsverweser" findet sich wenig von den eingestreuten Briefen, Denk¬
schriften und anderweitigen Dokumenten, welche das Werk des Herzogs be¬
achtenswerter machen als der eigentliche Text, wo er selbst spricht, und wo
viele Partien meist bekannte Dinge enthalten. Interessant in Betreff der Ober-
hauptsfragc ist die Denkschrift des sächsischen Ministers v. d. Pfordten, welche
im April 1848 eifrig verbreitet wurde und S. 291 mit dem Lobe, nicht ohne
Geschick aufgetreten zu sein, im Auszuge mitgeteilt wird. Es heißt darin:
„Die Herstellung einer erblichen Kaiserwürde ist zwar sehr wünschenswert und
für die Zukunft im Auge zu behalten; zur Zeit aber erscheint dieselbe aus
vielen, kaum der Erwähnung bedürfenden Gründen als unmöglich. Österreich
ist in einer Krisis befangen, deren Ende kaum zu ahnen ist, schwerlich aber in
seiner Kräftigung im deutschen Sinne bestehen wird; seine neue Konstitution
hat mehr einen slawischen als einen deutschen Staat gegründet. Auch Preußen
ist nicht konsolidirt und hat fast überall im Volke unüberwindliche Antipathien
gegen sich. Die übrigen Staaten sind nicht stark genug, um eine erbliche
Kaiserkrone zu tragen, und ein Kaiser ohne Land ist vollends nur theoretisch
denkbar, nicht aber praktisch möglich. Ist hier ein Erbkaiser jetzt noch un¬
möglich, so ist ein Wahlkaisertum für immer zu verwerfen, wenn man nicht
alle Lehren der Geschichte vergessen will. Ebenso entschieden aber muß man
sich auch gegen ein Kollektivoberhaupt, sei es nun der ganze Bundestag oder
ein Kollegium von dreien erklären; das hieße die Schwäche der Bundesgewalt
fortsetzen. Nur ein einzelnes Oberhaupt, mit einem verantwortlichen Ministerium
an der Seite, kann der Träger einer starken Zentralgewalt sein, wie Deutsch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202466"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338"> Ich fordere aber unter gewissen, namentlich kriegerischen und rebellischen Zu¬<lb/>
ständen die Diktatur für den teutschen König. . . . Unter den Reichsboten wünsch'<lb/>
ich die Rcichsritterschaft vertreten zu sehen mit Assessoren des übrigen deutschen<lb/>
Adels; dann aber Abgeordnete der Städte und Landgemeinden, die aber nicht<lb/>
gezwungen sein müssen, aus ihrer Gemeinde zu wählen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1340"> Man sieht, die organisirte Konfusion, Unmöglichkeiten über Unmöglich¬<lb/>
keiten, das Mittelalter und Japan dazwischen, ein Taikun und ein Mikado.<lb/>
War es denkbar, daß Österreich, der Mikado, sich, wenn es wieder erstarkte,<lb/>
mit der ihm zugedachten Stellung, die ihm nur ucmori8 «ZMZg. werden, fast<lb/>
nur ein Titel und ohne wesentlichen Einfluß sein sollte, begnügen und den<lb/>
Taikun, der Diktator werden konnte, sich gutwillig gefallen lassen würde? Und<lb/>
hätte wohl Nikolaus, der nicht bloß Kaiser, sondern auch Papst war, den<lb/>
römischen Erbkaiser, den sein königlicher Schwager von den Toten erwecken<lb/>
wollte und der den Anspruch erhob, das &#x201E;unbestritten erste Haupt der Christen¬<lb/>
heit" zu sein, bereitwilliger den Rang gegeben als einem &#x201E;teutschen Wahlkaiser"?<lb/>
Man denke sich Bismarck als Paten neben diesen utopischen Plan, den nur ein<lb/>
Radowitz aus der Taufe zu heben versucht haben könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1341" next="#ID_1342"> Im dritten Kapitel des dritten Buches: &#x201E;Die Nationalversammlung und<lb/>
der Reichsverweser" findet sich wenig von den eingestreuten Briefen, Denk¬<lb/>
schriften und anderweitigen Dokumenten, welche das Werk des Herzogs be¬<lb/>
achtenswerter machen als der eigentliche Text, wo er selbst spricht, und wo<lb/>
viele Partien meist bekannte Dinge enthalten. Interessant in Betreff der Ober-<lb/>
hauptsfragc ist die Denkschrift des sächsischen Ministers v. d. Pfordten, welche<lb/>
im April 1848 eifrig verbreitet wurde und S. 291 mit dem Lobe, nicht ohne<lb/>
Geschick aufgetreten zu sein, im Auszuge mitgeteilt wird. Es heißt darin:<lb/>
&#x201E;Die Herstellung einer erblichen Kaiserwürde ist zwar sehr wünschenswert und<lb/>
für die Zukunft im Auge zu behalten; zur Zeit aber erscheint dieselbe aus<lb/>
vielen, kaum der Erwähnung bedürfenden Gründen als unmöglich. Österreich<lb/>
ist in einer Krisis befangen, deren Ende kaum zu ahnen ist, schwerlich aber in<lb/>
seiner Kräftigung im deutschen Sinne bestehen wird; seine neue Konstitution<lb/>
hat mehr einen slawischen als einen deutschen Staat gegründet. Auch Preußen<lb/>
ist nicht konsolidirt und hat fast überall im Volke unüberwindliche Antipathien<lb/>
gegen sich. Die übrigen Staaten sind nicht stark genug, um eine erbliche<lb/>
Kaiserkrone zu tragen, und ein Kaiser ohne Land ist vollends nur theoretisch<lb/>
denkbar, nicht aber praktisch möglich. Ist hier ein Erbkaiser jetzt noch un¬<lb/>
möglich, so ist ein Wahlkaisertum für immer zu verwerfen, wenn man nicht<lb/>
alle Lehren der Geschichte vergessen will. Ebenso entschieden aber muß man<lb/>
sich auch gegen ein Kollektivoberhaupt, sei es nun der ganze Bundestag oder<lb/>
ein Kollegium von dreien erklären; das hieße die Schwäche der Bundesgewalt<lb/>
fortsetzen. Nur ein einzelnes Oberhaupt, mit einem verantwortlichen Ministerium<lb/>
an der Seite, kann der Träger einer starken Zentralgewalt sein, wie Deutsch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0367] Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst. Ich fordere aber unter gewissen, namentlich kriegerischen und rebellischen Zu¬ ständen die Diktatur für den teutschen König. . . . Unter den Reichsboten wünsch' ich die Rcichsritterschaft vertreten zu sehen mit Assessoren des übrigen deutschen Adels; dann aber Abgeordnete der Städte und Landgemeinden, die aber nicht gezwungen sein müssen, aus ihrer Gemeinde zu wählen." Man sieht, die organisirte Konfusion, Unmöglichkeiten über Unmöglich¬ keiten, das Mittelalter und Japan dazwischen, ein Taikun und ein Mikado. War es denkbar, daß Österreich, der Mikado, sich, wenn es wieder erstarkte, mit der ihm zugedachten Stellung, die ihm nur ucmori8 «ZMZg. werden, fast nur ein Titel und ohne wesentlichen Einfluß sein sollte, begnügen und den Taikun, der Diktator werden konnte, sich gutwillig gefallen lassen würde? Und hätte wohl Nikolaus, der nicht bloß Kaiser, sondern auch Papst war, den römischen Erbkaiser, den sein königlicher Schwager von den Toten erwecken wollte und der den Anspruch erhob, das „unbestritten erste Haupt der Christen¬ heit" zu sein, bereitwilliger den Rang gegeben als einem „teutschen Wahlkaiser"? Man denke sich Bismarck als Paten neben diesen utopischen Plan, den nur ein Radowitz aus der Taufe zu heben versucht haben könnte. Im dritten Kapitel des dritten Buches: „Die Nationalversammlung und der Reichsverweser" findet sich wenig von den eingestreuten Briefen, Denk¬ schriften und anderweitigen Dokumenten, welche das Werk des Herzogs be¬ achtenswerter machen als der eigentliche Text, wo er selbst spricht, und wo viele Partien meist bekannte Dinge enthalten. Interessant in Betreff der Ober- hauptsfragc ist die Denkschrift des sächsischen Ministers v. d. Pfordten, welche im April 1848 eifrig verbreitet wurde und S. 291 mit dem Lobe, nicht ohne Geschick aufgetreten zu sein, im Auszuge mitgeteilt wird. Es heißt darin: „Die Herstellung einer erblichen Kaiserwürde ist zwar sehr wünschenswert und für die Zukunft im Auge zu behalten; zur Zeit aber erscheint dieselbe aus vielen, kaum der Erwähnung bedürfenden Gründen als unmöglich. Österreich ist in einer Krisis befangen, deren Ende kaum zu ahnen ist, schwerlich aber in seiner Kräftigung im deutschen Sinne bestehen wird; seine neue Konstitution hat mehr einen slawischen als einen deutschen Staat gegründet. Auch Preußen ist nicht konsolidirt und hat fast überall im Volke unüberwindliche Antipathien gegen sich. Die übrigen Staaten sind nicht stark genug, um eine erbliche Kaiserkrone zu tragen, und ein Kaiser ohne Land ist vollends nur theoretisch denkbar, nicht aber praktisch möglich. Ist hier ein Erbkaiser jetzt noch un¬ möglich, so ist ein Wahlkaisertum für immer zu verwerfen, wenn man nicht alle Lehren der Geschichte vergessen will. Ebenso entschieden aber muß man sich auch gegen ein Kollektivoberhaupt, sei es nun der ganze Bundestag oder ein Kollegium von dreien erklären; das hieße die Schwäche der Bundesgewalt fortsetzen. Nur ein einzelnes Oberhaupt, mit einem verantwortlichen Ministerium an der Seite, kann der Träger einer starken Zentralgewalt sein, wie Deutsch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/367
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/367>, abgerufen am 21.06.2024.