Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
vorwürfe und vorwLnde.

ganz, wie man nach manchen feindseligen Auslassungen glauben sollte, an
Gründen dafür. Ist überhaupt ein öffentliches Interesse dafür vorhanden, daß
eine gewisse Anzahl großer Besitzungen erhalten bleibe und daß wenigstens in
einer Anzahl von Fällen der enge, in langjährigem Erbgang gefestete Zusammen¬
hang einer Familie (eine adliche braucht es ja durchaus nicht zu sein) mit dem
Boden nicht nur bewahrt, sondern auch gesichert werde -- und für diese beiden
Punkte lassen sich doch starke Gründe ins Feld führen --, so sind die im ein¬
zelnen zu machenden Einwendungen untergeordneter Art. Selbst der jüngere
Sohn oder der Bruder eines Majoratsherrn zu sein, ist noch ein beneidens¬
wertes Schicksal, und es giebt Dinge, bei denen mit ungleich größerm Rechte
von einer durch das Gesetz geheiligten Ungerechtigkeit gesprochen werden könnte,
als bei einem Erbgangc, der in großen Teilen Deutschlands Jahrtausende hin¬
durch üblich und als selbstverständlich betrachtet gewesen ist. Wahr bleibt also
nur, daß die Neubegründnng von Fideikommissen nicht zu sehr erleichtert werden
darf, und daß die Gesamtheit dieser Festlegungen nicht über ein bescheidnes
Maß hinausgehen sollte. Diese beiden Bedingungen aber sind unsers Wissens
erfüllt, die eine rechtlich, die andre thatsächlich. Für die nächsten Deszendenten
muß gleiches Erbrecht gesichert sein, ehe ein Fideikommiß errichtet werden darf,
und die Menge der fideikommissarisch festgelegten Güter ist doch selbst in Pro¬
vinzen wie Ostpreußen nur beschränkt; sie dürfte hier sechs bis acht Prozent des
Bodens betragen. Vielleicht ließe sich eine Grenze hierfür gesetzmäßig fest¬
halten, und auch darüber, daß -- da ja noch die zahlreichen Domänen und die
ausgedehnten fiskalischen Waldungen und Seen, sowie die herzoglich anhaltischen
und andre Güter an festgelegten Boden hinzukommen -- selbst diese sechs bis
acht Prozent schon zu viel wären, ließe sich vielleicht streiten, aber jedenfalls ist
die Frage, ob die ganze Sache grundsätzlich zu verwerfen sei, noch offen, und ein
Übermaß oder eine Unzweckmäßigkeit der Bedingungen, unter denen sie zugelassen
werden kann, müßte doch erst nachgewiesen werden. Der bloße gehässige Hin¬
weis auf das Bestehen von Fideikommissen und deren angebliche Ungerechtigkeit
stellt sich also im wesentlichen gleichfalls als bloßer Vorwand dar.

Bei dieser Gelegenheit möge auch ein Wort über die viel geschmähten, in
Wirklichkeit bei uns kaum vorhandenen "Latifundien" gesagt werden. In Ost¬
preußen, an welches man doch bei derartigen Hinweisen stets zuerst denkt, mag
es Herrschaften von etwa einer Quadratmeile Größe zehn bis zwölf geben (die
fünf großen Dohnaschen Herrschaften Schlobitten, Schlodien, Lanck, Prökelwitz
und Reichertswalde, dann Bestendorf, Gerdauen, Steinort, Sillginnen, Dönhof-
städt, Nautenburg und noch eine oder zwei andre), aber gerade diese Herrschaften
sind anerkanntermaßen alle aufs beste angebaut und verwaltet, entsprechen also
einer wesentlichen Voraussetzung für den Begriff "Latifundien" durchaus nicht.
Man kann kühn behaupten, daß zwar viele Güter durch Verkleinerung ertragreicher
gemacht werden könnten, daß es aber Latifundien in dem üblichen Sinne in


vorwürfe und vorwLnde.

ganz, wie man nach manchen feindseligen Auslassungen glauben sollte, an
Gründen dafür. Ist überhaupt ein öffentliches Interesse dafür vorhanden, daß
eine gewisse Anzahl großer Besitzungen erhalten bleibe und daß wenigstens in
einer Anzahl von Fällen der enge, in langjährigem Erbgang gefestete Zusammen¬
hang einer Familie (eine adliche braucht es ja durchaus nicht zu sein) mit dem
Boden nicht nur bewahrt, sondern auch gesichert werde — und für diese beiden
Punkte lassen sich doch starke Gründe ins Feld führen —, so sind die im ein¬
zelnen zu machenden Einwendungen untergeordneter Art. Selbst der jüngere
Sohn oder der Bruder eines Majoratsherrn zu sein, ist noch ein beneidens¬
wertes Schicksal, und es giebt Dinge, bei denen mit ungleich größerm Rechte
von einer durch das Gesetz geheiligten Ungerechtigkeit gesprochen werden könnte,
als bei einem Erbgangc, der in großen Teilen Deutschlands Jahrtausende hin¬
durch üblich und als selbstverständlich betrachtet gewesen ist. Wahr bleibt also
nur, daß die Neubegründnng von Fideikommissen nicht zu sehr erleichtert werden
darf, und daß die Gesamtheit dieser Festlegungen nicht über ein bescheidnes
Maß hinausgehen sollte. Diese beiden Bedingungen aber sind unsers Wissens
erfüllt, die eine rechtlich, die andre thatsächlich. Für die nächsten Deszendenten
muß gleiches Erbrecht gesichert sein, ehe ein Fideikommiß errichtet werden darf,
und die Menge der fideikommissarisch festgelegten Güter ist doch selbst in Pro¬
vinzen wie Ostpreußen nur beschränkt; sie dürfte hier sechs bis acht Prozent des
Bodens betragen. Vielleicht ließe sich eine Grenze hierfür gesetzmäßig fest¬
halten, und auch darüber, daß — da ja noch die zahlreichen Domänen und die
ausgedehnten fiskalischen Waldungen und Seen, sowie die herzoglich anhaltischen
und andre Güter an festgelegten Boden hinzukommen — selbst diese sechs bis
acht Prozent schon zu viel wären, ließe sich vielleicht streiten, aber jedenfalls ist
die Frage, ob die ganze Sache grundsätzlich zu verwerfen sei, noch offen, und ein
Übermaß oder eine Unzweckmäßigkeit der Bedingungen, unter denen sie zugelassen
werden kann, müßte doch erst nachgewiesen werden. Der bloße gehässige Hin¬
weis auf das Bestehen von Fideikommissen und deren angebliche Ungerechtigkeit
stellt sich also im wesentlichen gleichfalls als bloßer Vorwand dar.

Bei dieser Gelegenheit möge auch ein Wort über die viel geschmähten, in
Wirklichkeit bei uns kaum vorhandenen „Latifundien" gesagt werden. In Ost¬
preußen, an welches man doch bei derartigen Hinweisen stets zuerst denkt, mag
es Herrschaften von etwa einer Quadratmeile Größe zehn bis zwölf geben (die
fünf großen Dohnaschen Herrschaften Schlobitten, Schlodien, Lanck, Prökelwitz
und Reichertswalde, dann Bestendorf, Gerdauen, Steinort, Sillginnen, Dönhof-
städt, Nautenburg und noch eine oder zwei andre), aber gerade diese Herrschaften
sind anerkanntermaßen alle aufs beste angebaut und verwaltet, entsprechen also
einer wesentlichen Voraussetzung für den Begriff „Latifundien" durchaus nicht.
Man kann kühn behaupten, daß zwar viele Güter durch Verkleinerung ertragreicher
gemacht werden könnten, daß es aber Latifundien in dem üblichen Sinne in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202433"/>
          <fw type="header" place="top"> vorwürfe und vorwLnde.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1230" prev="#ID_1229"> ganz, wie man nach manchen feindseligen Auslassungen glauben sollte, an<lb/>
Gründen dafür. Ist überhaupt ein öffentliches Interesse dafür vorhanden, daß<lb/>
eine gewisse Anzahl großer Besitzungen erhalten bleibe und daß wenigstens in<lb/>
einer Anzahl von Fällen der enge, in langjährigem Erbgang gefestete Zusammen¬<lb/>
hang einer Familie (eine adliche braucht es ja durchaus nicht zu sein) mit dem<lb/>
Boden nicht nur bewahrt, sondern auch gesichert werde &#x2014; und für diese beiden<lb/>
Punkte lassen sich doch starke Gründe ins Feld führen &#x2014;, so sind die im ein¬<lb/>
zelnen zu machenden Einwendungen untergeordneter Art. Selbst der jüngere<lb/>
Sohn oder der Bruder eines Majoratsherrn zu sein, ist noch ein beneidens¬<lb/>
wertes Schicksal, und es giebt Dinge, bei denen mit ungleich größerm Rechte<lb/>
von einer durch das Gesetz geheiligten Ungerechtigkeit gesprochen werden könnte,<lb/>
als bei einem Erbgangc, der in großen Teilen Deutschlands Jahrtausende hin¬<lb/>
durch üblich und als selbstverständlich betrachtet gewesen ist. Wahr bleibt also<lb/>
nur, daß die Neubegründnng von Fideikommissen nicht zu sehr erleichtert werden<lb/>
darf, und daß die Gesamtheit dieser Festlegungen nicht über ein bescheidnes<lb/>
Maß hinausgehen sollte. Diese beiden Bedingungen aber sind unsers Wissens<lb/>
erfüllt, die eine rechtlich, die andre thatsächlich. Für die nächsten Deszendenten<lb/>
muß gleiches Erbrecht gesichert sein, ehe ein Fideikommiß errichtet werden darf,<lb/>
und die Menge der fideikommissarisch festgelegten Güter ist doch selbst in Pro¬<lb/>
vinzen wie Ostpreußen nur beschränkt; sie dürfte hier sechs bis acht Prozent des<lb/>
Bodens betragen. Vielleicht ließe sich eine Grenze hierfür gesetzmäßig fest¬<lb/>
halten, und auch darüber, daß &#x2014; da ja noch die zahlreichen Domänen und die<lb/>
ausgedehnten fiskalischen Waldungen und Seen, sowie die herzoglich anhaltischen<lb/>
und andre Güter an festgelegten Boden hinzukommen &#x2014; selbst diese sechs bis<lb/>
acht Prozent schon zu viel wären, ließe sich vielleicht streiten, aber jedenfalls ist<lb/>
die Frage, ob die ganze Sache grundsätzlich zu verwerfen sei, noch offen, und ein<lb/>
Übermaß oder eine Unzweckmäßigkeit der Bedingungen, unter denen sie zugelassen<lb/>
werden kann, müßte doch erst nachgewiesen werden. Der bloße gehässige Hin¬<lb/>
weis auf das Bestehen von Fideikommissen und deren angebliche Ungerechtigkeit<lb/>
stellt sich also im wesentlichen gleichfalls als bloßer Vorwand dar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1231" next="#ID_1232"> Bei dieser Gelegenheit möge auch ein Wort über die viel geschmähten, in<lb/>
Wirklichkeit bei uns kaum vorhandenen &#x201E;Latifundien" gesagt werden. In Ost¬<lb/>
preußen, an welches man doch bei derartigen Hinweisen stets zuerst denkt, mag<lb/>
es Herrschaften von etwa einer Quadratmeile Größe zehn bis zwölf geben (die<lb/>
fünf großen Dohnaschen Herrschaften Schlobitten, Schlodien, Lanck, Prökelwitz<lb/>
und Reichertswalde, dann Bestendorf, Gerdauen, Steinort, Sillginnen, Dönhof-<lb/>
städt, Nautenburg und noch eine oder zwei andre), aber gerade diese Herrschaften<lb/>
sind anerkanntermaßen alle aufs beste angebaut und verwaltet, entsprechen also<lb/>
einer wesentlichen Voraussetzung für den Begriff &#x201E;Latifundien" durchaus nicht.<lb/>
Man kann kühn behaupten, daß zwar viele Güter durch Verkleinerung ertragreicher<lb/>
gemacht werden könnten, daß es aber Latifundien in dem üblichen Sinne in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] vorwürfe und vorwLnde. ganz, wie man nach manchen feindseligen Auslassungen glauben sollte, an Gründen dafür. Ist überhaupt ein öffentliches Interesse dafür vorhanden, daß eine gewisse Anzahl großer Besitzungen erhalten bleibe und daß wenigstens in einer Anzahl von Fällen der enge, in langjährigem Erbgang gefestete Zusammen¬ hang einer Familie (eine adliche braucht es ja durchaus nicht zu sein) mit dem Boden nicht nur bewahrt, sondern auch gesichert werde — und für diese beiden Punkte lassen sich doch starke Gründe ins Feld führen —, so sind die im ein¬ zelnen zu machenden Einwendungen untergeordneter Art. Selbst der jüngere Sohn oder der Bruder eines Majoratsherrn zu sein, ist noch ein beneidens¬ wertes Schicksal, und es giebt Dinge, bei denen mit ungleich größerm Rechte von einer durch das Gesetz geheiligten Ungerechtigkeit gesprochen werden könnte, als bei einem Erbgangc, der in großen Teilen Deutschlands Jahrtausende hin¬ durch üblich und als selbstverständlich betrachtet gewesen ist. Wahr bleibt also nur, daß die Neubegründnng von Fideikommissen nicht zu sehr erleichtert werden darf, und daß die Gesamtheit dieser Festlegungen nicht über ein bescheidnes Maß hinausgehen sollte. Diese beiden Bedingungen aber sind unsers Wissens erfüllt, die eine rechtlich, die andre thatsächlich. Für die nächsten Deszendenten muß gleiches Erbrecht gesichert sein, ehe ein Fideikommiß errichtet werden darf, und die Menge der fideikommissarisch festgelegten Güter ist doch selbst in Pro¬ vinzen wie Ostpreußen nur beschränkt; sie dürfte hier sechs bis acht Prozent des Bodens betragen. Vielleicht ließe sich eine Grenze hierfür gesetzmäßig fest¬ halten, und auch darüber, daß — da ja noch die zahlreichen Domänen und die ausgedehnten fiskalischen Waldungen und Seen, sowie die herzoglich anhaltischen und andre Güter an festgelegten Boden hinzukommen — selbst diese sechs bis acht Prozent schon zu viel wären, ließe sich vielleicht streiten, aber jedenfalls ist die Frage, ob die ganze Sache grundsätzlich zu verwerfen sei, noch offen, und ein Übermaß oder eine Unzweckmäßigkeit der Bedingungen, unter denen sie zugelassen werden kann, müßte doch erst nachgewiesen werden. Der bloße gehässige Hin¬ weis auf das Bestehen von Fideikommissen und deren angebliche Ungerechtigkeit stellt sich also im wesentlichen gleichfalls als bloßer Vorwand dar. Bei dieser Gelegenheit möge auch ein Wort über die viel geschmähten, in Wirklichkeit bei uns kaum vorhandenen „Latifundien" gesagt werden. In Ost¬ preußen, an welches man doch bei derartigen Hinweisen stets zuerst denkt, mag es Herrschaften von etwa einer Quadratmeile Größe zehn bis zwölf geben (die fünf großen Dohnaschen Herrschaften Schlobitten, Schlodien, Lanck, Prökelwitz und Reichertswalde, dann Bestendorf, Gerdauen, Steinort, Sillginnen, Dönhof- städt, Nautenburg und noch eine oder zwei andre), aber gerade diese Herrschaften sind anerkanntermaßen alle aufs beste angebaut und verwaltet, entsprechen also einer wesentlichen Voraussetzung für den Begriff „Latifundien" durchaus nicht. Man kann kühn behaupten, daß zwar viele Güter durch Verkleinerung ertragreicher gemacht werden könnten, daß es aber Latifundien in dem üblichen Sinne in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/334>, abgerufen am 23.06.2024.