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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Trust.

Stellung zum Liberalismus giebt sich fast auf jedem Bogen als erstes Herzens¬
bedürfnis kund. Ja an einigen Stellen möchte man beinahe zweifeln, daß er
seine Leistungen wirklich für bescheiden halte. S. 13 berichtet er: "Es war in
Versailles, wo die an jenem Tage versammelten Fürsten unmittelbar vor dem
Beginn der weltberühmten Feierlichkeit öder Kaiserproklamation^ sich um den
Kaiser versammelt hatten. Als er mich begrüßte, sprach er öffentlich die fol¬
genden Worte: "Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages
deinen Bestrebungen mit zu danken habe." Er bezeichnete damit die Thatsache,
daß das Einheitsrvcrk nie gelungen wäre, wenn nicht eine Anzahl von ge-
sinnungstreuen Männern durch ein halbes Leben die Bausteine zusammengetragen
Hütte." Wir bezweifeln, daß der Kaiser das habe sagen wollen, denn die
"Volkspolitik" dieser "gesinnungstreuen Männer," die Politik der Turner-,
Schützen- und Süngerfcste und des Nativnalvereins hatte nur mit luftigen
Bausteinen hantirt, sich völlig ohnmächtig gezeigt und sich zuletzt in der
Schleswig-holsteinischen Sache geradezu blamirt, als das Einiguugswerk von
andern Händen im Ernste begonnen wurde.

Aber genug von diesem Thema. Gleichviel, wie hoch der Verfasser den
Wert und Erfolg seiner Bemühungen um den nationalen Fortschritt anschlägt,
seine Schrift enthält reichlich bedeutsame Beiträge zum Verständnisse der neuesten
deutschen Geschichte, sowie mancherlei neue Züge von Persönlichkeiten, die darin
mittelbar oder unmittelbar mitwirkten. Der Herzog hat sich mit seiner Arbeit
Mühe gegeben, und es stand ihm dabei in seiner Eigenschaft als Fürst und
Mitglied einer vielfach einflußreichen Familie auch eine Fülle persönlicher Er¬
innerungen sowie eine reiche Korrespondenz aus hoher Sphäre zu Gebote. Des¬
gleichen dienten ihm für seine persönlichen Erlebnisse seine Tagebücher als zu¬
verlässiger Leitfaden. Wir können natürlich von dem, was er ans Grund dieses
Materials im ersten Bande -- beiläufig nicht immer glücklich und namentlich
mit vielen Wiederholungen -- zusammengestellt hat, nicht alles berücksichtigen,
sondern nur die Partien, welche uns als besonders interessant erscheinen, und
auch davon nur eine Auswahl.

Das erste Buch, "Jugendjahre," übergehen wir. Wir bemerken nur, daß es
in den: Kapitel über das Haus Koburg in England und Portugal beachtenswerte
Stellen über den Gemahl der Königin Viktoria und über den der Königin
Donna Maria, sowie über diese selbst enthält, und einen Brief des Königs
Leopold von Belgien bringt, der, vom 1ö. September 1840 datirr, dem Fürsten
Metternich auseinandersetzt, daß Ludwig Philipp nicht ernstlich an Krieg denke,
und ihm Ratschläge für einen diplomatischen Ausgleich erteilt, die dann befolgt
wurden. Das zweite Buch, "Vor der Revolution," beschäftigt sich u. a. aus¬
führlich mit dem diplomatischen Kampfe der Thüringer Durchlauchten von 1844
um den Titel "Hoheit," dessen sie sich seitdem erfreuen, und bringt eine Cha¬
rakteristik des Prinzen Albert und des bekannten Familienrates der Koburger,


Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Trust.

Stellung zum Liberalismus giebt sich fast auf jedem Bogen als erstes Herzens¬
bedürfnis kund. Ja an einigen Stellen möchte man beinahe zweifeln, daß er
seine Leistungen wirklich für bescheiden halte. S. 13 berichtet er: „Es war in
Versailles, wo die an jenem Tage versammelten Fürsten unmittelbar vor dem
Beginn der weltberühmten Feierlichkeit öder Kaiserproklamation^ sich um den
Kaiser versammelt hatten. Als er mich begrüßte, sprach er öffentlich die fol¬
genden Worte: »Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages
deinen Bestrebungen mit zu danken habe.« Er bezeichnete damit die Thatsache,
daß das Einheitsrvcrk nie gelungen wäre, wenn nicht eine Anzahl von ge-
sinnungstreuen Männern durch ein halbes Leben die Bausteine zusammengetragen
Hütte." Wir bezweifeln, daß der Kaiser das habe sagen wollen, denn die
„Volkspolitik" dieser „gesinnungstreuen Männer," die Politik der Turner-,
Schützen- und Süngerfcste und des Nativnalvereins hatte nur mit luftigen
Bausteinen hantirt, sich völlig ohnmächtig gezeigt und sich zuletzt in der
Schleswig-holsteinischen Sache geradezu blamirt, als das Einiguugswerk von
andern Händen im Ernste begonnen wurde.

Aber genug von diesem Thema. Gleichviel, wie hoch der Verfasser den
Wert und Erfolg seiner Bemühungen um den nationalen Fortschritt anschlägt,
seine Schrift enthält reichlich bedeutsame Beiträge zum Verständnisse der neuesten
deutschen Geschichte, sowie mancherlei neue Züge von Persönlichkeiten, die darin
mittelbar oder unmittelbar mitwirkten. Der Herzog hat sich mit seiner Arbeit
Mühe gegeben, und es stand ihm dabei in seiner Eigenschaft als Fürst und
Mitglied einer vielfach einflußreichen Familie auch eine Fülle persönlicher Er¬
innerungen sowie eine reiche Korrespondenz aus hoher Sphäre zu Gebote. Des¬
gleichen dienten ihm für seine persönlichen Erlebnisse seine Tagebücher als zu¬
verlässiger Leitfaden. Wir können natürlich von dem, was er ans Grund dieses
Materials im ersten Bande — beiläufig nicht immer glücklich und namentlich
mit vielen Wiederholungen — zusammengestellt hat, nicht alles berücksichtigen,
sondern nur die Partien, welche uns als besonders interessant erscheinen, und
auch davon nur eine Auswahl.

Das erste Buch, „Jugendjahre," übergehen wir. Wir bemerken nur, daß es
in den: Kapitel über das Haus Koburg in England und Portugal beachtenswerte
Stellen über den Gemahl der Königin Viktoria und über den der Königin
Donna Maria, sowie über diese selbst enthält, und einen Brief des Königs
Leopold von Belgien bringt, der, vom 1ö. September 1840 datirr, dem Fürsten
Metternich auseinandersetzt, daß Ludwig Philipp nicht ernstlich an Krieg denke,
und ihm Ratschläge für einen diplomatischen Ausgleich erteilt, die dann befolgt
wurden. Das zweite Buch, „Vor der Revolution," beschäftigt sich u. a. aus¬
führlich mit dem diplomatischen Kampfe der Thüringer Durchlauchten von 1844
um den Titel „Hoheit," dessen sie sich seitdem erfreuen, und bringt eine Cha¬
rakteristik des Prinzen Albert und des bekannten Familienrates der Koburger,


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[0237] Die Denkwürdigkeiten dos Herzogs Trust. Stellung zum Liberalismus giebt sich fast auf jedem Bogen als erstes Herzens¬ bedürfnis kund. Ja an einigen Stellen möchte man beinahe zweifeln, daß er seine Leistungen wirklich für bescheiden halte. S. 13 berichtet er: „Es war in Versailles, wo die an jenem Tage versammelten Fürsten unmittelbar vor dem Beginn der weltberühmten Feierlichkeit öder Kaiserproklamation^ sich um den Kaiser versammelt hatten. Als er mich begrüßte, sprach er öffentlich die fol¬ genden Worte: »Ich vergesse nicht, daß ich die Hauptsache des heutigen Tages deinen Bestrebungen mit zu danken habe.« Er bezeichnete damit die Thatsache, daß das Einheitsrvcrk nie gelungen wäre, wenn nicht eine Anzahl von ge- sinnungstreuen Männern durch ein halbes Leben die Bausteine zusammengetragen Hütte." Wir bezweifeln, daß der Kaiser das habe sagen wollen, denn die „Volkspolitik" dieser „gesinnungstreuen Männer," die Politik der Turner-, Schützen- und Süngerfcste und des Nativnalvereins hatte nur mit luftigen Bausteinen hantirt, sich völlig ohnmächtig gezeigt und sich zuletzt in der Schleswig-holsteinischen Sache geradezu blamirt, als das Einiguugswerk von andern Händen im Ernste begonnen wurde. Aber genug von diesem Thema. Gleichviel, wie hoch der Verfasser den Wert und Erfolg seiner Bemühungen um den nationalen Fortschritt anschlägt, seine Schrift enthält reichlich bedeutsame Beiträge zum Verständnisse der neuesten deutschen Geschichte, sowie mancherlei neue Züge von Persönlichkeiten, die darin mittelbar oder unmittelbar mitwirkten. Der Herzog hat sich mit seiner Arbeit Mühe gegeben, und es stand ihm dabei in seiner Eigenschaft als Fürst und Mitglied einer vielfach einflußreichen Familie auch eine Fülle persönlicher Er¬ innerungen sowie eine reiche Korrespondenz aus hoher Sphäre zu Gebote. Des¬ gleichen dienten ihm für seine persönlichen Erlebnisse seine Tagebücher als zu¬ verlässiger Leitfaden. Wir können natürlich von dem, was er ans Grund dieses Materials im ersten Bande — beiläufig nicht immer glücklich und namentlich mit vielen Wiederholungen — zusammengestellt hat, nicht alles berücksichtigen, sondern nur die Partien, welche uns als besonders interessant erscheinen, und auch davon nur eine Auswahl. Das erste Buch, „Jugendjahre," übergehen wir. Wir bemerken nur, daß es in den: Kapitel über das Haus Koburg in England und Portugal beachtenswerte Stellen über den Gemahl der Königin Viktoria und über den der Königin Donna Maria, sowie über diese selbst enthält, und einen Brief des Königs Leopold von Belgien bringt, der, vom 1ö. September 1840 datirr, dem Fürsten Metternich auseinandersetzt, daß Ludwig Philipp nicht ernstlich an Krieg denke, und ihm Ratschläge für einen diplomatischen Ausgleich erteilt, die dann befolgt wurden. Das zweite Buch, „Vor der Revolution," beschäftigt sich u. a. aus¬ führlich mit dem diplomatischen Kampfe der Thüringer Durchlauchten von 1844 um den Titel „Hoheit," dessen sie sich seitdem erfreuen, und bringt eine Cha¬ rakteristik des Prinzen Albert und des bekannten Familienrates der Koburger,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/237>, abgerufen am 27.06.2024.