Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst. Baron Stockmar. Dann folgt eine Darstellung des Kampfes, den der liberale Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst. Baron Stockmar. Dann folgt eine Darstellung des Kampfes, den der liberale <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202337"/> <fw type="header" place="top"> Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.</fw><lb/> <p xml:id="ID_877" prev="#ID_876"> Baron Stockmar. Dann folgt eine Darstellung des Kampfes, den der liberale<lb/> Herzog Ernst mit den Konservativen seiner Ländchen bei der Einführung von<lb/> Reformen zu bestehen hatte, und daran schließen sich Betrachtungen über die<lb/> Verfassnngsabsichteu, mit denen Friedrich Wilhelm der Vierte von Preußen in<lb/> den ersten Jahren seiner Regierung umging, wobei ein charakteristischer Brief<lb/> Prinz Alberts an ihn, in welchem er ungestüm aufgefordert wird, den damals<lb/> drohenden Umsturz der hessischen Verfassung zu verhindern und bei sich selbst<lb/> „die bemittelten und intelligenten Teile des Volkes, d. h, das eigentliche Volk,<lb/> durch vertrauensvolle Zulassung zur Teilnahme an der Verwaltung an die<lb/> Negierung zu stellen," da nur so dem Andrange des Radikalismus wirksam zu<lb/> begegnen sei. Weiterhin hören wir: „Die ersten Anregungen des Königs zur<lb/> Erwägung der deutscheu Frage datirten bei meinem Bruder von seinem Aufent¬<lb/> halt mit der Königin in Koburg und Gvthcr im August und September 1845,"<lb/> wo Beratungen über die deutsche Frage stattfanden, denen auch der Großherzog<lb/> von Baden und sämtliche sächsische Herzöge beiwohnten. „Schon 1846 drängte<lb/> Albert den König, endlich die Bahnen der heiligen Allianz zu verlassen und den<lb/> modernen Staatsgedanken Raum zu geben. Allmühlich ging er spezieller in die<lb/> deutschen Verfassungsfragen ein, und endlich schickte er dem Könige das tief-<lb/> eingreifende Memorandum vom 11. September 1847," in welchem er „Aus¬<lb/> bildung volkstümlicher Regierungsformen und Herstellung eines einigen Deutsch¬<lb/> lands" empfahl. „Die Vorschläge der Denkschrift zur Herbeiführung dieser Ziele<lb/> waren sehr gemäßigt und im ganzen durchaus praktisch. Über das Verhältnis<lb/> Österreichs zu einer Bundesverfassung, an deren Spitze Preußen zu stehen hätte<lb/> Kie Hauptsache^, war zwar keine volle Klarheit zu erlangen, da eine radikale<lb/> Ausscheidung der österreichischen Bundesländer noch gefährlich und unthunlich<lb/> erschien, aber der Hauptgedanke des Memorandums, daß es Buudesangelegen-<lb/> hcitcn gebe, welche eine schärfere Einheit der Institutionen verlangen, war im<lb/> Grunde doch derselbe, an welchem alle Politiker in den nächsten Jahren arbei¬<lb/> teten, und welcher für die Entwicklung Deutschlands wirklich maßgebend geworden<lb/> ist." Dieser Gedanke war aber auch keineswegs neu und in dieser Allgemeinheit<lb/> und Unbestimmtheit so wenig brauchbar, daß dem Prinzen daraus nicht das<lb/> Verdienst gemacht zu werden braucht, das ihm hier beigelegt wird. Immerhin<lb/> wird man seinen guten Willen und seine Rührigkeit in der Sache anerkennen<lb/> dürfen, obwohl er beim Könige damit nichts erreichte. Dieser „dachte nicht<lb/> anders, als daß er es dahin bringen müßte, die Reform des deutschen Bundes<lb/> gleichsam im Auftrage des österreichische,: Kaisers auszuführen. Ja er gefiel<lb/> sich sogar in der Redensart: »Ich bin nur dazu da, dem Kaiser von Österreich<lb/> den Steigbügel zu halten.« Wer aber die österreichischen Zustände kannte,<lb/> mußte sich sagen, daß für jede Nachgiebigkeit und Bereitwilligkeit in Betreff der<lb/> deutschen Bundesreform in jenem Staate nicht nur das Wollen, sondern auch<lb/> die Möglichkeit fehlte," was dann ausführlich dargethan wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst.
Baron Stockmar. Dann folgt eine Darstellung des Kampfes, den der liberale
Herzog Ernst mit den Konservativen seiner Ländchen bei der Einführung von
Reformen zu bestehen hatte, und daran schließen sich Betrachtungen über die
Verfassnngsabsichteu, mit denen Friedrich Wilhelm der Vierte von Preußen in
den ersten Jahren seiner Regierung umging, wobei ein charakteristischer Brief
Prinz Alberts an ihn, in welchem er ungestüm aufgefordert wird, den damals
drohenden Umsturz der hessischen Verfassung zu verhindern und bei sich selbst
„die bemittelten und intelligenten Teile des Volkes, d. h, das eigentliche Volk,
durch vertrauensvolle Zulassung zur Teilnahme an der Verwaltung an die
Negierung zu stellen," da nur so dem Andrange des Radikalismus wirksam zu
begegnen sei. Weiterhin hören wir: „Die ersten Anregungen des Königs zur
Erwägung der deutscheu Frage datirten bei meinem Bruder von seinem Aufent¬
halt mit der Königin in Koburg und Gvthcr im August und September 1845,"
wo Beratungen über die deutsche Frage stattfanden, denen auch der Großherzog
von Baden und sämtliche sächsische Herzöge beiwohnten. „Schon 1846 drängte
Albert den König, endlich die Bahnen der heiligen Allianz zu verlassen und den
modernen Staatsgedanken Raum zu geben. Allmühlich ging er spezieller in die
deutschen Verfassungsfragen ein, und endlich schickte er dem Könige das tief-
eingreifende Memorandum vom 11. September 1847," in welchem er „Aus¬
bildung volkstümlicher Regierungsformen und Herstellung eines einigen Deutsch¬
lands" empfahl. „Die Vorschläge der Denkschrift zur Herbeiführung dieser Ziele
waren sehr gemäßigt und im ganzen durchaus praktisch. Über das Verhältnis
Österreichs zu einer Bundesverfassung, an deren Spitze Preußen zu stehen hätte
Kie Hauptsache^, war zwar keine volle Klarheit zu erlangen, da eine radikale
Ausscheidung der österreichischen Bundesländer noch gefährlich und unthunlich
erschien, aber der Hauptgedanke des Memorandums, daß es Buudesangelegen-
hcitcn gebe, welche eine schärfere Einheit der Institutionen verlangen, war im
Grunde doch derselbe, an welchem alle Politiker in den nächsten Jahren arbei¬
teten, und welcher für die Entwicklung Deutschlands wirklich maßgebend geworden
ist." Dieser Gedanke war aber auch keineswegs neu und in dieser Allgemeinheit
und Unbestimmtheit so wenig brauchbar, daß dem Prinzen daraus nicht das
Verdienst gemacht zu werden braucht, das ihm hier beigelegt wird. Immerhin
wird man seinen guten Willen und seine Rührigkeit in der Sache anerkennen
dürfen, obwohl er beim Könige damit nichts erreichte. Dieser „dachte nicht
anders, als daß er es dahin bringen müßte, die Reform des deutschen Bundes
gleichsam im Auftrage des österreichische,: Kaisers auszuführen. Ja er gefiel
sich sogar in der Redensart: »Ich bin nur dazu da, dem Kaiser von Österreich
den Steigbügel zu halten.« Wer aber die österreichischen Zustände kannte,
mußte sich sagen, daß für jede Nachgiebigkeit und Bereitwilligkeit in Betreff der
deutschen Bundesreform in jenem Staate nicht nur das Wollen, sondern auch
die Möglichkeit fehlte," was dann ausführlich dargethan wird.
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