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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

tag. Es werde ein oberstes Gericht, dem ein nicht entfernterer Kanzler vor¬
sitzt, gebildet, zusammengesetzt aus den juristischen Fakultäten der deutschen Uni¬
versitäten, entscheidend in allen Fragen zwischen den verschiednen einzelnen
Regierungen und ihren Ständen, sowie in allen deutschen Successions- und
Negentschaftsfragen, auch Teilungen und Erdfällen. Dem Kaiser fällt die
Repräsentation Deutschlands zu, er ist die Personifizirung deutscher Einheit
und der oberste Handhaber der exekutiven Gewalt. In seinem Namen werden
alle Reichsgeschäfte getrieben. ... Er kann die Anträge des Fürstentages ab¬
schlagen, und ein Reichsbeschluß wird nur durch seine Sanktion rechtskräftig. . . .
Seine Minister sind der Minister für das Äußere und die beiden Vorsitzenden
einer Handelskammer und eines Kriegsrates. Diese Minister sind dem Reichs¬
tage verantwortlich. Die deutsche Handelskammer, zusammengesetzt aus Dienern
der einzelnen Staaten, hat unter sich das deutsche Zoll-, Schifffcchrts-, Straßen-,
Eisenbahn-, Post- und Verkehrswesen. Der deutsche Kriegsrat, gebildet aus
den Generalen, leitet die Organisation des aus den Truppen der einzelnen
Staaten zusammengesetzten deutschen Heeres, an dessen Spitze in Kriegszeiten
ein Bundesfeldherr steht. ... Der Fllrstentag hat ein Veto gegen die Beschlüsse
des Reichstages und gegen die Besetzung der Ämter durch den Kaiser. Er
besetzt unter Vorsitz des letztern die drei Neichskcnnmern, hat die von dem
Kaiser an den Reichstag zu machenden Anträge zu sanktioniren und erwählt
mit diesem den Bundesfeldherrn. Er stimmt nach Majorität, doch so, daß
die Fürsten größerer Staaten eine verhältnismäßig größere Stimmenzahl
haben."

Der König ließ seine Antwort als vertrauliches Rundschreiben an befreun¬
deten Höfen mitteilen, und es wurde damit ein Meinungsaustausch unter den
Souveränen angebahnt, der nach unsrer Schrift "mehr als zwei Jahre fort¬
gesetzt wurde." Dieses nicht offizielle Rundschreiben lautete, in seinen Haupt-
stellen sehr bezeichnend, wie folgt: "Von allen Verfasfungsprojekten für Teutsch¬
land entspricht dieser des geistreichen und klugen Prinzen am meisten meinen
Ansichten. , . . Als aktives Bundeshanpt mundet mir der Kaiser nicht. Ein
Kaiser auf Zeit gewählt ist eine Monstrosität, gegen die ich geradezu prv-
testire. Sollte das Bundesoberhanpt wirklich nur auf Zeit gewählt sein, . . .
so darf der Kaisernamc nicht an ihm verschwendet und geschändet werden. Er
heiße Regent. Aber auch dem lebenslänglichen Oberhaupte kaun man . . . um
Österreichs willen nicht den Kaisertitel geben. Teutsche Nation hat ein tausend¬
jähriges Recht, daß ihr Haupt das unbestritten erste Haupt der Christenheit
sei. Es ist aber nicht denkbar, daß der Erbe von dreißig römischen Kaisern
diesem gekürten Oberhaupte den Rang zedirt. Ja es ist gar nicht einmal zu
fordern. Gewiß, wie etwas gewiß sein kann, ist es aber, daß der russische
Kaiser dieser Gattung teutschen Kaisers den Rang nun und nimmermehr giebt.
Aus diesem allen weiß ich einen ganz leichten, ja für die teutsche Sache er-


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

tag. Es werde ein oberstes Gericht, dem ein nicht entfernterer Kanzler vor¬
sitzt, gebildet, zusammengesetzt aus den juristischen Fakultäten der deutschen Uni¬
versitäten, entscheidend in allen Fragen zwischen den verschiednen einzelnen
Regierungen und ihren Ständen, sowie in allen deutschen Successions- und
Negentschaftsfragen, auch Teilungen und Erdfällen. Dem Kaiser fällt die
Repräsentation Deutschlands zu, er ist die Personifizirung deutscher Einheit
und der oberste Handhaber der exekutiven Gewalt. In seinem Namen werden
alle Reichsgeschäfte getrieben. ... Er kann die Anträge des Fürstentages ab¬
schlagen, und ein Reichsbeschluß wird nur durch seine Sanktion rechtskräftig. . . .
Seine Minister sind der Minister für das Äußere und die beiden Vorsitzenden
einer Handelskammer und eines Kriegsrates. Diese Minister sind dem Reichs¬
tage verantwortlich. Die deutsche Handelskammer, zusammengesetzt aus Dienern
der einzelnen Staaten, hat unter sich das deutsche Zoll-, Schifffcchrts-, Straßen-,
Eisenbahn-, Post- und Verkehrswesen. Der deutsche Kriegsrat, gebildet aus
den Generalen, leitet die Organisation des aus den Truppen der einzelnen
Staaten zusammengesetzten deutschen Heeres, an dessen Spitze in Kriegszeiten
ein Bundesfeldherr steht. ... Der Fllrstentag hat ein Veto gegen die Beschlüsse
des Reichstages und gegen die Besetzung der Ämter durch den Kaiser. Er
besetzt unter Vorsitz des letztern die drei Neichskcnnmern, hat die von dem
Kaiser an den Reichstag zu machenden Anträge zu sanktioniren und erwählt
mit diesem den Bundesfeldherrn. Er stimmt nach Majorität, doch so, daß
die Fürsten größerer Staaten eine verhältnismäßig größere Stimmenzahl
haben."

Der König ließ seine Antwort als vertrauliches Rundschreiben an befreun¬
deten Höfen mitteilen, und es wurde damit ein Meinungsaustausch unter den
Souveränen angebahnt, der nach unsrer Schrift „mehr als zwei Jahre fort¬
gesetzt wurde." Dieses nicht offizielle Rundschreiben lautete, in seinen Haupt-
stellen sehr bezeichnend, wie folgt: „Von allen Verfasfungsprojekten für Teutsch¬
land entspricht dieser des geistreichen und klugen Prinzen am meisten meinen
Ansichten. , . . Als aktives Bundeshanpt mundet mir der Kaiser nicht. Ein
Kaiser auf Zeit gewählt ist eine Monstrosität, gegen die ich geradezu prv-
testire. Sollte das Bundesoberhanpt wirklich nur auf Zeit gewählt sein, . . .
so darf der Kaisernamc nicht an ihm verschwendet und geschändet werden. Er
heiße Regent. Aber auch dem lebenslänglichen Oberhaupte kaun man . . . um
Österreichs willen nicht den Kaisertitel geben. Teutsche Nation hat ein tausend¬
jähriges Recht, daß ihr Haupt das unbestritten erste Haupt der Christenheit
sei. Es ist aber nicht denkbar, daß der Erbe von dreißig römischen Kaisern
diesem gekürten Oberhaupte den Rang zedirt. Ja es ist gar nicht einmal zu
fordern. Gewiß, wie etwas gewiß sein kann, ist es aber, daß der russische
Kaiser dieser Gattung teutschen Kaisers den Rang nun und nimmermehr giebt.
Aus diesem allen weiß ich einen ganz leichten, ja für die teutsche Sache er-


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[0365] Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst. tag. Es werde ein oberstes Gericht, dem ein nicht entfernterer Kanzler vor¬ sitzt, gebildet, zusammengesetzt aus den juristischen Fakultäten der deutschen Uni¬ versitäten, entscheidend in allen Fragen zwischen den verschiednen einzelnen Regierungen und ihren Ständen, sowie in allen deutschen Successions- und Negentschaftsfragen, auch Teilungen und Erdfällen. Dem Kaiser fällt die Repräsentation Deutschlands zu, er ist die Personifizirung deutscher Einheit und der oberste Handhaber der exekutiven Gewalt. In seinem Namen werden alle Reichsgeschäfte getrieben. ... Er kann die Anträge des Fürstentages ab¬ schlagen, und ein Reichsbeschluß wird nur durch seine Sanktion rechtskräftig. . . . Seine Minister sind der Minister für das Äußere und die beiden Vorsitzenden einer Handelskammer und eines Kriegsrates. Diese Minister sind dem Reichs¬ tage verantwortlich. Die deutsche Handelskammer, zusammengesetzt aus Dienern der einzelnen Staaten, hat unter sich das deutsche Zoll-, Schifffcchrts-, Straßen-, Eisenbahn-, Post- und Verkehrswesen. Der deutsche Kriegsrat, gebildet aus den Generalen, leitet die Organisation des aus den Truppen der einzelnen Staaten zusammengesetzten deutschen Heeres, an dessen Spitze in Kriegszeiten ein Bundesfeldherr steht. ... Der Fllrstentag hat ein Veto gegen die Beschlüsse des Reichstages und gegen die Besetzung der Ämter durch den Kaiser. Er besetzt unter Vorsitz des letztern die drei Neichskcnnmern, hat die von dem Kaiser an den Reichstag zu machenden Anträge zu sanktioniren und erwählt mit diesem den Bundesfeldherrn. Er stimmt nach Majorität, doch so, daß die Fürsten größerer Staaten eine verhältnismäßig größere Stimmenzahl haben." Der König ließ seine Antwort als vertrauliches Rundschreiben an befreun¬ deten Höfen mitteilen, und es wurde damit ein Meinungsaustausch unter den Souveränen angebahnt, der nach unsrer Schrift „mehr als zwei Jahre fort¬ gesetzt wurde." Dieses nicht offizielle Rundschreiben lautete, in seinen Haupt- stellen sehr bezeichnend, wie folgt: „Von allen Verfasfungsprojekten für Teutsch¬ land entspricht dieser des geistreichen und klugen Prinzen am meisten meinen Ansichten. , . . Als aktives Bundeshanpt mundet mir der Kaiser nicht. Ein Kaiser auf Zeit gewählt ist eine Monstrosität, gegen die ich geradezu prv- testire. Sollte das Bundesoberhanpt wirklich nur auf Zeit gewählt sein, . . . so darf der Kaisernamc nicht an ihm verschwendet und geschändet werden. Er heiße Regent. Aber auch dem lebenslänglichen Oberhaupte kaun man . . . um Österreichs willen nicht den Kaisertitel geben. Teutsche Nation hat ein tausend¬ jähriges Recht, daß ihr Haupt das unbestritten erste Haupt der Christenheit sei. Es ist aber nicht denkbar, daß der Erbe von dreißig römischen Kaisern diesem gekürten Oberhaupte den Rang zedirt. Ja es ist gar nicht einmal zu fordern. Gewiß, wie etwas gewiß sein kann, ist es aber, daß der russische Kaiser dieser Gattung teutschen Kaisers den Rang nun und nimmermehr giebt. Aus diesem allen weiß ich einen ganz leichten, ja für die teutsche Sache er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/365>, abgerufen am 21.06.2024.