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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

lassen, weil sie in Deutschland zwar sehr oft erwähnt wird, aber ihrem Inhalte
nach nur sehr wenigen bekannt sein wird. Sie sollte eine Versöhnung der
Tschechen sein, war aber, so viel sie auch die Gleichberechtigung beider Na¬
tionalitäten zu berücksichtigen schien, in ihren Folgen eine schwere Schädigung
der Interessen aller Deutschböhmen. Die "Verordnung der Minister des Innern
und der Justiz vom 19. April 1380. betreffend den Gebrauch der Landes¬
sprachen im Verkehre der politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaftlichen Be¬
hörden mit den Parteien und autonomen Organen" betraf nur Böhmen und
Mähren und lautete: § 1. Die politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaft¬
lichen Behörden im Lande sind verpflichtet, die an die Parteien über deren
mündliche Anbringen oder schriftliche Eingaben ergehenden Erledigungen in
jener (!) der beiden Landessprachen auszufertigen. in welcher das mündliche An¬
bringen vorgebracht wurde oder die Eingabe abgefaßt ist. H 2. Protokollarische
Erklärungen der Parteien sind in jener (!) der beiden Landessprachen aufzunehmen,
in welcher die Erklärung abgegeben wird. A 3. Urkunden oder andre Schrift¬
stücke, welche in einer der beiden Landessprachen abgefaßt sind und als Bei¬
lagen, Behelfe oder sonst zum amtlichen Gebrauche beigebracht werden, bedürfen
keiner Übersetzung. Z 4. Die nicht über Einschreiten der Parteien erfolgenden
behördlichen Ausfertigungen haben in jener (!) der beiden Landessprachen zu er¬
folgen, die von der Person, an welche die Ausfertigung gerichtet werden soll,
gesprochen wird. Ist die Sprache, deren sich die Partei bedient, nicht bekannt,
oder ist sie keine der beiden Landessprachen, so ist jene (!) der Landessprachen zu
brauchen, deren Verständnis nach Beschaffenheit des Falles, wie insbesondre
nach dem Aufenthaltsorte der Partei vorausgesetzt werden kann. Z 5. Die
Bestimmungen der U 1 bis 4 gelten auch rücksichtlich der Gemeinden in jenen (!)
Angelegenheiten, in denen sie als Parteien anzusehen sind. § 6. Alle amtlichen
Bekanntmachungen, welche zur allgemeinen Kenntnis im Lande bestimmt sind,
haben in beiden Landessprachen zu ergehen. Lediglich für einzelne Bezirke oder
Gemeinden bestimmte amtliche Bekanntmachungen haben in den Landessprachen
zu erfolgen, welche in den betreffenden Bezirken oder Gemeinden üblich sind.
Z 7. Aussagen von Zeugen sind in jener (!) Landessprache aufzunehmen, in welcher
dieselben abgegeben werden. § 8. In strafgerichtlichen Angelegenheiten sind die
Anklageschrift sowie überhaupt die dem Angeschuldigten zuzustellenden Anträge,
Erkenntnisse und Beschlüsse für denselben in jener (!) der beiden Landessprachen
auszufertigen, deren er sich bedient hat. In dieser Sprache ist auch die Haupt¬
verhandlung zu Pflegen und sind in derselben insbesondre die Vorträge des
Staatsanwalts und des Verteidigers zu halten und die Erkenntnisse und Be¬
schlüsse zu verkünden. Von den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes darf
nur insofern abgegangen werden, als dieselben mit Rücksicht auf ausucchmsweise
Verhältnisse, insbesondre mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Geschwornen¬
bank unausführbar sind oder der Angeschuldigte selbst den Gebrauch der andern


Deutsch-böhmische Briefe.

lassen, weil sie in Deutschland zwar sehr oft erwähnt wird, aber ihrem Inhalte
nach nur sehr wenigen bekannt sein wird. Sie sollte eine Versöhnung der
Tschechen sein, war aber, so viel sie auch die Gleichberechtigung beider Na¬
tionalitäten zu berücksichtigen schien, in ihren Folgen eine schwere Schädigung
der Interessen aller Deutschböhmen. Die „Verordnung der Minister des Innern
und der Justiz vom 19. April 1380. betreffend den Gebrauch der Landes¬
sprachen im Verkehre der politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaftlichen Be¬
hörden mit den Parteien und autonomen Organen" betraf nur Böhmen und
Mähren und lautete: § 1. Die politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaft¬
lichen Behörden im Lande sind verpflichtet, die an die Parteien über deren
mündliche Anbringen oder schriftliche Eingaben ergehenden Erledigungen in
jener (!) der beiden Landessprachen auszufertigen. in welcher das mündliche An¬
bringen vorgebracht wurde oder die Eingabe abgefaßt ist. H 2. Protokollarische
Erklärungen der Parteien sind in jener (!) der beiden Landessprachen aufzunehmen,
in welcher die Erklärung abgegeben wird. A 3. Urkunden oder andre Schrift¬
stücke, welche in einer der beiden Landessprachen abgefaßt sind und als Bei¬
lagen, Behelfe oder sonst zum amtlichen Gebrauche beigebracht werden, bedürfen
keiner Übersetzung. Z 4. Die nicht über Einschreiten der Parteien erfolgenden
behördlichen Ausfertigungen haben in jener (!) der beiden Landessprachen zu er¬
folgen, die von der Person, an welche die Ausfertigung gerichtet werden soll,
gesprochen wird. Ist die Sprache, deren sich die Partei bedient, nicht bekannt,
oder ist sie keine der beiden Landessprachen, so ist jene (!) der Landessprachen zu
brauchen, deren Verständnis nach Beschaffenheit des Falles, wie insbesondre
nach dem Aufenthaltsorte der Partei vorausgesetzt werden kann. Z 5. Die
Bestimmungen der U 1 bis 4 gelten auch rücksichtlich der Gemeinden in jenen (!)
Angelegenheiten, in denen sie als Parteien anzusehen sind. § 6. Alle amtlichen
Bekanntmachungen, welche zur allgemeinen Kenntnis im Lande bestimmt sind,
haben in beiden Landessprachen zu ergehen. Lediglich für einzelne Bezirke oder
Gemeinden bestimmte amtliche Bekanntmachungen haben in den Landessprachen
zu erfolgen, welche in den betreffenden Bezirken oder Gemeinden üblich sind.
Z 7. Aussagen von Zeugen sind in jener (!) Landessprache aufzunehmen, in welcher
dieselben abgegeben werden. § 8. In strafgerichtlichen Angelegenheiten sind die
Anklageschrift sowie überhaupt die dem Angeschuldigten zuzustellenden Anträge,
Erkenntnisse und Beschlüsse für denselben in jener (!) der beiden Landessprachen
auszufertigen, deren er sich bedient hat. In dieser Sprache ist auch die Haupt¬
verhandlung zu Pflegen und sind in derselben insbesondre die Vorträge des
Staatsanwalts und des Verteidigers zu halten und die Erkenntnisse und Be¬
schlüsse zu verkünden. Von den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes darf
nur insofern abgegangen werden, als dieselben mit Rücksicht auf ausucchmsweise
Verhältnisse, insbesondre mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Geschwornen¬
bank unausführbar sind oder der Angeschuldigte selbst den Gebrauch der andern


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[0059] Deutsch-böhmische Briefe. lassen, weil sie in Deutschland zwar sehr oft erwähnt wird, aber ihrem Inhalte nach nur sehr wenigen bekannt sein wird. Sie sollte eine Versöhnung der Tschechen sein, war aber, so viel sie auch die Gleichberechtigung beider Na¬ tionalitäten zu berücksichtigen schien, in ihren Folgen eine schwere Schädigung der Interessen aller Deutschböhmen. Die „Verordnung der Minister des Innern und der Justiz vom 19. April 1380. betreffend den Gebrauch der Landes¬ sprachen im Verkehre der politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaftlichen Be¬ hörden mit den Parteien und autonomen Organen" betraf nur Böhmen und Mähren und lautete: § 1. Die politischen, Gerichts- und staatsanwaltschaft¬ lichen Behörden im Lande sind verpflichtet, die an die Parteien über deren mündliche Anbringen oder schriftliche Eingaben ergehenden Erledigungen in jener (!) der beiden Landessprachen auszufertigen. in welcher das mündliche An¬ bringen vorgebracht wurde oder die Eingabe abgefaßt ist. H 2. Protokollarische Erklärungen der Parteien sind in jener (!) der beiden Landessprachen aufzunehmen, in welcher die Erklärung abgegeben wird. A 3. Urkunden oder andre Schrift¬ stücke, welche in einer der beiden Landessprachen abgefaßt sind und als Bei¬ lagen, Behelfe oder sonst zum amtlichen Gebrauche beigebracht werden, bedürfen keiner Übersetzung. Z 4. Die nicht über Einschreiten der Parteien erfolgenden behördlichen Ausfertigungen haben in jener (!) der beiden Landessprachen zu er¬ folgen, die von der Person, an welche die Ausfertigung gerichtet werden soll, gesprochen wird. Ist die Sprache, deren sich die Partei bedient, nicht bekannt, oder ist sie keine der beiden Landessprachen, so ist jene (!) der Landessprachen zu brauchen, deren Verständnis nach Beschaffenheit des Falles, wie insbesondre nach dem Aufenthaltsorte der Partei vorausgesetzt werden kann. Z 5. Die Bestimmungen der U 1 bis 4 gelten auch rücksichtlich der Gemeinden in jenen (!) Angelegenheiten, in denen sie als Parteien anzusehen sind. § 6. Alle amtlichen Bekanntmachungen, welche zur allgemeinen Kenntnis im Lande bestimmt sind, haben in beiden Landessprachen zu ergehen. Lediglich für einzelne Bezirke oder Gemeinden bestimmte amtliche Bekanntmachungen haben in den Landessprachen zu erfolgen, welche in den betreffenden Bezirken oder Gemeinden üblich sind. Z 7. Aussagen von Zeugen sind in jener (!) Landessprache aufzunehmen, in welcher dieselben abgegeben werden. § 8. In strafgerichtlichen Angelegenheiten sind die Anklageschrift sowie überhaupt die dem Angeschuldigten zuzustellenden Anträge, Erkenntnisse und Beschlüsse für denselben in jener (!) der beiden Landessprachen auszufertigen, deren er sich bedient hat. In dieser Sprache ist auch die Haupt¬ verhandlung zu Pflegen und sind in derselben insbesondre die Vorträge des Staatsanwalts und des Verteidigers zu halten und die Erkenntnisse und Be¬ schlüsse zu verkünden. Von den Bestimmungen des vorstehenden Absatzes darf nur insofern abgegangen werden, als dieselben mit Rücksicht auf ausucchmsweise Verhältnisse, insbesondre mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Geschwornen¬ bank unausführbar sind oder der Angeschuldigte selbst den Gebrauch der andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/59>, abgerufen am 17.09.2024.