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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

mußten, waren: 1. das Bundestagspalais (gehörte dem Fürsten von Thurn
und Taxis); 2. das Bundesarchiv; 3. die Bundeskcmzleikcisse; 4. die Buudes-
bibliothek; S. die Bundesdruckcrei (gehörte der Familie Andrea). Die höchst
stattliche Beamtenschaft des Bundes bestand aus einem Kanzleidirektor, der zu¬
gleich Protokollführer in den Sitzungen war, einem Registrator, einem Kassirer.
zwei Kanzlisten, einem Druckkorrektor und zwei Pedellen. Die Beiträge für diese
Buudeskanzleikasfe betrugen 2000 Gulden als Simplum für jede der siebzehn
Stimmen des engern Rats, also im ganzen 34 000 Gulden im Jahre, gewiß
keine hohe Summe für die gesamten Verwaltungskosten einer angeblichen euro¬
päischen Großmacht.

Eine Bundesmatrikularkasse sollte nur für außerordentliche Fälle, nament¬
lich zur Deckung von Kriegskosten, gebildet werden. Die Beiträge wurden dann
auf Grund einer Matrikel, die auf der Seclenzcchl beruhte, unter alle Stimmen
des Plenums verteilt, das Simplum zu 30 000 Gulden gerechnet. Der Bund
besaß auch einige Vermögensobjekte, die die Staatsrechtslehrer jener guten Zeit
alles Ernstes aufführen, und die Scherzes halber hier eine Stelle finden mögen:
1. die Festungswerke der Bundesfestungen (zu deren Erbauung größtenteils
die im zweiten Pariser Frieden von Frankreich gezählten Kriegskosten verwandt
worden waren); 2. die ehemaligen Reichsarchive, nämlich a) das Archiv des Neichs-
kammergerichts, l,) das Neichsdirektorialarchiv zu Regensburg, o) das reichs¬
kanzlerische Hauptarchiv, seit 1838 in dem ehemaligen Deutschordenshause zu
Frankfurt befindlich, ü) verschiedne Reichskreisarchive. Rühmenswert hervor¬
zuheben ist, daß der Bund niemals Schulden gemacht hat. Eine Anleihe hat
er wenigstens nicht aufgenommen, und das will für ein Staatswesen der Neuzeit
viel sagen. Große Sicherheit konnte er allerdings auch wohl nicht gewähren.

Um diese kurze Besprechung der Bundcseinrichtungen zu vervollständigen,
müssen wir noch einen Blick auf das Buudeskriegswesen werfen, von dem ja
die Sicherheit und Machtstellung Deutschlands wesentlich abhing.

Wie schon oben erwähnt, hat die Militärzentralkommission zu Frankfurt
eine höchst bedeutende Thätigkeit entwickelt, allerdings nur auf dem Papiere.
Darnach stand dem Bunde ein stattliches und ansehnliches Kriegsheer zu Gebote.
Dieses Heer war zusammengesetzt aus den Kontingenten der Bundesglieder und
sollte für das stehende Heer ein Prozent, für die Reserve ein Drittel Prozent der
Bevölkerung betragen, gerechnet nach der Matrikel von 1818, welche auch für
die Matrikularbeiträge maßgebend war. Die wesentlichen Grundbestimmungen für
die Bundeskriegsverfassung waren durch die 24 Artikel des organischen Bundes¬
gesetzes vom 19. April 1821 festgesetzt. Damals berechnete man das Bundesheer
auf 303 484 Man", für jene Zeit eine nicht unerhebliche Zahl, zumal wenn
man bedenkt, daß die Groß- und Mittelstaaten mit ihren Streitkräften, die nicht
Buudeskontingente waren, dahinter standen. Bei der Zunahme der Bevölkerung
erhöhte sich diese Zahl bedeutend; im Jahre 1858 berechnete man das Bundesheer


Der deutsche Bund.

mußten, waren: 1. das Bundestagspalais (gehörte dem Fürsten von Thurn
und Taxis); 2. das Bundesarchiv; 3. die Bundeskcmzleikcisse; 4. die Buudes-
bibliothek; S. die Bundesdruckcrei (gehörte der Familie Andrea). Die höchst
stattliche Beamtenschaft des Bundes bestand aus einem Kanzleidirektor, der zu¬
gleich Protokollführer in den Sitzungen war, einem Registrator, einem Kassirer.
zwei Kanzlisten, einem Druckkorrektor und zwei Pedellen. Die Beiträge für diese
Buudeskanzleikasfe betrugen 2000 Gulden als Simplum für jede der siebzehn
Stimmen des engern Rats, also im ganzen 34 000 Gulden im Jahre, gewiß
keine hohe Summe für die gesamten Verwaltungskosten einer angeblichen euro¬
päischen Großmacht.

Eine Bundesmatrikularkasse sollte nur für außerordentliche Fälle, nament¬
lich zur Deckung von Kriegskosten, gebildet werden. Die Beiträge wurden dann
auf Grund einer Matrikel, die auf der Seclenzcchl beruhte, unter alle Stimmen
des Plenums verteilt, das Simplum zu 30 000 Gulden gerechnet. Der Bund
besaß auch einige Vermögensobjekte, die die Staatsrechtslehrer jener guten Zeit
alles Ernstes aufführen, und die Scherzes halber hier eine Stelle finden mögen:
1. die Festungswerke der Bundesfestungen (zu deren Erbauung größtenteils
die im zweiten Pariser Frieden von Frankreich gezählten Kriegskosten verwandt
worden waren); 2. die ehemaligen Reichsarchive, nämlich a) das Archiv des Neichs-
kammergerichts, l,) das Neichsdirektorialarchiv zu Regensburg, o) das reichs¬
kanzlerische Hauptarchiv, seit 1838 in dem ehemaligen Deutschordenshause zu
Frankfurt befindlich, ü) verschiedne Reichskreisarchive. Rühmenswert hervor¬
zuheben ist, daß der Bund niemals Schulden gemacht hat. Eine Anleihe hat
er wenigstens nicht aufgenommen, und das will für ein Staatswesen der Neuzeit
viel sagen. Große Sicherheit konnte er allerdings auch wohl nicht gewähren.

Um diese kurze Besprechung der Bundcseinrichtungen zu vervollständigen,
müssen wir noch einen Blick auf das Buudeskriegswesen werfen, von dem ja
die Sicherheit und Machtstellung Deutschlands wesentlich abhing.

Wie schon oben erwähnt, hat die Militärzentralkommission zu Frankfurt
eine höchst bedeutende Thätigkeit entwickelt, allerdings nur auf dem Papiere.
Darnach stand dem Bunde ein stattliches und ansehnliches Kriegsheer zu Gebote.
Dieses Heer war zusammengesetzt aus den Kontingenten der Bundesglieder und
sollte für das stehende Heer ein Prozent, für die Reserve ein Drittel Prozent der
Bevölkerung betragen, gerechnet nach der Matrikel von 1818, welche auch für
die Matrikularbeiträge maßgebend war. Die wesentlichen Grundbestimmungen für
die Bundeskriegsverfassung waren durch die 24 Artikel des organischen Bundes¬
gesetzes vom 19. April 1821 festgesetzt. Damals berechnete man das Bundesheer
auf 303 484 Man», für jene Zeit eine nicht unerhebliche Zahl, zumal wenn
man bedenkt, daß die Groß- und Mittelstaaten mit ihren Streitkräften, die nicht
Buudeskontingente waren, dahinter standen. Bei der Zunahme der Bevölkerung
erhöhte sich diese Zahl bedeutend; im Jahre 1858 berechnete man das Bundesheer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/294>, abgerufen am 22.06.2024.