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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

Altenburg, Meiningen, die Reuß und die Rudolstädter zu vermögen, Abgeordnete
nach Gotha zu einer Konferenz zu senden, der ich selbst Vorsitzer werde. Die
Hauptschlacht muß dann geliefert werden." Sie fand denn auch statt, und der
weimarische Minister bekam über die Frage der Union von keiner Seite tröstliches
zu hören, doch waren die Gegner des Projektes der Meinung, daß eine Reihe
von Reformen in der Justiz und Verwaltung durch engeres Zusammenwirken
der Regierungen ermöglicht werden könnte. Acht Tage nach dieser Minister-
konfereuz hielten die konstitutionellen Vereine gleichfalls in Gotha einen Dele-
girtentag ab, wobei sich zeigte, daß das weimarische Gesamtstaatsprojekt auch in
diesen Kreisen wenig Anklang gefunden hatte. "Das thüringische Königreich
-- antwortete Prinz Albert auf den Brief vom 19., -- würde die deutsche Kon¬
fusion noch konfuser machen, und Weimar hat gar keine prötLnsions, es zu seinem
Eigentums zu erklären"; dagegen war er mit den Ergebnissen der Gothaer
Konferenz sehr zufrieden. Charakteristisch ist, was der schlaue konstitutionelle
Mnsterkönig Leopold dem Herzoge in Betreff der erstrebten Mediatisirungen
riet. Er schrieb: "Die wirklichen Unitarier hatten die Idee, daß Preußen in
Deutschland aufgehen, daß es an die Spitze des deutschen Gemeinwesens gestellt
werden sollte, und daß die übrigen Staaten dem Beispiele des in Deutschland
aufgehenden Preußen zu folgen hätten. So hart mir diese Idee auch erscheint
ist doch nicht zu leugnen, daß sie, wenn die Annal strenger zu nehmen ist, sich
ungefähr so ausnehmen muß. Durch die Komplikationen in Preußen ging
dieser Plan nicht durch, und es erschienen mehrere neue, deren allerneuester
ist, daß man die Staaten, die scheinbar keine hinlängliche Lebenskraft besitzen,
überreden will, selbst ihre Existenz aufzugeben. . . . Über das Resultat, das
daraus gezogen werden soll, höre ich zwei Versionen. Die erste ist, daß man
daraus als zukünftigen Kern das erste reichsunmittelbare Land zu kreiren
habe. ... Die zweite ist, daß die sich selbst zu regieren unfähigen kleinen Staaten
an die größern abgegeben werden sollen. Soll in Rücksicht auf den Wunsch
einer allgemeinen Annal den einzelnen Staaten ein vollständiges Ende gemacht
werden, so begreife ich, daß die kleinen sich unterwerfen. Sollten sie jedoch an
die größern abgegeben werden, so hindert dies offenbar die deutsche Einheit
noch mehr, weil es den Partikularismus der Königreiche stärkt. ... Zu einem
solchen Zustande durch freiwillige Abdikation beizutragen, . . . wäre die Handlung
eines schlechten Patrioten und obendrein eine wahrhaft einfältige Selbsteut-
leibunq. . . . Solch eine Selbstabdikativn kannst du überdies nicht ohne Zu¬
ziehung der Agnaten vornehmen, sowie ich selbst gegenüber von den konstitu¬
tionellen Ständen raten würde, dich hinter die Agnaten zu verschanzen. Die
Agnaten sind kollektiv, was immer ein Vorteil ist, sie haben unbezweifelte Rechte,
die man ihnen nicht abnehmen kaun, ohne sie zu konsultiren. Der nächste Agnat
ist in England in ganz guter Stellung, der andre bedeutendste hier mit dem
Schlüssel zu Deutschland sfür die Franzosen!^ in seinen Händen, was auch einige


Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

Altenburg, Meiningen, die Reuß und die Rudolstädter zu vermögen, Abgeordnete
nach Gotha zu einer Konferenz zu senden, der ich selbst Vorsitzer werde. Die
Hauptschlacht muß dann geliefert werden." Sie fand denn auch statt, und der
weimarische Minister bekam über die Frage der Union von keiner Seite tröstliches
zu hören, doch waren die Gegner des Projektes der Meinung, daß eine Reihe
von Reformen in der Justiz und Verwaltung durch engeres Zusammenwirken
der Regierungen ermöglicht werden könnte. Acht Tage nach dieser Minister-
konfereuz hielten die konstitutionellen Vereine gleichfalls in Gotha einen Dele-
girtentag ab, wobei sich zeigte, daß das weimarische Gesamtstaatsprojekt auch in
diesen Kreisen wenig Anklang gefunden hatte. „Das thüringische Königreich
— antwortete Prinz Albert auf den Brief vom 19., — würde die deutsche Kon¬
fusion noch konfuser machen, und Weimar hat gar keine prötLnsions, es zu seinem
Eigentums zu erklären"; dagegen war er mit den Ergebnissen der Gothaer
Konferenz sehr zufrieden. Charakteristisch ist, was der schlaue konstitutionelle
Mnsterkönig Leopold dem Herzoge in Betreff der erstrebten Mediatisirungen
riet. Er schrieb: „Die wirklichen Unitarier hatten die Idee, daß Preußen in
Deutschland aufgehen, daß es an die Spitze des deutschen Gemeinwesens gestellt
werden sollte, und daß die übrigen Staaten dem Beispiele des in Deutschland
aufgehenden Preußen zu folgen hätten. So hart mir diese Idee auch erscheint
ist doch nicht zu leugnen, daß sie, wenn die Annal strenger zu nehmen ist, sich
ungefähr so ausnehmen muß. Durch die Komplikationen in Preußen ging
dieser Plan nicht durch, und es erschienen mehrere neue, deren allerneuester
ist, daß man die Staaten, die scheinbar keine hinlängliche Lebenskraft besitzen,
überreden will, selbst ihre Existenz aufzugeben. . . . Über das Resultat, das
daraus gezogen werden soll, höre ich zwei Versionen. Die erste ist, daß man
daraus als zukünftigen Kern das erste reichsunmittelbare Land zu kreiren
habe. ... Die zweite ist, daß die sich selbst zu regieren unfähigen kleinen Staaten
an die größern abgegeben werden sollen. Soll in Rücksicht auf den Wunsch
einer allgemeinen Annal den einzelnen Staaten ein vollständiges Ende gemacht
werden, so begreife ich, daß die kleinen sich unterwerfen. Sollten sie jedoch an
die größern abgegeben werden, so hindert dies offenbar die deutsche Einheit
noch mehr, weil es den Partikularismus der Königreiche stärkt. ... Zu einem
solchen Zustande durch freiwillige Abdikation beizutragen, . . . wäre die Handlung
eines schlechten Patrioten und obendrein eine wahrhaft einfältige Selbsteut-
leibunq. . . . Solch eine Selbstabdikativn kannst du überdies nicht ohne Zu¬
ziehung der Agnaten vornehmen, sowie ich selbst gegenüber von den konstitu¬
tionellen Ständen raten würde, dich hinter die Agnaten zu verschanzen. Die
Agnaten sind kollektiv, was immer ein Vorteil ist, sie haben unbezweifelte Rechte,
die man ihnen nicht abnehmen kaun, ohne sie zu konsultiren. Der nächste Agnat
ist in England in ganz guter Stellung, der andre bedeutendste hier mit dem
Schlüssel zu Deutschland sfür die Franzosen!^ in seinen Händen, was auch einige


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[0362] Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst. Altenburg, Meiningen, die Reuß und die Rudolstädter zu vermögen, Abgeordnete nach Gotha zu einer Konferenz zu senden, der ich selbst Vorsitzer werde. Die Hauptschlacht muß dann geliefert werden." Sie fand denn auch statt, und der weimarische Minister bekam über die Frage der Union von keiner Seite tröstliches zu hören, doch waren die Gegner des Projektes der Meinung, daß eine Reihe von Reformen in der Justiz und Verwaltung durch engeres Zusammenwirken der Regierungen ermöglicht werden könnte. Acht Tage nach dieser Minister- konfereuz hielten die konstitutionellen Vereine gleichfalls in Gotha einen Dele- girtentag ab, wobei sich zeigte, daß das weimarische Gesamtstaatsprojekt auch in diesen Kreisen wenig Anklang gefunden hatte. „Das thüringische Königreich — antwortete Prinz Albert auf den Brief vom 19., — würde die deutsche Kon¬ fusion noch konfuser machen, und Weimar hat gar keine prötLnsions, es zu seinem Eigentums zu erklären"; dagegen war er mit den Ergebnissen der Gothaer Konferenz sehr zufrieden. Charakteristisch ist, was der schlaue konstitutionelle Mnsterkönig Leopold dem Herzoge in Betreff der erstrebten Mediatisirungen riet. Er schrieb: „Die wirklichen Unitarier hatten die Idee, daß Preußen in Deutschland aufgehen, daß es an die Spitze des deutschen Gemeinwesens gestellt werden sollte, und daß die übrigen Staaten dem Beispiele des in Deutschland aufgehenden Preußen zu folgen hätten. So hart mir diese Idee auch erscheint ist doch nicht zu leugnen, daß sie, wenn die Annal strenger zu nehmen ist, sich ungefähr so ausnehmen muß. Durch die Komplikationen in Preußen ging dieser Plan nicht durch, und es erschienen mehrere neue, deren allerneuester ist, daß man die Staaten, die scheinbar keine hinlängliche Lebenskraft besitzen, überreden will, selbst ihre Existenz aufzugeben. . . . Über das Resultat, das daraus gezogen werden soll, höre ich zwei Versionen. Die erste ist, daß man daraus als zukünftigen Kern das erste reichsunmittelbare Land zu kreiren habe. ... Die zweite ist, daß die sich selbst zu regieren unfähigen kleinen Staaten an die größern abgegeben werden sollen. Soll in Rücksicht auf den Wunsch einer allgemeinen Annal den einzelnen Staaten ein vollständiges Ende gemacht werden, so begreife ich, daß die kleinen sich unterwerfen. Sollten sie jedoch an die größern abgegeben werden, so hindert dies offenbar die deutsche Einheit noch mehr, weil es den Partikularismus der Königreiche stärkt. ... Zu einem solchen Zustande durch freiwillige Abdikation beizutragen, . . . wäre die Handlung eines schlechten Patrioten und obendrein eine wahrhaft einfältige Selbsteut- leibunq. . . . Solch eine Selbstabdikativn kannst du überdies nicht ohne Zu¬ ziehung der Agnaten vornehmen, sowie ich selbst gegenüber von den konstitu¬ tionellen Ständen raten würde, dich hinter die Agnaten zu verschanzen. Die Agnaten sind kollektiv, was immer ein Vorteil ist, sie haben unbezweifelte Rechte, die man ihnen nicht abnehmen kaun, ohne sie zu konsultiren. Der nächste Agnat ist in England in ganz guter Stellung, der andre bedeutendste hier mit dem Schlüssel zu Deutschland sfür die Franzosen!^ in seinen Händen, was auch einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/362>, abgerufen am 21.06.2024.