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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Walde.

fortzusetzen. Der Paß von Iburg blieb den Römern nach wie vor verschlossen.
Ein Rückzug nach Osten oder nach Norden war eine Unmöglichkeit. Auch ein
Angriff auf die Bergkette im Süden mußte angesichts der Verhältnisse auf¬
gegeben werden. Dieses Gebirge, welches sich in jener Gegend unter dem
Namen des "langen Berges" wie ein ununterbrochener Wall weiterzieht, ist zu
steil und hoch, als daß es hätte erstürmt werden können. Was hätte man
auch bei einem solchen Angriff mit den Gepäckwagen anfangen sollen? Zudem
führte vermutlich damals schon, wie jetzt, auf dem Kamme des Gebirges ein
Weg hin, auf dem sich die Deutschen rasch und bequem hin- und herbewegen
konnten, sodaß sie in der Lage waren, auf allen bedrohten Punkten mit der
nötigen Mannschaft zu erscheinen. Auch ist anzunehmen, daß die Mutlosigkeit
im römischen Heere allmählich immer größer wurde, und wenn man bereits
am Tage vorher es nicht gewagt hatte, sich gegen die Angriffe der Deutschen
zu wehren, so mußte nunmehr ein Sturm auf die Berge oder Anhöhen, die
vom Feinde besetzt waren > bereits völlig außerhalb der Kombination liegen.
Darum ist auch nicht anzunehmen, daß man, was übrigens für den ersten
Abschnitt des Weges westlich von Iburg durch die Bodenverhältnisse ohnehin
ausgeschlossen gewesen wäre, sich in der Nähe des langen Berges gehalten
habe, um zu versuchen, ob man vielleicht den nächsten Paß, ob man vielleicht
das Gebirgsthor bei Tecklenburg gewinnen könnte. Die Verhältnisse mußten
stets dieselben wie bei Iburg bleiben.

Bei dieser Sachlage kam es für die Römer nur noch darauf an, sich mög¬
lichst weit von den Bergen entfernt zu halten, die im Norden und Süden die
Landschaft begrenzen, damit man von diesen aus so wenig als möglich be¬
unruhigt würde. Der Weg führte also über den Uhrberg und die Hülf-Egge,
mochte nun das Lager aufgeschlagen sein, ehe man auf diese letztern Höhen ge¬
langte oder nachdem man sie hinter sich hatte. Setzte man sodann diesen
Marsch in gleicher Richtung fort, so mußte man allmählich aus dem Gebirgs-
lande herauskommen, und wurde man von den Feinden nicht allzusehr aufge¬
halten, so konnte man allenfalls in einem Marschtage Jbbenbüren erreichen.
Von da bis Rheine hatte man kaum noch drei Meilen. Dann war man in
Sicherheit, weil der weitere Weg nur noch durch befreundetes Gebiet führte.
Richtete man nach dieser Gegend seinen Marsch, so ließ man freilich das ursprüng¬
liche Ziel des Zuges, die Unterdrückung des Bruktereraufstandes, vollständig
fallen; aber die Lage, in die man durch den unerwarteten Kampf im Teuto¬
burger Walde geraten war, erforderte notwendigerweise eine solche Änderung
der ursprünglichen Absichten. Denn wenn man von allen Seiten durch die
Deutschen angegriffen war, so konnte von einem Angriffszuge gegen die Brukterer
selbstverständlich keine Rede mehr sein. Man war vielmehr lediglich nur noch
darauf angewiesen, für seine eigne Sicherheit zu sorgen und einen solchen Ort
aufzusuchen, wo man geborgen war.


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

fortzusetzen. Der Paß von Iburg blieb den Römern nach wie vor verschlossen.
Ein Rückzug nach Osten oder nach Norden war eine Unmöglichkeit. Auch ein
Angriff auf die Bergkette im Süden mußte angesichts der Verhältnisse auf¬
gegeben werden. Dieses Gebirge, welches sich in jener Gegend unter dem
Namen des „langen Berges" wie ein ununterbrochener Wall weiterzieht, ist zu
steil und hoch, als daß es hätte erstürmt werden können. Was hätte man
auch bei einem solchen Angriff mit den Gepäckwagen anfangen sollen? Zudem
führte vermutlich damals schon, wie jetzt, auf dem Kamme des Gebirges ein
Weg hin, auf dem sich die Deutschen rasch und bequem hin- und herbewegen
konnten, sodaß sie in der Lage waren, auf allen bedrohten Punkten mit der
nötigen Mannschaft zu erscheinen. Auch ist anzunehmen, daß die Mutlosigkeit
im römischen Heere allmählich immer größer wurde, und wenn man bereits
am Tage vorher es nicht gewagt hatte, sich gegen die Angriffe der Deutschen
zu wehren, so mußte nunmehr ein Sturm auf die Berge oder Anhöhen, die
vom Feinde besetzt waren > bereits völlig außerhalb der Kombination liegen.
Darum ist auch nicht anzunehmen, daß man, was übrigens für den ersten
Abschnitt des Weges westlich von Iburg durch die Bodenverhältnisse ohnehin
ausgeschlossen gewesen wäre, sich in der Nähe des langen Berges gehalten
habe, um zu versuchen, ob man vielleicht den nächsten Paß, ob man vielleicht
das Gebirgsthor bei Tecklenburg gewinnen könnte. Die Verhältnisse mußten
stets dieselben wie bei Iburg bleiben.

Bei dieser Sachlage kam es für die Römer nur noch darauf an, sich mög¬
lichst weit von den Bergen entfernt zu halten, die im Norden und Süden die
Landschaft begrenzen, damit man von diesen aus so wenig als möglich be¬
unruhigt würde. Der Weg führte also über den Uhrberg und die Hülf-Egge,
mochte nun das Lager aufgeschlagen sein, ehe man auf diese letztern Höhen ge¬
langte oder nachdem man sie hinter sich hatte. Setzte man sodann diesen
Marsch in gleicher Richtung fort, so mußte man allmählich aus dem Gebirgs-
lande herauskommen, und wurde man von den Feinden nicht allzusehr aufge¬
halten, so konnte man allenfalls in einem Marschtage Jbbenbüren erreichen.
Von da bis Rheine hatte man kaum noch drei Meilen. Dann war man in
Sicherheit, weil der weitere Weg nur noch durch befreundetes Gebiet führte.
Richtete man nach dieser Gegend seinen Marsch, so ließ man freilich das ursprüng¬
liche Ziel des Zuges, die Unterdrückung des Bruktereraufstandes, vollständig
fallen; aber die Lage, in die man durch den unerwarteten Kampf im Teuto¬
burger Walde geraten war, erforderte notwendigerweise eine solche Änderung
der ursprünglichen Absichten. Denn wenn man von allen Seiten durch die
Deutschen angegriffen war, so konnte von einem Angriffszuge gegen die Brukterer
selbstverständlich keine Rede mehr sein. Man war vielmehr lediglich nur noch
darauf angewiesen, für seine eigne Sicherheit zu sorgen und einen solchen Ort
aufzusuchen, wo man geborgen war.


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[0626] Die Schlacht im Teutoburger Walde. fortzusetzen. Der Paß von Iburg blieb den Römern nach wie vor verschlossen. Ein Rückzug nach Osten oder nach Norden war eine Unmöglichkeit. Auch ein Angriff auf die Bergkette im Süden mußte angesichts der Verhältnisse auf¬ gegeben werden. Dieses Gebirge, welches sich in jener Gegend unter dem Namen des „langen Berges" wie ein ununterbrochener Wall weiterzieht, ist zu steil und hoch, als daß es hätte erstürmt werden können. Was hätte man auch bei einem solchen Angriff mit den Gepäckwagen anfangen sollen? Zudem führte vermutlich damals schon, wie jetzt, auf dem Kamme des Gebirges ein Weg hin, auf dem sich die Deutschen rasch und bequem hin- und herbewegen konnten, sodaß sie in der Lage waren, auf allen bedrohten Punkten mit der nötigen Mannschaft zu erscheinen. Auch ist anzunehmen, daß die Mutlosigkeit im römischen Heere allmählich immer größer wurde, und wenn man bereits am Tage vorher es nicht gewagt hatte, sich gegen die Angriffe der Deutschen zu wehren, so mußte nunmehr ein Sturm auf die Berge oder Anhöhen, die vom Feinde besetzt waren > bereits völlig außerhalb der Kombination liegen. Darum ist auch nicht anzunehmen, daß man, was übrigens für den ersten Abschnitt des Weges westlich von Iburg durch die Bodenverhältnisse ohnehin ausgeschlossen gewesen wäre, sich in der Nähe des langen Berges gehalten habe, um zu versuchen, ob man vielleicht den nächsten Paß, ob man vielleicht das Gebirgsthor bei Tecklenburg gewinnen könnte. Die Verhältnisse mußten stets dieselben wie bei Iburg bleiben. Bei dieser Sachlage kam es für die Römer nur noch darauf an, sich mög¬ lichst weit von den Bergen entfernt zu halten, die im Norden und Süden die Landschaft begrenzen, damit man von diesen aus so wenig als möglich be¬ unruhigt würde. Der Weg führte also über den Uhrberg und die Hülf-Egge, mochte nun das Lager aufgeschlagen sein, ehe man auf diese letztern Höhen ge¬ langte oder nachdem man sie hinter sich hatte. Setzte man sodann diesen Marsch in gleicher Richtung fort, so mußte man allmählich aus dem Gebirgs- lande herauskommen, und wurde man von den Feinden nicht allzusehr aufge¬ halten, so konnte man allenfalls in einem Marschtage Jbbenbüren erreichen. Von da bis Rheine hatte man kaum noch drei Meilen. Dann war man in Sicherheit, weil der weitere Weg nur noch durch befreundetes Gebiet führte. Richtete man nach dieser Gegend seinen Marsch, so ließ man freilich das ursprüng¬ liche Ziel des Zuges, die Unterdrückung des Bruktereraufstandes, vollständig fallen; aber die Lage, in die man durch den unerwarteten Kampf im Teuto¬ burger Walde geraten war, erforderte notwendigerweise eine solche Änderung der ursprünglichen Absichten. Denn wenn man von allen Seiten durch die Deutschen angegriffen war, so konnte von einem Angriffszuge gegen die Brukterer selbstverständlich keine Rede mehr sein. Man war vielmehr lediglich nur noch darauf angewiesen, für seine eigne Sicherheit zu sorgen und einen solchen Ort aufzusuchen, wo man geborgen war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/626>, abgerufen am 17.09.2024.