Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Zur Geschichte der beständigen Befestigung. machenden Kraft ihrer Schablone aufs innigste überzeugt, obschon ihre fürchter¬ Die Geschichte der Befestigungskunst in ihren aufeinanderfolgenden Stufen Unter den deutschen Arbeiten galt Zastrows "Geschichte der beständige" Der unkundige Beschauer, welcher ein altes Schloß mit einer modernen Zur Geschichte der beständigen Befestigung. machenden Kraft ihrer Schablone aufs innigste überzeugt, obschon ihre fürchter¬ Die Geschichte der Befestigungskunst in ihren aufeinanderfolgenden Stufen Unter den deutschen Arbeiten galt Zastrows „Geschichte der beständige» Der unkundige Beschauer, welcher ein altes Schloß mit einer modernen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0571" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289024"/> <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte der beständigen Befestigung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1613" prev="#ID_1612"> machenden Kraft ihrer Schablone aufs innigste überzeugt, obschon ihre fürchter¬<lb/> lichen Verluste vor Sebastopvl sie Hütten belehren sollen, daß es in der Kriegs¬<lb/> kunst kein ewig dauerndes Allheilmittel giebt. Jetzt ist an Stelle der höchsten<lb/> Sicherheit höchster Zweifel getreten. Die Technik hat Mieder einmal bewiesen,<lb/> daß sie in der Entwicklung der Taktik das umstürzende, vorwärts drängende<lb/> Element ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614"> Die Geschichte der Befestigungskunst in ihren aufeinanderfolgenden Stufen<lb/> und die Streitfragen, zu denen sie zu allen Zeiten unter Technikern und Heer¬<lb/> führern Veranlassung gegeben hat, ist für die Ausbildung von richtigen Gesichts¬<lb/> punkten vom höchsten Wert. Und sie fördert nicht nur die Erkenntnis der<lb/> modernen Erfordernisse, sie hat nicht nur für den Ingenieur und den Soldaten<lb/> ein hohes Interesse, sondern auch für alle, welche sich mit der geschichtlichen<lb/> Entwicklung der technischen Erfindungen beschäftigen. Die Art und Weise, in<lb/> welcher zu einer gegebenen Zeit die befestigten Stellungen angelegt wurden,<lb/> spiegeln ziemlich genau deu Zustand auf den meisten andern Gebieten der<lb/> Technik wieder. So ist denn die „beständige Befestigungslehre," obwohl sie<lb/> in ihrer neuesten Entwicklung nur von militärischen Fachleuten beurteilt werden<lb/> kann, in ihren früheren Stufe» bis zu einem gewissen Grade Gegenstand des<lb/> archäologischen Studiums geworden, in derselben Weise etwa, wie die Waffen<lb/> und Rüstungen der Vorzeit, welche aufgehört haben, in persönlicher Beziehung<lb/> zu dem lebenden Soldaten zu stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1615"> Unter den deutschen Arbeiten galt Zastrows „Geschichte der beständige»<lb/> Befestigung" als mustergiltig. Aber dieses Buch findet leider keinen Bearbeiter,<lb/> der es von der Zeit von 1854, wo die dritte Auflage erschien, bis auf die<lb/> Gegenwart fortführte. Und in der That wäre dazu eine vollständige Um¬<lb/> arbeitung notwendig. Ähnliches gilt sür Frankreich von den Arbeiten Wollet<lb/> le Duch und Angohcits. Die neuern Werke Popp, Moluk, Brunner,<lb/> Sauer, H. Müller, selbst die ausgezeichnete» Arbeiten von Bonin können<lb/> ein großes, zusammenfassendes Werk ebensowenig ersetzen, wie die äußerst<lb/> fleißige» und gewissenhaften IZnMvgr Lwäivs des Major Lloyd. Und so lüge<lb/> hier eine entschiedne Lücke in der militärischen Literatur vor, welche auszufüllen<lb/> wohl am nächsten Aufgabe eines deutschen Offiziers wäre, denn es war der<lb/> deutsche Offizier, welcher durch die Anbahnung der neuern Belagcrungstaktik<lb/> die Herrschaft der französischen Ideen, d. h. diejenigen Vaubans, ebenso gründ¬<lb/> lich stürzte, wie er bereits früher durch das „neupreußische" System von Aster<lb/> und Brese, Winiary und Prittwitz das französische Bastivnürsystem des Festungs¬<lb/> baues gestürzt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1616" next="#ID_1617"> Der unkundige Beschauer, welcher ein altes Schloß mit einer modernen<lb/> Festung vergleicht, wird nicht nur von den tiefgreifenden Unterschieden zwischen<lb/> beiden, sondern vielleicht auch von dem eigentümlichen Verlauf der Entwicklung,<lb/> den der Festungsbau genommen hat, betroffen werden. Es wird ihm scheinen, als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0571]
Zur Geschichte der beständigen Befestigung.
machenden Kraft ihrer Schablone aufs innigste überzeugt, obschon ihre fürchter¬
lichen Verluste vor Sebastopvl sie Hütten belehren sollen, daß es in der Kriegs¬
kunst kein ewig dauerndes Allheilmittel giebt. Jetzt ist an Stelle der höchsten
Sicherheit höchster Zweifel getreten. Die Technik hat Mieder einmal bewiesen,
daß sie in der Entwicklung der Taktik das umstürzende, vorwärts drängende
Element ist.
Die Geschichte der Befestigungskunst in ihren aufeinanderfolgenden Stufen
und die Streitfragen, zu denen sie zu allen Zeiten unter Technikern und Heer¬
führern Veranlassung gegeben hat, ist für die Ausbildung von richtigen Gesichts¬
punkten vom höchsten Wert. Und sie fördert nicht nur die Erkenntnis der
modernen Erfordernisse, sie hat nicht nur für den Ingenieur und den Soldaten
ein hohes Interesse, sondern auch für alle, welche sich mit der geschichtlichen
Entwicklung der technischen Erfindungen beschäftigen. Die Art und Weise, in
welcher zu einer gegebenen Zeit die befestigten Stellungen angelegt wurden,
spiegeln ziemlich genau deu Zustand auf den meisten andern Gebieten der
Technik wieder. So ist denn die „beständige Befestigungslehre," obwohl sie
in ihrer neuesten Entwicklung nur von militärischen Fachleuten beurteilt werden
kann, in ihren früheren Stufe» bis zu einem gewissen Grade Gegenstand des
archäologischen Studiums geworden, in derselben Weise etwa, wie die Waffen
und Rüstungen der Vorzeit, welche aufgehört haben, in persönlicher Beziehung
zu dem lebenden Soldaten zu stehen.
Unter den deutschen Arbeiten galt Zastrows „Geschichte der beständige»
Befestigung" als mustergiltig. Aber dieses Buch findet leider keinen Bearbeiter,
der es von der Zeit von 1854, wo die dritte Auflage erschien, bis auf die
Gegenwart fortführte. Und in der That wäre dazu eine vollständige Um¬
arbeitung notwendig. Ähnliches gilt sür Frankreich von den Arbeiten Wollet
le Duch und Angohcits. Die neuern Werke Popp, Moluk, Brunner,
Sauer, H. Müller, selbst die ausgezeichnete» Arbeiten von Bonin können
ein großes, zusammenfassendes Werk ebensowenig ersetzen, wie die äußerst
fleißige» und gewissenhaften IZnMvgr Lwäivs des Major Lloyd. Und so lüge
hier eine entschiedne Lücke in der militärischen Literatur vor, welche auszufüllen
wohl am nächsten Aufgabe eines deutschen Offiziers wäre, denn es war der
deutsche Offizier, welcher durch die Anbahnung der neuern Belagcrungstaktik
die Herrschaft der französischen Ideen, d. h. diejenigen Vaubans, ebenso gründ¬
lich stürzte, wie er bereits früher durch das „neupreußische" System von Aster
und Brese, Winiary und Prittwitz das französische Bastivnürsystem des Festungs¬
baues gestürzt hatte.
Der unkundige Beschauer, welcher ein altes Schloß mit einer modernen
Festung vergleicht, wird nicht nur von den tiefgreifenden Unterschieden zwischen
beiden, sondern vielleicht auch von dem eigentümlichen Verlauf der Entwicklung,
den der Festungsbau genommen hat, betroffen werden. Es wird ihm scheinen, als
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |