Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Indem also von jetzt an Rheine als das Marschziel galt, brach das
römische Heer am Morgen des zweiten Schlachttages in der angegebenen Rich¬
tung auf, ohne damit indessen von der bisher eingehaltenen Marschlinie irgend¬
wie abzuweichen. Um durch den Troß nicht zu sehr belästigt zu werden, hatte
man den größten Teil der Lastwagen und des sonstigen Gepäcks verbrannt oder,
vielleicht in der Hoffnung, daß die Feinde sich mit der Plünderung desselben
aufhalten würden, liegen lassen. Auch waren die Bodenverhältnisse auf der
Strecke westlich von dem Jburger Passe für den Marsch entschieden günstiger
als auf dem bisherigen Raume, weil die Gebirgswände im Süden und Norden
der Landschaft sich hier weiter von einander entfernten. Man konnte deswegen
am folgenden Tage in größerer Ordnung weiterziehen und gelangte somit wieder
auf offenes Feld. Wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, daß die Gegend von
Hagen und westlich von diesem Orte, die sich durch ihre günstigen Boden¬
verhältnisse auszeichnet, bereits damals angebaut war. Diese offene Gegend
konnte in etwa einer halben Stunde erreicht werden, wenn das erste Lager der
Römer sich hinter der Hülf-Egge befand. War dasselbe dagegen noch in der
Nähe von Iburg aufgeschlagen, so betrug die Entfernung bis dahin wenigstens
anderthalb Stunden. Gleichwohl war die Lage auch auf dieser Strecke des Weges
keinenfalls beneidenswert. Die Höhen, auf denen das römische Heer von Iburg
aus hatte weiterziehen können, mußten etwa eine Viertelmeile südöstlich von Hagen
wieder verlassen werden, weil die in derselben Richtung wie die Hülf-Egge
sich von neuem erhebenden Gebirgszüge für ein Heer unzugänglich sind. Man
mußte also von jetzt an im Thale weiterziehen. Auf diese Weise aber
hatten die Feinde wieder Gelegenheit, sich den Römern zu nähern, und es er¬
neuten sich denn auch sofort wieder die Angriffe. Unter blutigen Kämpfen ge¬
langte man so bis in die Gegend zwischen Natrup und Leeden, wo man sich
genötigt sah, nach einem Marsche von 1^ bis 2 Meilen, je nachdem man das
letzte Nachtlager weiter westlich oder östlich ansetzte, Halt zu machen und den
Truppen einige Zeit zur Erholung zu gewähren, was umso nötiger war, als
demnächst die örtlichen Verhältnisse allem Anscheine nach wieder größere Schwierig¬
keiten boten und die Ansammlung weiterer feindlicher Truppenmassen darauf hin¬
deutete, daß ein neuer heftiger Kampf bevorstehe.

Angesichts der fortwährenden Angriffe, denen man durch die Feinde aus¬
gesetzt war, erschien es nötig, den Lagerplatz mit Wall und Graben zu versehen.
Gleichwohl ließ sich das Schicksal nicht mehr lange aufhalten; nur eine kurze
Ruhe war gestattet, und bereits mußten die Pläne für den weiteren Rückzug
entworfen werden.

Von dem Lager aus war man imstande, das nächste Terrain zu übersehen.
Man hatte vor sich zur linken Seite ein langgestrecktes, steiles Gebirge, das
sich unter dem Namen des Leedener Berges bis hinter Tecklenburg in bedeu¬
tender Höhe hinzieht. Es ist nur an zwei Stellen, einmal da, wo die Eisen-


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Indem also von jetzt an Rheine als das Marschziel galt, brach das
römische Heer am Morgen des zweiten Schlachttages in der angegebenen Rich¬
tung auf, ohne damit indessen von der bisher eingehaltenen Marschlinie irgend¬
wie abzuweichen. Um durch den Troß nicht zu sehr belästigt zu werden, hatte
man den größten Teil der Lastwagen und des sonstigen Gepäcks verbrannt oder,
vielleicht in der Hoffnung, daß die Feinde sich mit der Plünderung desselben
aufhalten würden, liegen lassen. Auch waren die Bodenverhältnisse auf der
Strecke westlich von dem Jburger Passe für den Marsch entschieden günstiger
als auf dem bisherigen Raume, weil die Gebirgswände im Süden und Norden
der Landschaft sich hier weiter von einander entfernten. Man konnte deswegen
am folgenden Tage in größerer Ordnung weiterziehen und gelangte somit wieder
auf offenes Feld. Wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, daß die Gegend von
Hagen und westlich von diesem Orte, die sich durch ihre günstigen Boden¬
verhältnisse auszeichnet, bereits damals angebaut war. Diese offene Gegend
konnte in etwa einer halben Stunde erreicht werden, wenn das erste Lager der
Römer sich hinter der Hülf-Egge befand. War dasselbe dagegen noch in der
Nähe von Iburg aufgeschlagen, so betrug die Entfernung bis dahin wenigstens
anderthalb Stunden. Gleichwohl war die Lage auch auf dieser Strecke des Weges
keinenfalls beneidenswert. Die Höhen, auf denen das römische Heer von Iburg
aus hatte weiterziehen können, mußten etwa eine Viertelmeile südöstlich von Hagen
wieder verlassen werden, weil die in derselben Richtung wie die Hülf-Egge
sich von neuem erhebenden Gebirgszüge für ein Heer unzugänglich sind. Man
mußte also von jetzt an im Thale weiterziehen. Auf diese Weise aber
hatten die Feinde wieder Gelegenheit, sich den Römern zu nähern, und es er¬
neuten sich denn auch sofort wieder die Angriffe. Unter blutigen Kämpfen ge¬
langte man so bis in die Gegend zwischen Natrup und Leeden, wo man sich
genötigt sah, nach einem Marsche von 1^ bis 2 Meilen, je nachdem man das
letzte Nachtlager weiter westlich oder östlich ansetzte, Halt zu machen und den
Truppen einige Zeit zur Erholung zu gewähren, was umso nötiger war, als
demnächst die örtlichen Verhältnisse allem Anscheine nach wieder größere Schwierig¬
keiten boten und die Ansammlung weiterer feindlicher Truppenmassen darauf hin¬
deutete, daß ein neuer heftiger Kampf bevorstehe.

Angesichts der fortwährenden Angriffe, denen man durch die Feinde aus¬
gesetzt war, erschien es nötig, den Lagerplatz mit Wall und Graben zu versehen.
Gleichwohl ließ sich das Schicksal nicht mehr lange aufhalten; nur eine kurze
Ruhe war gestattet, und bereits mußten die Pläne für den weiteren Rückzug
entworfen werden.

Von dem Lager aus war man imstande, das nächste Terrain zu übersehen.
Man hatte vor sich zur linken Seite ein langgestrecktes, steiles Gebirge, das
sich unter dem Namen des Leedener Berges bis hinter Tecklenburg in bedeu¬
tender Höhe hinzieht. Es ist nur an zwei Stellen, einmal da, wo die Eisen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0627" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289080"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Schlacht im Teutoburger Walde.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1788"> Indem also von jetzt an Rheine als das Marschziel galt, brach das<lb/>
römische Heer am Morgen des zweiten Schlachttages in der angegebenen Rich¬<lb/>
tung auf, ohne damit indessen von der bisher eingehaltenen Marschlinie irgend¬<lb/>
wie abzuweichen. Um durch den Troß nicht zu sehr belästigt zu werden, hatte<lb/>
man den größten Teil der Lastwagen und des sonstigen Gepäcks verbrannt oder,<lb/>
vielleicht in der Hoffnung, daß die Feinde sich mit der Plünderung desselben<lb/>
aufhalten würden, liegen lassen. Auch waren die Bodenverhältnisse auf der<lb/>
Strecke westlich von dem Jburger Passe für den Marsch entschieden günstiger<lb/>
als auf dem bisherigen Raume, weil die Gebirgswände im Süden und Norden<lb/>
der Landschaft sich hier weiter von einander entfernten. Man konnte deswegen<lb/>
am folgenden Tage in größerer Ordnung weiterziehen und gelangte somit wieder<lb/>
auf offenes Feld. Wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, daß die Gegend von<lb/>
Hagen und westlich von diesem Orte, die sich durch ihre günstigen Boden¬<lb/>
verhältnisse auszeichnet, bereits damals angebaut war. Diese offene Gegend<lb/>
konnte in etwa einer halben Stunde erreicht werden, wenn das erste Lager der<lb/>
Römer sich hinter der Hülf-Egge befand. War dasselbe dagegen noch in der<lb/>
Nähe von Iburg aufgeschlagen, so betrug die Entfernung bis dahin wenigstens<lb/>
anderthalb Stunden. Gleichwohl war die Lage auch auf dieser Strecke des Weges<lb/>
keinenfalls beneidenswert. Die Höhen, auf denen das römische Heer von Iburg<lb/>
aus hatte weiterziehen können, mußten etwa eine Viertelmeile südöstlich von Hagen<lb/>
wieder verlassen werden, weil die in derselben Richtung wie die Hülf-Egge<lb/>
sich von neuem erhebenden Gebirgszüge für ein Heer unzugänglich sind. Man<lb/>
mußte also von jetzt an im Thale weiterziehen. Auf diese Weise aber<lb/>
hatten die Feinde wieder Gelegenheit, sich den Römern zu nähern, und es er¬<lb/>
neuten sich denn auch sofort wieder die Angriffe. Unter blutigen Kämpfen ge¬<lb/>
langte man so bis in die Gegend zwischen Natrup und Leeden, wo man sich<lb/>
genötigt sah, nach einem Marsche von 1^ bis 2 Meilen, je nachdem man das<lb/>
letzte Nachtlager weiter westlich oder östlich ansetzte, Halt zu machen und den<lb/>
Truppen einige Zeit zur Erholung zu gewähren, was umso nötiger war, als<lb/>
demnächst die örtlichen Verhältnisse allem Anscheine nach wieder größere Schwierig¬<lb/>
keiten boten und die Ansammlung weiterer feindlicher Truppenmassen darauf hin¬<lb/>
deutete, daß ein neuer heftiger Kampf bevorstehe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1789"> Angesichts der fortwährenden Angriffe, denen man durch die Feinde aus¬<lb/>
gesetzt war, erschien es nötig, den Lagerplatz mit Wall und Graben zu versehen.<lb/>
Gleichwohl ließ sich das Schicksal nicht mehr lange aufhalten; nur eine kurze<lb/>
Ruhe war gestattet, und bereits mußten die Pläne für den weiteren Rückzug<lb/>
entworfen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1790" next="#ID_1791"> Von dem Lager aus war man imstande, das nächste Terrain zu übersehen.<lb/>
Man hatte vor sich zur linken Seite ein langgestrecktes, steiles Gebirge, das<lb/>
sich unter dem Namen des Leedener Berges bis hinter Tecklenburg in bedeu¬<lb/>
tender Höhe hinzieht.  Es ist nur an zwei Stellen, einmal da, wo die Eisen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0627] Die Schlacht im Teutoburger Walde. Indem also von jetzt an Rheine als das Marschziel galt, brach das römische Heer am Morgen des zweiten Schlachttages in der angegebenen Rich¬ tung auf, ohne damit indessen von der bisher eingehaltenen Marschlinie irgend¬ wie abzuweichen. Um durch den Troß nicht zu sehr belästigt zu werden, hatte man den größten Teil der Lastwagen und des sonstigen Gepäcks verbrannt oder, vielleicht in der Hoffnung, daß die Feinde sich mit der Plünderung desselben aufhalten würden, liegen lassen. Auch waren die Bodenverhältnisse auf der Strecke westlich von dem Jburger Passe für den Marsch entschieden günstiger als auf dem bisherigen Raume, weil die Gebirgswände im Süden und Norden der Landschaft sich hier weiter von einander entfernten. Man konnte deswegen am folgenden Tage in größerer Ordnung weiterziehen und gelangte somit wieder auf offenes Feld. Wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, daß die Gegend von Hagen und westlich von diesem Orte, die sich durch ihre günstigen Boden¬ verhältnisse auszeichnet, bereits damals angebaut war. Diese offene Gegend konnte in etwa einer halben Stunde erreicht werden, wenn das erste Lager der Römer sich hinter der Hülf-Egge befand. War dasselbe dagegen noch in der Nähe von Iburg aufgeschlagen, so betrug die Entfernung bis dahin wenigstens anderthalb Stunden. Gleichwohl war die Lage auch auf dieser Strecke des Weges keinenfalls beneidenswert. Die Höhen, auf denen das römische Heer von Iburg aus hatte weiterziehen können, mußten etwa eine Viertelmeile südöstlich von Hagen wieder verlassen werden, weil die in derselben Richtung wie die Hülf-Egge sich von neuem erhebenden Gebirgszüge für ein Heer unzugänglich sind. Man mußte also von jetzt an im Thale weiterziehen. Auf diese Weise aber hatten die Feinde wieder Gelegenheit, sich den Römern zu nähern, und es er¬ neuten sich denn auch sofort wieder die Angriffe. Unter blutigen Kämpfen ge¬ langte man so bis in die Gegend zwischen Natrup und Leeden, wo man sich genötigt sah, nach einem Marsche von 1^ bis 2 Meilen, je nachdem man das letzte Nachtlager weiter westlich oder östlich ansetzte, Halt zu machen und den Truppen einige Zeit zur Erholung zu gewähren, was umso nötiger war, als demnächst die örtlichen Verhältnisse allem Anscheine nach wieder größere Schwierig¬ keiten boten und die Ansammlung weiterer feindlicher Truppenmassen darauf hin¬ deutete, daß ein neuer heftiger Kampf bevorstehe. Angesichts der fortwährenden Angriffe, denen man durch die Feinde aus¬ gesetzt war, erschien es nötig, den Lagerplatz mit Wall und Graben zu versehen. Gleichwohl ließ sich das Schicksal nicht mehr lange aufhalten; nur eine kurze Ruhe war gestattet, und bereits mußten die Pläne für den weiteren Rückzug entworfen werden. Von dem Lager aus war man imstande, das nächste Terrain zu übersehen. Man hatte vor sich zur linken Seite ein langgestrecktes, steiles Gebirge, das sich unter dem Namen des Leedener Berges bis hinter Tecklenburg in bedeu¬ tender Höhe hinzieht. Es ist nur an zwei Stellen, einmal da, wo die Eisen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/627
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/627>, abgerufen am 17.09.2024.