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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Dnbar-Sage und der reilschriftliche Sintflntbericht.

Dnbar ist wie Herakles und, um vorübergehend auch ihr nordisch-germa-
nisches Gegenbild zu erwähnen, wie Siegfried der Heros des Lichts. Als solchen
kennzeichnet die asiatische Sage ihren Helden sofort in einer dem Sternkultus
entsprechenden Weise. Dnbar sieht und fühlt im Traume die Sterne auf seinen
Nacken herniederfallen, er wird zum Träger des Lichts, dessen Teilchen er an
seiner Person vereinigt. Das ist in die Natur zurückübersetzt: die Sonne
sammelt allmorgentlich das Licht der Sterne in sich; diese erlöschen, sobald jene
aufgeht. Dubars Eigenschaft als Sonnenheld wird fernerhin bewiesen durch sein
freundschaftliches Vasallenverhältnis zu Samas, dem Sonnengotte, der den
Eabani veranlaßt, mit dem Helden Freundschaft zu schließen, und dem Dnbar
später den getöteten Stier opfert, dem Samas, seinem göttlichen Lehnsherrn.

Im griechischen Mythus bedürfte der von Osten kommende Fremdling zu¬
nächst einer der hellenischen Mythenbildung entsprechenden Sanktionirung. He¬
rakles wird daher zu einem wenn auch unechten Sohne des Göttervaters selbst
gemacht; und dadurch erklärt sich, warum der Held, obwohl der ursprünglichen
Götterfamilie des Zeus nicht angehörig, dennoch mit göttlicher Kraft begabt ist.
Der Zeusabstammung haben sich die meisten, erst später meist ans asiatischem
Sternkultus in die griechische Mythologie übergegangenen Gestalten göttlichen
Wesens zu erfreuen. Es ist daher gesucht, in des Helden Geburt ans dem
Leibe einer irdischen Mutter schon seine Bestimmung zum Heros des Lichts sehen
zu wollen, wie man deshalb versucht hat, weil die Sonne dem beobachtenden
Ange aus dem Schoße der Erde emporzusteigen scheint. Dagegen erweist sich
Herakles entschieden als Sonnenheld durch seinen langwierigen Streit mit dem
Sonnengott Apoll, der mit einer schließlichen Versöhnung beider und mit der
Velehnnng des Herakles mit Pfeil und Bogen, den Symbolen Apolls, endet.
Sonnengott und Sonnenheld gehen fortan Hand in Hand.

Zunächst verbindet sich nun Dnbar mit Eabani, Herakles mit Chiron.
Der Satyr wie der Centaur sind rohe Naturwesen und vertreten als solche
die ungebändigte, triebfähige Kraft in der Natur, mit der die Sonne zur
Frühlingszeit ein Bündnis schließt, zur Erzeugung alles im Boden schlummern¬
den Lebens. Vorher ist jedoch nach der Dubarsage der Tyrann Humbaba
zu besiegen, eine Gestalt, in der wir es ohne Zweifel ebenso wie in dem Eurystheus
der Heraklessage mit der Einmischung historischer Elemente, der Eroberung des
Peloponnes durch die Herakliden hier, der Befreiung vom Elamitischcn Joch
dort, zu thun haben. Gleichwohl liegt sowohl der Gestalt des Humbaba als
auch der in eine Summe von Widerständen zerlegten, von Hera beeinflußten
Gewalt des Eurystheus eine naturmythische Kraft zu Grunde; die unwirtlichen
Ausläufer der Regenzeit im Orient, die mannichfaltigen winterlichen Er¬
scheinungen in Hellas sind erst von der Sonnenwärme zu überwinden, bevor
sie ihre wohlthätige Wirksamkeit beginnt. So muß Herakles die stymphalischen
Vögel erlegen, die Sinnbilder der Stürme und Wolkenbrüche, wie sie gerade


Die Dnbar-Sage und der reilschriftliche Sintflntbericht.

Dnbar ist wie Herakles und, um vorübergehend auch ihr nordisch-germa-
nisches Gegenbild zu erwähnen, wie Siegfried der Heros des Lichts. Als solchen
kennzeichnet die asiatische Sage ihren Helden sofort in einer dem Sternkultus
entsprechenden Weise. Dnbar sieht und fühlt im Traume die Sterne auf seinen
Nacken herniederfallen, er wird zum Träger des Lichts, dessen Teilchen er an
seiner Person vereinigt. Das ist in die Natur zurückübersetzt: die Sonne
sammelt allmorgentlich das Licht der Sterne in sich; diese erlöschen, sobald jene
aufgeht. Dubars Eigenschaft als Sonnenheld wird fernerhin bewiesen durch sein
freundschaftliches Vasallenverhältnis zu Samas, dem Sonnengotte, der den
Eabani veranlaßt, mit dem Helden Freundschaft zu schließen, und dem Dnbar
später den getöteten Stier opfert, dem Samas, seinem göttlichen Lehnsherrn.

Im griechischen Mythus bedürfte der von Osten kommende Fremdling zu¬
nächst einer der hellenischen Mythenbildung entsprechenden Sanktionirung. He¬
rakles wird daher zu einem wenn auch unechten Sohne des Göttervaters selbst
gemacht; und dadurch erklärt sich, warum der Held, obwohl der ursprünglichen
Götterfamilie des Zeus nicht angehörig, dennoch mit göttlicher Kraft begabt ist.
Der Zeusabstammung haben sich die meisten, erst später meist ans asiatischem
Sternkultus in die griechische Mythologie übergegangenen Gestalten göttlichen
Wesens zu erfreuen. Es ist daher gesucht, in des Helden Geburt ans dem
Leibe einer irdischen Mutter schon seine Bestimmung zum Heros des Lichts sehen
zu wollen, wie man deshalb versucht hat, weil die Sonne dem beobachtenden
Ange aus dem Schoße der Erde emporzusteigen scheint. Dagegen erweist sich
Herakles entschieden als Sonnenheld durch seinen langwierigen Streit mit dem
Sonnengott Apoll, der mit einer schließlichen Versöhnung beider und mit der
Velehnnng des Herakles mit Pfeil und Bogen, den Symbolen Apolls, endet.
Sonnengott und Sonnenheld gehen fortan Hand in Hand.

Zunächst verbindet sich nun Dnbar mit Eabani, Herakles mit Chiron.
Der Satyr wie der Centaur sind rohe Naturwesen und vertreten als solche
die ungebändigte, triebfähige Kraft in der Natur, mit der die Sonne zur
Frühlingszeit ein Bündnis schließt, zur Erzeugung alles im Boden schlummern¬
den Lebens. Vorher ist jedoch nach der Dubarsage der Tyrann Humbaba
zu besiegen, eine Gestalt, in der wir es ohne Zweifel ebenso wie in dem Eurystheus
der Heraklessage mit der Einmischung historischer Elemente, der Eroberung des
Peloponnes durch die Herakliden hier, der Befreiung vom Elamitischcn Joch
dort, zu thun haben. Gleichwohl liegt sowohl der Gestalt des Humbaba als
auch der in eine Summe von Widerständen zerlegten, von Hera beeinflußten
Gewalt des Eurystheus eine naturmythische Kraft zu Grunde; die unwirtlichen
Ausläufer der Regenzeit im Orient, die mannichfaltigen winterlichen Er¬
scheinungen in Hellas sind erst von der Sonnenwärme zu überwinden, bevor
sie ihre wohlthätige Wirksamkeit beginnt. So muß Herakles die stymphalischen
Vögel erlegen, die Sinnbilder der Stürme und Wolkenbrüche, wie sie gerade


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[0347] Die Dnbar-Sage und der reilschriftliche Sintflntbericht. Dnbar ist wie Herakles und, um vorübergehend auch ihr nordisch-germa- nisches Gegenbild zu erwähnen, wie Siegfried der Heros des Lichts. Als solchen kennzeichnet die asiatische Sage ihren Helden sofort in einer dem Sternkultus entsprechenden Weise. Dnbar sieht und fühlt im Traume die Sterne auf seinen Nacken herniederfallen, er wird zum Träger des Lichts, dessen Teilchen er an seiner Person vereinigt. Das ist in die Natur zurückübersetzt: die Sonne sammelt allmorgentlich das Licht der Sterne in sich; diese erlöschen, sobald jene aufgeht. Dubars Eigenschaft als Sonnenheld wird fernerhin bewiesen durch sein freundschaftliches Vasallenverhältnis zu Samas, dem Sonnengotte, der den Eabani veranlaßt, mit dem Helden Freundschaft zu schließen, und dem Dnbar später den getöteten Stier opfert, dem Samas, seinem göttlichen Lehnsherrn. Im griechischen Mythus bedürfte der von Osten kommende Fremdling zu¬ nächst einer der hellenischen Mythenbildung entsprechenden Sanktionirung. He¬ rakles wird daher zu einem wenn auch unechten Sohne des Göttervaters selbst gemacht; und dadurch erklärt sich, warum der Held, obwohl der ursprünglichen Götterfamilie des Zeus nicht angehörig, dennoch mit göttlicher Kraft begabt ist. Der Zeusabstammung haben sich die meisten, erst später meist ans asiatischem Sternkultus in die griechische Mythologie übergegangenen Gestalten göttlichen Wesens zu erfreuen. Es ist daher gesucht, in des Helden Geburt ans dem Leibe einer irdischen Mutter schon seine Bestimmung zum Heros des Lichts sehen zu wollen, wie man deshalb versucht hat, weil die Sonne dem beobachtenden Ange aus dem Schoße der Erde emporzusteigen scheint. Dagegen erweist sich Herakles entschieden als Sonnenheld durch seinen langwierigen Streit mit dem Sonnengott Apoll, der mit einer schließlichen Versöhnung beider und mit der Velehnnng des Herakles mit Pfeil und Bogen, den Symbolen Apolls, endet. Sonnengott und Sonnenheld gehen fortan Hand in Hand. Zunächst verbindet sich nun Dnbar mit Eabani, Herakles mit Chiron. Der Satyr wie der Centaur sind rohe Naturwesen und vertreten als solche die ungebändigte, triebfähige Kraft in der Natur, mit der die Sonne zur Frühlingszeit ein Bündnis schließt, zur Erzeugung alles im Boden schlummern¬ den Lebens. Vorher ist jedoch nach der Dubarsage der Tyrann Humbaba zu besiegen, eine Gestalt, in der wir es ohne Zweifel ebenso wie in dem Eurystheus der Heraklessage mit der Einmischung historischer Elemente, der Eroberung des Peloponnes durch die Herakliden hier, der Befreiung vom Elamitischcn Joch dort, zu thun haben. Gleichwohl liegt sowohl der Gestalt des Humbaba als auch der in eine Summe von Widerständen zerlegten, von Hera beeinflußten Gewalt des Eurystheus eine naturmythische Kraft zu Grunde; die unwirtlichen Ausläufer der Regenzeit im Orient, die mannichfaltigen winterlichen Er¬ scheinungen in Hellas sind erst von der Sonnenwärme zu überwinden, bevor sie ihre wohlthätige Wirksamkeit beginnt. So muß Herakles die stymphalischen Vögel erlegen, die Sinnbilder der Stürme und Wolkenbrüche, wie sie gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/347>, abgerufen am 23.06.2024.