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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

jedoch, wie schon bemerkt, nur die Befestigungen, nicht etwa die Städte, gehörten
dem Bunde. Die drei ältern Bundesfestungen waren Mainz, Luxemburg und
Landau; später kamen dazu Ulm und Rastatt. Als die offen ausgesprochenen
französischen Gelüste nach der Nhcingrenze unter dem Ministerium Thiers im
Jahre 1840 das deutsche Nationalgefühl einigermaßen aus seinem Schlummer
aufgerüttelt hatten, geschah sogar etwas für die Ausbesserung dieser angeblichen
Bollwerke Deutschlands. Über die Besatzung und den Oberbefehl darin gab es
sehr genaue Abmachungen, der Erfolg endloser Verhandlungen. Wie alle Buudes-
einrichtungen, zeichneten sich auch diese Bestimmungen durch Schwerfälligkeit
und Unbeholfenheit aus. Die Besatzung von Mainz bestand in Friedenszeit
ans einer gleichen Anzahl österreichischer und preußischer und einem Bataillon
darmstädtischcr Truppen, im Kriege aus einem Drittel österreichischer, einem
Drittel preußischer und einem Drittel andrer Bundestruppen. Für Luxemburg
stellte Preußen drei Viertel, Luxemburg ein Viertel der Besatzung; für den
Kriegsfall kam dazu noch ein Teil der einen Reservedivision. Landau wurde
im Frieden allein von Baiern besetzt; im Kriege gab Baden ein Drittel
der Garnison hinzu, und eine Reservedivision stellte ebenfalls ein Kontingent.
Die Besatzung von Ulm bestand aus Baiern, Württembergern und einer Abteilung
österreichischer Artillerie; zur Kriegsbesatzuug gaben Österreich, Baiern und
Württemberg je ein Drittel. Rastatt hatte im Frieden badische Besatzung und
eine österreichische Geuiecibtcilung, im Kriege ein Drittel Österreicher, zwei Drittel
Badener. Auch Preußen hatte ein Mitbesatzungsrecht. Ebenso genau war be¬
stimmt, wie die Gouverneur- und Koinmandcmtenstellen verteilt werden sollten.
In Mainz wurden Gouverneur und Kommandant abwechselnd alle fünf Jahre
von Österreich und Preußen ernannt, sodaß die eine Stelle immer in öster¬
reichischen, die andre in preußischen Händen war. In Luxemburg ernannte den
Gouverneur und den Kommandanten Preußen, in Landau Baiern, in Ulm
Württemberg den Gouverneur, Baiern den Kommandanten. Auch Frankfurt
hatte eine Bundesbesatzung, die aus Österreichern, Preußen und Baiern bestand;
den Oberkommandanten ernannte Preußen, das Stadtkommando aber stand
Österreich zu.

Es ist nicht zu bestreiten, daß die Militärkommission die Sache mit deutscher
Gründlichkeit behandelt hatte. Wie die Geschichte aber im Ernstfalle gegangen wäre,
das weiß nur Gott im Himmel. Jedenfalls können wir uns freuen, daß dieser
Fall nicht eingetreten ist; denn etwas Gedeihliches wäre bei dieser Vielköpfigkeit
sicherlich nicht herausgekommen.

Ebensowenig wie die Bundessestuugen ist zum Glück das Heer des deutschen
Bundes jemals auf eine ernstliche größere Probe gestellt worden. Die beiden
Bundesexekutionen in Schleswig-Holstein, Bronnzell und die "Strafbaiern" sind
als solche nicht zu rechnen. In dem großen Kriege von 1866 spielten aller¬
dings "Bundestruppen" eine Rolle, namentlich das achte Bundesarmeekorps.


Der deutsche Bund.

jedoch, wie schon bemerkt, nur die Befestigungen, nicht etwa die Städte, gehörten
dem Bunde. Die drei ältern Bundesfestungen waren Mainz, Luxemburg und
Landau; später kamen dazu Ulm und Rastatt. Als die offen ausgesprochenen
französischen Gelüste nach der Nhcingrenze unter dem Ministerium Thiers im
Jahre 1840 das deutsche Nationalgefühl einigermaßen aus seinem Schlummer
aufgerüttelt hatten, geschah sogar etwas für die Ausbesserung dieser angeblichen
Bollwerke Deutschlands. Über die Besatzung und den Oberbefehl darin gab es
sehr genaue Abmachungen, der Erfolg endloser Verhandlungen. Wie alle Buudes-
einrichtungen, zeichneten sich auch diese Bestimmungen durch Schwerfälligkeit
und Unbeholfenheit aus. Die Besatzung von Mainz bestand in Friedenszeit
ans einer gleichen Anzahl österreichischer und preußischer und einem Bataillon
darmstädtischcr Truppen, im Kriege aus einem Drittel österreichischer, einem
Drittel preußischer und einem Drittel andrer Bundestruppen. Für Luxemburg
stellte Preußen drei Viertel, Luxemburg ein Viertel der Besatzung; für den
Kriegsfall kam dazu noch ein Teil der einen Reservedivision. Landau wurde
im Frieden allein von Baiern besetzt; im Kriege gab Baden ein Drittel
der Garnison hinzu, und eine Reservedivision stellte ebenfalls ein Kontingent.
Die Besatzung von Ulm bestand aus Baiern, Württembergern und einer Abteilung
österreichischer Artillerie; zur Kriegsbesatzuug gaben Österreich, Baiern und
Württemberg je ein Drittel. Rastatt hatte im Frieden badische Besatzung und
eine österreichische Geuiecibtcilung, im Kriege ein Drittel Österreicher, zwei Drittel
Badener. Auch Preußen hatte ein Mitbesatzungsrecht. Ebenso genau war be¬
stimmt, wie die Gouverneur- und Koinmandcmtenstellen verteilt werden sollten.
In Mainz wurden Gouverneur und Kommandant abwechselnd alle fünf Jahre
von Österreich und Preußen ernannt, sodaß die eine Stelle immer in öster¬
reichischen, die andre in preußischen Händen war. In Luxemburg ernannte den
Gouverneur und den Kommandanten Preußen, in Landau Baiern, in Ulm
Württemberg den Gouverneur, Baiern den Kommandanten. Auch Frankfurt
hatte eine Bundesbesatzung, die aus Österreichern, Preußen und Baiern bestand;
den Oberkommandanten ernannte Preußen, das Stadtkommando aber stand
Österreich zu.

Es ist nicht zu bestreiten, daß die Militärkommission die Sache mit deutscher
Gründlichkeit behandelt hatte. Wie die Geschichte aber im Ernstfalle gegangen wäre,
das weiß nur Gott im Himmel. Jedenfalls können wir uns freuen, daß dieser
Fall nicht eingetreten ist; denn etwas Gedeihliches wäre bei dieser Vielköpfigkeit
sicherlich nicht herausgekommen.

Ebensowenig wie die Bundessestuugen ist zum Glück das Heer des deutschen
Bundes jemals auf eine ernstliche größere Probe gestellt worden. Die beiden
Bundesexekutionen in Schleswig-Holstein, Bronnzell und die „Strafbaiern" sind
als solche nicht zu rechnen. In dem großen Kriege von 1866 spielten aller¬
dings „Bundestruppen" eine Rolle, namentlich das achte Bundesarmeekorps.


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[0296] Der deutsche Bund. jedoch, wie schon bemerkt, nur die Befestigungen, nicht etwa die Städte, gehörten dem Bunde. Die drei ältern Bundesfestungen waren Mainz, Luxemburg und Landau; später kamen dazu Ulm und Rastatt. Als die offen ausgesprochenen französischen Gelüste nach der Nhcingrenze unter dem Ministerium Thiers im Jahre 1840 das deutsche Nationalgefühl einigermaßen aus seinem Schlummer aufgerüttelt hatten, geschah sogar etwas für die Ausbesserung dieser angeblichen Bollwerke Deutschlands. Über die Besatzung und den Oberbefehl darin gab es sehr genaue Abmachungen, der Erfolg endloser Verhandlungen. Wie alle Buudes- einrichtungen, zeichneten sich auch diese Bestimmungen durch Schwerfälligkeit und Unbeholfenheit aus. Die Besatzung von Mainz bestand in Friedenszeit ans einer gleichen Anzahl österreichischer und preußischer und einem Bataillon darmstädtischcr Truppen, im Kriege aus einem Drittel österreichischer, einem Drittel preußischer und einem Drittel andrer Bundestruppen. Für Luxemburg stellte Preußen drei Viertel, Luxemburg ein Viertel der Besatzung; für den Kriegsfall kam dazu noch ein Teil der einen Reservedivision. Landau wurde im Frieden allein von Baiern besetzt; im Kriege gab Baden ein Drittel der Garnison hinzu, und eine Reservedivision stellte ebenfalls ein Kontingent. Die Besatzung von Ulm bestand aus Baiern, Württembergern und einer Abteilung österreichischer Artillerie; zur Kriegsbesatzuug gaben Österreich, Baiern und Württemberg je ein Drittel. Rastatt hatte im Frieden badische Besatzung und eine österreichische Geuiecibtcilung, im Kriege ein Drittel Österreicher, zwei Drittel Badener. Auch Preußen hatte ein Mitbesatzungsrecht. Ebenso genau war be¬ stimmt, wie die Gouverneur- und Koinmandcmtenstellen verteilt werden sollten. In Mainz wurden Gouverneur und Kommandant abwechselnd alle fünf Jahre von Österreich und Preußen ernannt, sodaß die eine Stelle immer in öster¬ reichischen, die andre in preußischen Händen war. In Luxemburg ernannte den Gouverneur und den Kommandanten Preußen, in Landau Baiern, in Ulm Württemberg den Gouverneur, Baiern den Kommandanten. Auch Frankfurt hatte eine Bundesbesatzung, die aus Österreichern, Preußen und Baiern bestand; den Oberkommandanten ernannte Preußen, das Stadtkommando aber stand Österreich zu. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Militärkommission die Sache mit deutscher Gründlichkeit behandelt hatte. Wie die Geschichte aber im Ernstfalle gegangen wäre, das weiß nur Gott im Himmel. Jedenfalls können wir uns freuen, daß dieser Fall nicht eingetreten ist; denn etwas Gedeihliches wäre bei dieser Vielköpfigkeit sicherlich nicht herausgekommen. Ebensowenig wie die Bundessestuugen ist zum Glück das Heer des deutschen Bundes jemals auf eine ernstliche größere Probe gestellt worden. Die beiden Bundesexekutionen in Schleswig-Holstein, Bronnzell und die „Strafbaiern" sind als solche nicht zu rechnen. In dem großen Kriege von 1866 spielten aller¬ dings „Bundestruppen" eine Rolle, namentlich das achte Bundesarmeekorps.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/296>, abgerufen am 22.06.2024.