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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

einschließlich der Reserven auf 503072 Mann, und gegen Ende der Bundesherriich-
keit zählte man gar 698583 "Kombattanten "und 76120 "Nichtkombattanten, "im
ganzen 774 708 Mann, ein Heer, das unter den damaligen Verhältnissen sicherlich
für eine Großmacht genügte. Dieses ganze Heer sollte in zehn Armeekorps und zwei
Reservedivisionen geteilt werden, deren Stärke allerdings sehr ungleich war. Die
drei ersten Korps stellte Österreich, die drei folgenden Preußen, das siebente Baiern.
Die drei andern nannte man die gemischten Korps: das achte war zusammen¬
gesetzt aus Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt; es bestand aus drei
Divisionen; das neunte bildete Sachsen, Kurhessen, Luxemburg-Limburg und
Sachsen-Weimar; das zehnte endlich enthielt die Kontingente von Hannover,
Holstein-Lauenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Sabinerin, Mecklenburg-Strelitz,
Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg. Die übrige Menge der Kleinstaaten
hatte man dadurch möglichst unschädlich gemacht, daß man ihre Kontingente
in die Neservedivisionen verwiesen hatte. Man sieht, völlig so buntscheckig wie
die alte Reichsarmee war das Bundesheer nicht mehr; die ganz kleinen Kon¬
tingente, bei denen sogar Bruchteile von Männern vorkamen, waren weggefallen.
Aber man findet noch Liechtenstein mit 91 Mann, Hessen-Homburg mit 333,
darunter drei für Artillerie und Pioniere, Schaumburg-Lippe mit 350 Mann,
worunter ebenfalls drei für Artillerie und Pioniere, im ganzen neun Kontin¬
gente und, wen" man die beiden Neuß einzeln rechnet, sogar elf, die nicht tausend
erreichten. Sechzehn "Staaten" besaßen keinen Mann Kavallerie; Sachsen-
Weimar hatte fünfzehn, Frankfurt fünfundachtzig Kavalleristen, bei siebzehn bleibt
die Zahl der Artilleristen und Pioniere unter hundert, und bei acht ist diese
Rubrik sogar einziffrig.*) Daß solche winzige Truppenkörper nicht ausgebildet
werden konnten, versteht sich von selbst, auch wenn z. B. alle Staaten Geschütze
besessen hätten, was durchaus nicht der Fall war. Außerdem waren die Uni-
svrmirung und Bewaffnung, das Exerzirreglement und das Verpflegnngswesen
und alle übrigen Heereseinrichtnugen so verschieden, daß es auch für eiuen
hervorragenden und energischen Feldherrn eine sehr schwierige Aufgabe gewesen
wäre, aus diesen so mannichfaltigen Bestandteilen einen einheitlichen und leistungs¬
fähigen Heereskörper zu bilden, auch wenn auf allen Seiten guter Wille vor¬
handen gewesen wäre. Wenn aber letzterer fehlte, wenn z. B. nnr die mittleren
Bundesfürsten entweder unthätig blieben oder gar offen sich widersetzlich zeigten,
so war die ganze Bundeskriegsverfnssung lahm gelegt. Wenn einzelne Mitglieder
sich weigerten, ihre Kontingente zu stellen, ihre Matrikularbeiträge zu zahlen,
so mußte man unterhandeln, konnte schließlich Zwangsmaßregeln, die Bundes¬
exekution, anwenden u. s. w. Aber schnell und kräftig handeln konnte man nicht,
und der rechte Augenblick zum Losschlagen wäre immer verloren worden.

Außer dieser Truppenmacht besaß der Bund fünf sogenannte Bundesfestungen;



Diese Zahlen sind aus dem Jahre 18S8.
Der deutsche Bund.

einschließlich der Reserven auf 503072 Mann, und gegen Ende der Bundesherriich-
keit zählte man gar 698583 „Kombattanten "und 76120 „Nichtkombattanten, "im
ganzen 774 708 Mann, ein Heer, das unter den damaligen Verhältnissen sicherlich
für eine Großmacht genügte. Dieses ganze Heer sollte in zehn Armeekorps und zwei
Reservedivisionen geteilt werden, deren Stärke allerdings sehr ungleich war. Die
drei ersten Korps stellte Österreich, die drei folgenden Preußen, das siebente Baiern.
Die drei andern nannte man die gemischten Korps: das achte war zusammen¬
gesetzt aus Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt; es bestand aus drei
Divisionen; das neunte bildete Sachsen, Kurhessen, Luxemburg-Limburg und
Sachsen-Weimar; das zehnte endlich enthielt die Kontingente von Hannover,
Holstein-Lauenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Sabinerin, Mecklenburg-Strelitz,
Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg. Die übrige Menge der Kleinstaaten
hatte man dadurch möglichst unschädlich gemacht, daß man ihre Kontingente
in die Neservedivisionen verwiesen hatte. Man sieht, völlig so buntscheckig wie
die alte Reichsarmee war das Bundesheer nicht mehr; die ganz kleinen Kon¬
tingente, bei denen sogar Bruchteile von Männern vorkamen, waren weggefallen.
Aber man findet noch Liechtenstein mit 91 Mann, Hessen-Homburg mit 333,
darunter drei für Artillerie und Pioniere, Schaumburg-Lippe mit 350 Mann,
worunter ebenfalls drei für Artillerie und Pioniere, im ganzen neun Kontin¬
gente und, wen» man die beiden Neuß einzeln rechnet, sogar elf, die nicht tausend
erreichten. Sechzehn „Staaten" besaßen keinen Mann Kavallerie; Sachsen-
Weimar hatte fünfzehn, Frankfurt fünfundachtzig Kavalleristen, bei siebzehn bleibt
die Zahl der Artilleristen und Pioniere unter hundert, und bei acht ist diese
Rubrik sogar einziffrig.*) Daß solche winzige Truppenkörper nicht ausgebildet
werden konnten, versteht sich von selbst, auch wenn z. B. alle Staaten Geschütze
besessen hätten, was durchaus nicht der Fall war. Außerdem waren die Uni-
svrmirung und Bewaffnung, das Exerzirreglement und das Verpflegnngswesen
und alle übrigen Heereseinrichtnugen so verschieden, daß es auch für eiuen
hervorragenden und energischen Feldherrn eine sehr schwierige Aufgabe gewesen
wäre, aus diesen so mannichfaltigen Bestandteilen einen einheitlichen und leistungs¬
fähigen Heereskörper zu bilden, auch wenn auf allen Seiten guter Wille vor¬
handen gewesen wäre. Wenn aber letzterer fehlte, wenn z. B. nnr die mittleren
Bundesfürsten entweder unthätig blieben oder gar offen sich widersetzlich zeigten,
so war die ganze Bundeskriegsverfnssung lahm gelegt. Wenn einzelne Mitglieder
sich weigerten, ihre Kontingente zu stellen, ihre Matrikularbeiträge zu zahlen,
so mußte man unterhandeln, konnte schließlich Zwangsmaßregeln, die Bundes¬
exekution, anwenden u. s. w. Aber schnell und kräftig handeln konnte man nicht,
und der rechte Augenblick zum Losschlagen wäre immer verloren worden.

Außer dieser Truppenmacht besaß der Bund fünf sogenannte Bundesfestungen;



Diese Zahlen sind aus dem Jahre 18S8.
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[0295] Der deutsche Bund. einschließlich der Reserven auf 503072 Mann, und gegen Ende der Bundesherriich- keit zählte man gar 698583 „Kombattanten "und 76120 „Nichtkombattanten, "im ganzen 774 708 Mann, ein Heer, das unter den damaligen Verhältnissen sicherlich für eine Großmacht genügte. Dieses ganze Heer sollte in zehn Armeekorps und zwei Reservedivisionen geteilt werden, deren Stärke allerdings sehr ungleich war. Die drei ersten Korps stellte Österreich, die drei folgenden Preußen, das siebente Baiern. Die drei andern nannte man die gemischten Korps: das achte war zusammen¬ gesetzt aus Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt; es bestand aus drei Divisionen; das neunte bildete Sachsen, Kurhessen, Luxemburg-Limburg und Sachsen-Weimar; das zehnte endlich enthielt die Kontingente von Hannover, Holstein-Lauenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Sabinerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg. Die übrige Menge der Kleinstaaten hatte man dadurch möglichst unschädlich gemacht, daß man ihre Kontingente in die Neservedivisionen verwiesen hatte. Man sieht, völlig so buntscheckig wie die alte Reichsarmee war das Bundesheer nicht mehr; die ganz kleinen Kon¬ tingente, bei denen sogar Bruchteile von Männern vorkamen, waren weggefallen. Aber man findet noch Liechtenstein mit 91 Mann, Hessen-Homburg mit 333, darunter drei für Artillerie und Pioniere, Schaumburg-Lippe mit 350 Mann, worunter ebenfalls drei für Artillerie und Pioniere, im ganzen neun Kontin¬ gente und, wen» man die beiden Neuß einzeln rechnet, sogar elf, die nicht tausend erreichten. Sechzehn „Staaten" besaßen keinen Mann Kavallerie; Sachsen- Weimar hatte fünfzehn, Frankfurt fünfundachtzig Kavalleristen, bei siebzehn bleibt die Zahl der Artilleristen und Pioniere unter hundert, und bei acht ist diese Rubrik sogar einziffrig.*) Daß solche winzige Truppenkörper nicht ausgebildet werden konnten, versteht sich von selbst, auch wenn z. B. alle Staaten Geschütze besessen hätten, was durchaus nicht der Fall war. Außerdem waren die Uni- svrmirung und Bewaffnung, das Exerzirreglement und das Verpflegnngswesen und alle übrigen Heereseinrichtnugen so verschieden, daß es auch für eiuen hervorragenden und energischen Feldherrn eine sehr schwierige Aufgabe gewesen wäre, aus diesen so mannichfaltigen Bestandteilen einen einheitlichen und leistungs¬ fähigen Heereskörper zu bilden, auch wenn auf allen Seiten guter Wille vor¬ handen gewesen wäre. Wenn aber letzterer fehlte, wenn z. B. nnr die mittleren Bundesfürsten entweder unthätig blieben oder gar offen sich widersetzlich zeigten, so war die ganze Bundeskriegsverfnssung lahm gelegt. Wenn einzelne Mitglieder sich weigerten, ihre Kontingente zu stellen, ihre Matrikularbeiträge zu zahlen, so mußte man unterhandeln, konnte schließlich Zwangsmaßregeln, die Bundes¬ exekution, anwenden u. s. w. Aber schnell und kräftig handeln konnte man nicht, und der rechte Augenblick zum Losschlagen wäre immer verloren worden. Außer dieser Truppenmacht besaß der Bund fünf sogenannte Bundesfestungen; Diese Zahlen sind aus dem Jahre 18S8.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/295>, abgerufen am 22.06.2024.