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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

Als richterliche Behörden hatte der Bund das "Austrägalgericht" und das
Bundesschiedsgericht. Ihre Zusammensetzung hat wohl nur für den, der Rechts¬
geschichte studirt, ein größeres Interesse. Ihre Thätigkeit wurde nur selten in
Anspruch genommen, und wenn es einmal der Fall war, so geschah es in der
Regel lediglich, um die verfassungsmäßigen und ständischen Rechte der Unter¬
thanen ihren Herrschern gegenüber von Bundes wegen zu unterdrücken, so in
Hannover, Kurhessen, Mecklenburg, Lippe-Detmold u. s. w.

Zu den Bundesbehörden rechnete man merkwürdigerweise auch die Ober¬
feldherren und Korpskommandanten des Bundesheeres und die Gouverneure und
Kommandanten der Festungen. Das war jedoch rein illusorisch. Einen eigent¬
lichen Bundesfeldherrn hat es nur einmal gegeben, den Prinzen Alexander von
Hessen im Jahre 1866, und zwar erst, nachdem der Bund thatsächlich aufgelöst
war. Denn die Führer der Bundesexekutionstruppen, z. B. in Schleswig-Hol¬
stein, in Kurhessen ?c., waren stets von den Einzelfürsten ernannt und nur
diesen verantwortlich; den Bund vertraten sie nur so nebenbei mit. Die Kom¬
mandanten und Gouverneure der Bundesfestungen ernannten ebenfalls die Einzel-
staaten nach Belieben, worüber später noch etwas Näheres mitgeteilt werden
soll. Wäre das aber auch nicht der Fall gewesen, so würden dennoch jene
Offiziere, falls ihr Landes- und Kriegsherr mit dem Bunde in Gegensatz ge¬
raten wäre, immer dem erstern gehorcht haben.

Die Polizeigewalt des Bundes äußerte sich, abgesehen von den Demagogen¬
verfolgungen, im allgemeinen nur in einer kleinlichen und engherzigen Zensur,
die noch dazu meistens ihren Zweck völlig verfehlte. Man denke nur an das
Verbot der Werke Heines durch den Bund.

Mit der sogenannten Repräsentativgewalt des Bundes sah es ebenfalls
ziemlich kläglich aus. Verschiedne auswärtige Staaten (Belgien, England, Frank¬
reich, Rußland, Sardinien, Schweden, Spanien) hielten zwar bei dem Bunde
stehende Gesandtschaften. Wozu diese Staaten aber hierfür Geld ausgaben, wenn
nicht um zu verhindern, daß der Bund überhaupt einmal etwas Ersprießliches lei¬
stete, ist nicht abzusehen. Der Bund selbst hielt bei auswärtigen Regierungen
keine Gesandtschaften. Nur ein einziges mal war er bei einer Versammlung
der europäischen Mächte förmlich vertreten, nämlich bei den Londoner Kon¬
ferenzen im Jahre 1864, da allerdings durch keinen geringern Mann als den
Herrn von Beust schönrednerischen Angedenkens.

Das Finanzwesen des Bundes erinnerte lebhaft an die Verhältnisse im
alten Reiche. Eigne Einnahmen hatte der Bund nicht, sondern seine bescheidnen
Bedürfnisse wurden durch Beiträge der Einzelstaaten gedeckt, welche man auch,
um den Schein zu wahren, wohl Buudessteuern nannte. Man unterschied dabei
Bundeskanzleibciträge und Bundesmatrikularbeiträge. Die erstern dienten zur
Deckung der Verwaltungskosten und zur Besoldung des Beamtenpersonals des
Bundes. Die Bundesbaulichkeiten und Institute, die davon unterhalten werden


Der deutsche Bund.

Als richterliche Behörden hatte der Bund das „Austrägalgericht" und das
Bundesschiedsgericht. Ihre Zusammensetzung hat wohl nur für den, der Rechts¬
geschichte studirt, ein größeres Interesse. Ihre Thätigkeit wurde nur selten in
Anspruch genommen, und wenn es einmal der Fall war, so geschah es in der
Regel lediglich, um die verfassungsmäßigen und ständischen Rechte der Unter¬
thanen ihren Herrschern gegenüber von Bundes wegen zu unterdrücken, so in
Hannover, Kurhessen, Mecklenburg, Lippe-Detmold u. s. w.

Zu den Bundesbehörden rechnete man merkwürdigerweise auch die Ober¬
feldherren und Korpskommandanten des Bundesheeres und die Gouverneure und
Kommandanten der Festungen. Das war jedoch rein illusorisch. Einen eigent¬
lichen Bundesfeldherrn hat es nur einmal gegeben, den Prinzen Alexander von
Hessen im Jahre 1866, und zwar erst, nachdem der Bund thatsächlich aufgelöst
war. Denn die Führer der Bundesexekutionstruppen, z. B. in Schleswig-Hol¬
stein, in Kurhessen ?c., waren stets von den Einzelfürsten ernannt und nur
diesen verantwortlich; den Bund vertraten sie nur so nebenbei mit. Die Kom¬
mandanten und Gouverneure der Bundesfestungen ernannten ebenfalls die Einzel-
staaten nach Belieben, worüber später noch etwas Näheres mitgeteilt werden
soll. Wäre das aber auch nicht der Fall gewesen, so würden dennoch jene
Offiziere, falls ihr Landes- und Kriegsherr mit dem Bunde in Gegensatz ge¬
raten wäre, immer dem erstern gehorcht haben.

Die Polizeigewalt des Bundes äußerte sich, abgesehen von den Demagogen¬
verfolgungen, im allgemeinen nur in einer kleinlichen und engherzigen Zensur,
die noch dazu meistens ihren Zweck völlig verfehlte. Man denke nur an das
Verbot der Werke Heines durch den Bund.

Mit der sogenannten Repräsentativgewalt des Bundes sah es ebenfalls
ziemlich kläglich aus. Verschiedne auswärtige Staaten (Belgien, England, Frank¬
reich, Rußland, Sardinien, Schweden, Spanien) hielten zwar bei dem Bunde
stehende Gesandtschaften. Wozu diese Staaten aber hierfür Geld ausgaben, wenn
nicht um zu verhindern, daß der Bund überhaupt einmal etwas Ersprießliches lei¬
stete, ist nicht abzusehen. Der Bund selbst hielt bei auswärtigen Regierungen
keine Gesandtschaften. Nur ein einziges mal war er bei einer Versammlung
der europäischen Mächte förmlich vertreten, nämlich bei den Londoner Kon¬
ferenzen im Jahre 1864, da allerdings durch keinen geringern Mann als den
Herrn von Beust schönrednerischen Angedenkens.

Das Finanzwesen des Bundes erinnerte lebhaft an die Verhältnisse im
alten Reiche. Eigne Einnahmen hatte der Bund nicht, sondern seine bescheidnen
Bedürfnisse wurden durch Beiträge der Einzelstaaten gedeckt, welche man auch,
um den Schein zu wahren, wohl Buudessteuern nannte. Man unterschied dabei
Bundeskanzleibciträge und Bundesmatrikularbeiträge. Die erstern dienten zur
Deckung der Verwaltungskosten und zur Besoldung des Beamtenpersonals des
Bundes. Die Bundesbaulichkeiten und Institute, die davon unterhalten werden


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[0293] Der deutsche Bund. Als richterliche Behörden hatte der Bund das „Austrägalgericht" und das Bundesschiedsgericht. Ihre Zusammensetzung hat wohl nur für den, der Rechts¬ geschichte studirt, ein größeres Interesse. Ihre Thätigkeit wurde nur selten in Anspruch genommen, und wenn es einmal der Fall war, so geschah es in der Regel lediglich, um die verfassungsmäßigen und ständischen Rechte der Unter¬ thanen ihren Herrschern gegenüber von Bundes wegen zu unterdrücken, so in Hannover, Kurhessen, Mecklenburg, Lippe-Detmold u. s. w. Zu den Bundesbehörden rechnete man merkwürdigerweise auch die Ober¬ feldherren und Korpskommandanten des Bundesheeres und die Gouverneure und Kommandanten der Festungen. Das war jedoch rein illusorisch. Einen eigent¬ lichen Bundesfeldherrn hat es nur einmal gegeben, den Prinzen Alexander von Hessen im Jahre 1866, und zwar erst, nachdem der Bund thatsächlich aufgelöst war. Denn die Führer der Bundesexekutionstruppen, z. B. in Schleswig-Hol¬ stein, in Kurhessen ?c., waren stets von den Einzelfürsten ernannt und nur diesen verantwortlich; den Bund vertraten sie nur so nebenbei mit. Die Kom¬ mandanten und Gouverneure der Bundesfestungen ernannten ebenfalls die Einzel- staaten nach Belieben, worüber später noch etwas Näheres mitgeteilt werden soll. Wäre das aber auch nicht der Fall gewesen, so würden dennoch jene Offiziere, falls ihr Landes- und Kriegsherr mit dem Bunde in Gegensatz ge¬ raten wäre, immer dem erstern gehorcht haben. Die Polizeigewalt des Bundes äußerte sich, abgesehen von den Demagogen¬ verfolgungen, im allgemeinen nur in einer kleinlichen und engherzigen Zensur, die noch dazu meistens ihren Zweck völlig verfehlte. Man denke nur an das Verbot der Werke Heines durch den Bund. Mit der sogenannten Repräsentativgewalt des Bundes sah es ebenfalls ziemlich kläglich aus. Verschiedne auswärtige Staaten (Belgien, England, Frank¬ reich, Rußland, Sardinien, Schweden, Spanien) hielten zwar bei dem Bunde stehende Gesandtschaften. Wozu diese Staaten aber hierfür Geld ausgaben, wenn nicht um zu verhindern, daß der Bund überhaupt einmal etwas Ersprießliches lei¬ stete, ist nicht abzusehen. Der Bund selbst hielt bei auswärtigen Regierungen keine Gesandtschaften. Nur ein einziges mal war er bei einer Versammlung der europäischen Mächte förmlich vertreten, nämlich bei den Londoner Kon¬ ferenzen im Jahre 1864, da allerdings durch keinen geringern Mann als den Herrn von Beust schönrednerischen Angedenkens. Das Finanzwesen des Bundes erinnerte lebhaft an die Verhältnisse im alten Reiche. Eigne Einnahmen hatte der Bund nicht, sondern seine bescheidnen Bedürfnisse wurden durch Beiträge der Einzelstaaten gedeckt, welche man auch, um den Schein zu wahren, wohl Buudessteuern nannte. Man unterschied dabei Bundeskanzleibciträge und Bundesmatrikularbeiträge. Die erstern dienten zur Deckung der Verwaltungskosten und zur Besoldung des Beamtenpersonals des Bundes. Die Bundesbaulichkeiten und Institute, die davon unterhalten werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/293>, abgerufen am 22.06.2024.