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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Llifen.

Athletenleib mit nichts anderen bedeckt hat, als mit einem Schurz, an dem ein
Löwenwedel hängt, "die Feder eines Adlers krönt sein Haar" -- wie Coopers
Indianerhäuptlinge -- diese Blemmher zwingen die Ägypter zu einem eigen¬
tümlichen Tribut. Das Jsisbild muß jährlich einmal für eine Zeit lang zu
ihnen gebracht werden, um ihnen auch einen Teil seines göttlichen Segens zu¬
kommen zu lassen, dies ist Bedingung ihres Friedens. Nun ist bei den Blem-
mycrn die Pest ausgebrochen. Da kommen von neuem von diesen Gesandte
nach Phylä, das Jsisbild drohend zum Schutz zu fordern. Die Priester will¬
fahren gern dem Wunsche des rohen Fürsten, und mit andern Priestern geht
auch Hör, der Schöpfer des heilige" Bildes, mit. Es geht genau so zu, wie
in katholischen Gegenden Südeuropas mit den wunderthätigen Marienbildern.
Bei den Blcmmycrn hat indes die Pest furchtbar gewütet. Bald sterben sogar
die angekommenen Priester. Die Söhne Dusares werden von der Pest an¬
gegriffen, schon ist einer von ihnen gestorben. Der Fürst ist außer sich, im ersten
Schmerz und Zorn über die hilflose Göttin zertrümmert er das herbeigewünschte
heilige Jsisbild mit seiner Streitaxt: "Ich roch nur, was du anthatst meinen
Söhnen," ruft er der zerschlagenen Göttin zu; er meint nämlich: "ich rächte."
Inzwischen hat aber Hör Dusarens schöne Tochter, Elisen, gesehen, die in der
Begleitung des Vaters erschienen war. Elisen sehen und lieben und küssen, ist
für Hör die That einer kleinen Viertelstunde.


Jetzt naht die Maid ihm schüchtern auf den Zeh'n
Und hebt mit brunst'ger Bitte beide Hände;
Da meint des Mondes Aufgang er zu sah'n,
Da ist's ihm, als ob Sonnenlicht ihn blende.

In dieser schwülstigen Weise wird das Auftreten Eliföns und ihre Wirkung
auf Hör ausgemalt. In ihr findet er endlich die ihm von Juvenal gewünschte
Geliebte, obwohl ein gesunder Realist wie Juvenal das Ideal der Schönheit
am allerwenigsten bei den Wilden vermutet hätte. Dieser Elisen zuliebe er¬
bietet sich Hör, die Unthat Dusares wieder gut zu machen, er will ein neues
Jsisbild schaffen. Der adlerfedergeschmückte Fürst ist ganz entzückt davon und
schwört dem Künstler jeden Wunsch zu erfüllen, wenn das Werk zustande komme.
Inzwischen zieht er wieder mit seinen Leuten auf Raub aus, denn:


Kühn, beim Beutewerben,
Nicht an der Pest verlohnt es sich zu sterben.

So bleiben denn Hör und Elisen allein zu Hause. Da auch ihre Wächterin,
die Amme, von der Pest dahingerafft wird, die Brüder aber gesundet dem Vater
ins Feld nacheilen, steht dem verliebten Umgange des Künstlers mit der Fürsten¬
tochter nichts im Wege. Aber obgleich es an einer Stelle ausführlich heißt:
"Bald ruhten sie beseligt Brust an Brust, was er begehren mochte, war ihr


Llifen.

Athletenleib mit nichts anderen bedeckt hat, als mit einem Schurz, an dem ein
Löwenwedel hängt, „die Feder eines Adlers krönt sein Haar" — wie Coopers
Indianerhäuptlinge — diese Blemmher zwingen die Ägypter zu einem eigen¬
tümlichen Tribut. Das Jsisbild muß jährlich einmal für eine Zeit lang zu
ihnen gebracht werden, um ihnen auch einen Teil seines göttlichen Segens zu¬
kommen zu lassen, dies ist Bedingung ihres Friedens. Nun ist bei den Blem-
mycrn die Pest ausgebrochen. Da kommen von neuem von diesen Gesandte
nach Phylä, das Jsisbild drohend zum Schutz zu fordern. Die Priester will¬
fahren gern dem Wunsche des rohen Fürsten, und mit andern Priestern geht
auch Hör, der Schöpfer des heilige» Bildes, mit. Es geht genau so zu, wie
in katholischen Gegenden Südeuropas mit den wunderthätigen Marienbildern.
Bei den Blcmmycrn hat indes die Pest furchtbar gewütet. Bald sterben sogar
die angekommenen Priester. Die Söhne Dusares werden von der Pest an¬
gegriffen, schon ist einer von ihnen gestorben. Der Fürst ist außer sich, im ersten
Schmerz und Zorn über die hilflose Göttin zertrümmert er das herbeigewünschte
heilige Jsisbild mit seiner Streitaxt: „Ich roch nur, was du anthatst meinen
Söhnen," ruft er der zerschlagenen Göttin zu; er meint nämlich: „ich rächte."
Inzwischen hat aber Hör Dusarens schöne Tochter, Elisen, gesehen, die in der
Begleitung des Vaters erschienen war. Elisen sehen und lieben und küssen, ist
für Hör die That einer kleinen Viertelstunde.


Jetzt naht die Maid ihm schüchtern auf den Zeh'n
Und hebt mit brunst'ger Bitte beide Hände;
Da meint des Mondes Aufgang er zu sah'n,
Da ist's ihm, als ob Sonnenlicht ihn blende.

In dieser schwülstigen Weise wird das Auftreten Eliföns und ihre Wirkung
auf Hör ausgemalt. In ihr findet er endlich die ihm von Juvenal gewünschte
Geliebte, obwohl ein gesunder Realist wie Juvenal das Ideal der Schönheit
am allerwenigsten bei den Wilden vermutet hätte. Dieser Elisen zuliebe er¬
bietet sich Hör, die Unthat Dusares wieder gut zu machen, er will ein neues
Jsisbild schaffen. Der adlerfedergeschmückte Fürst ist ganz entzückt davon und
schwört dem Künstler jeden Wunsch zu erfüllen, wenn das Werk zustande komme.
Inzwischen zieht er wieder mit seinen Leuten auf Raub aus, denn:


Kühn, beim Beutewerben,
Nicht an der Pest verlohnt es sich zu sterben.

So bleiben denn Hör und Elisen allein zu Hause. Da auch ihre Wächterin,
die Amme, von der Pest dahingerafft wird, die Brüder aber gesundet dem Vater
ins Feld nacheilen, steht dem verliebten Umgange des Künstlers mit der Fürsten¬
tochter nichts im Wege. Aber obgleich es an einer Stelle ausführlich heißt:
„Bald ruhten sie beseligt Brust an Brust, was er begehren mochte, war ihr


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[0318] Llifen. Athletenleib mit nichts anderen bedeckt hat, als mit einem Schurz, an dem ein Löwenwedel hängt, „die Feder eines Adlers krönt sein Haar" — wie Coopers Indianerhäuptlinge — diese Blemmher zwingen die Ägypter zu einem eigen¬ tümlichen Tribut. Das Jsisbild muß jährlich einmal für eine Zeit lang zu ihnen gebracht werden, um ihnen auch einen Teil seines göttlichen Segens zu¬ kommen zu lassen, dies ist Bedingung ihres Friedens. Nun ist bei den Blem- mycrn die Pest ausgebrochen. Da kommen von neuem von diesen Gesandte nach Phylä, das Jsisbild drohend zum Schutz zu fordern. Die Priester will¬ fahren gern dem Wunsche des rohen Fürsten, und mit andern Priestern geht auch Hör, der Schöpfer des heilige» Bildes, mit. Es geht genau so zu, wie in katholischen Gegenden Südeuropas mit den wunderthätigen Marienbildern. Bei den Blcmmycrn hat indes die Pest furchtbar gewütet. Bald sterben sogar die angekommenen Priester. Die Söhne Dusares werden von der Pest an¬ gegriffen, schon ist einer von ihnen gestorben. Der Fürst ist außer sich, im ersten Schmerz und Zorn über die hilflose Göttin zertrümmert er das herbeigewünschte heilige Jsisbild mit seiner Streitaxt: „Ich roch nur, was du anthatst meinen Söhnen," ruft er der zerschlagenen Göttin zu; er meint nämlich: „ich rächte." Inzwischen hat aber Hör Dusarens schöne Tochter, Elisen, gesehen, die in der Begleitung des Vaters erschienen war. Elisen sehen und lieben und küssen, ist für Hör die That einer kleinen Viertelstunde. Jetzt naht die Maid ihm schüchtern auf den Zeh'n Und hebt mit brunst'ger Bitte beide Hände; Da meint des Mondes Aufgang er zu sah'n, Da ist's ihm, als ob Sonnenlicht ihn blende. In dieser schwülstigen Weise wird das Auftreten Eliföns und ihre Wirkung auf Hör ausgemalt. In ihr findet er endlich die ihm von Juvenal gewünschte Geliebte, obwohl ein gesunder Realist wie Juvenal das Ideal der Schönheit am allerwenigsten bei den Wilden vermutet hätte. Dieser Elisen zuliebe er¬ bietet sich Hör, die Unthat Dusares wieder gut zu machen, er will ein neues Jsisbild schaffen. Der adlerfedergeschmückte Fürst ist ganz entzückt davon und schwört dem Künstler jeden Wunsch zu erfüllen, wenn das Werk zustande komme. Inzwischen zieht er wieder mit seinen Leuten auf Raub aus, denn: Kühn, beim Beutewerben, Nicht an der Pest verlohnt es sich zu sterben. So bleiben denn Hör und Elisen allein zu Hause. Da auch ihre Wächterin, die Amme, von der Pest dahingerafft wird, die Brüder aber gesundet dem Vater ins Feld nacheilen, steht dem verliebten Umgange des Künstlers mit der Fürsten¬ tochter nichts im Wege. Aber obgleich es an einer Stelle ausführlich heißt: „Bald ruhten sie beseligt Brust an Brust, was er begehren mochte, war ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/318>, abgerufen am 23.06.2024.