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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Lociete 6e R.ome.

ir haben absichtlich den Titel des Buches, welches der angebliche
Graf Paul Vasili veröffentlicht, nicht deutsch wiedergegeben, weil
das Buch etwas so vollständig Französisches ist, daß eine deutsche
Umschreibung oder Übersetzung einen ganz falschen Begriff er¬
wecken müßte.

Freilich würde man dem Buche Unrecht thun, wenn man es als das Werk
eines einzigen Verfassers ansehen und demgemäß diesem Manne dies oder jenes
nachrühmen oder vorwerfen wollte. Es ist vielmehr -- ebenso wie die früher unter
derselben Firma erschienenen Machwerke 1^ 8ovi6t,6 as Bsrlw und I,a 8voi6t6
Ah Visunö -- eine Sammlung der verschiedensten Materialien, die, nachdem sie
vollständig eingegangen waren, eiuer Redaktion unterworfen wurden, welche es
allerdings verstanden hat, dem Ganzen eine gewisse oberflächliche Einheit und
Übereinstimmung zu geben, die auf den ersten Blick täuschen kann, ohne jedoch
näherer Prüfung Stand zu halten.

Nur zwei Eigenschaften sind den verschiednen Verfassern wie dem Redakteur
eigen, Eigenschaften, welche es nützlich ist festzustellen, damit nicht etwa gläubige
Seelen irgend einer in dem Buche vorkommenden Behauptung oder gar den po¬
litisch-klerikalen Ausführungen über das Verhältnis des Papsttums zum König¬
reich Italien eine andre Art von Glauben beimessen, als den Kriegsberichten
des Herrn Wippchen.

Erstens hat weder einer der Mitarbeiter noch der Redakteur eine Ahnung
von den wirklichen Verhältnissen in Rom oder überhaupt auch nur die geringste
Kenntnis von italienischer und päpstlicher Geschichte; denn daß einige wenige
Klatschgeschichten, wie sie ein Gesandtschafts-Attache in den Mußestunden seiner
angestrengten amtlichen Thätigkeit zu hören bekommt und weiter erzählt, mehr
oder weniger richtig wiedergegeben sind, wird man für keine wirkliche und
ernsthafte Kenntnis' ausgeben wollen.

Was soll man z. B. dazu sagen, daß S. 250 und 251 nicht weniger als
fünfmal Oracoeli statt Araeeli zu lesen steht? Stunde es einmal da, so würde
man nicht an eine geradezu ungeheuerliche Unwissenheit, sondern nur an einen
Druckfehler denken, aber fünfmal! Daß ans derselben Seite der Juppitertempel
auf Araeeli statt bei dem Palaste Cassarelli auf der andern Höhe des Kapi-
tols steht, wollen wir nicht hoch anschlagen, weil der Redakteur wahrscheinlich
einem Reisehandbuche folgt, welches verfaßt war, ehe die Unterbauten des
Tempels entdeckt wurden. So nimmt es denn auch weiter nicht Wunder, daß


Grenzboten II. 18L7. S9
Die Lociete 6e R.ome.

ir haben absichtlich den Titel des Buches, welches der angebliche
Graf Paul Vasili veröffentlicht, nicht deutsch wiedergegeben, weil
das Buch etwas so vollständig Französisches ist, daß eine deutsche
Umschreibung oder Übersetzung einen ganz falschen Begriff er¬
wecken müßte.

Freilich würde man dem Buche Unrecht thun, wenn man es als das Werk
eines einzigen Verfassers ansehen und demgemäß diesem Manne dies oder jenes
nachrühmen oder vorwerfen wollte. Es ist vielmehr — ebenso wie die früher unter
derselben Firma erschienenen Machwerke 1^ 8ovi6t,6 as Bsrlw und I,a 8voi6t6
Ah Visunö — eine Sammlung der verschiedensten Materialien, die, nachdem sie
vollständig eingegangen waren, eiuer Redaktion unterworfen wurden, welche es
allerdings verstanden hat, dem Ganzen eine gewisse oberflächliche Einheit und
Übereinstimmung zu geben, die auf den ersten Blick täuschen kann, ohne jedoch
näherer Prüfung Stand zu halten.

Nur zwei Eigenschaften sind den verschiednen Verfassern wie dem Redakteur
eigen, Eigenschaften, welche es nützlich ist festzustellen, damit nicht etwa gläubige
Seelen irgend einer in dem Buche vorkommenden Behauptung oder gar den po¬
litisch-klerikalen Ausführungen über das Verhältnis des Papsttums zum König¬
reich Italien eine andre Art von Glauben beimessen, als den Kriegsberichten
des Herrn Wippchen.

Erstens hat weder einer der Mitarbeiter noch der Redakteur eine Ahnung
von den wirklichen Verhältnissen in Rom oder überhaupt auch nur die geringste
Kenntnis von italienischer und päpstlicher Geschichte; denn daß einige wenige
Klatschgeschichten, wie sie ein Gesandtschafts-Attache in den Mußestunden seiner
angestrengten amtlichen Thätigkeit zu hören bekommt und weiter erzählt, mehr
oder weniger richtig wiedergegeben sind, wird man für keine wirkliche und
ernsthafte Kenntnis' ausgeben wollen.

Was soll man z. B. dazu sagen, daß S. 250 und 251 nicht weniger als
fünfmal Oracoeli statt Araeeli zu lesen steht? Stunde es einmal da, so würde
man nicht an eine geradezu ungeheuerliche Unwissenheit, sondern nur an einen
Druckfehler denken, aber fünfmal! Daß ans derselben Seite der Juppitertempel
auf Araeeli statt bei dem Palaste Cassarelli auf der andern Höhe des Kapi-
tols steht, wollen wir nicht hoch anschlagen, weil der Redakteur wahrscheinlich
einem Reisehandbuche folgt, welches verfaßt war, ehe die Unterbauten des
Tempels entdeckt wurden. So nimmt es denn auch weiter nicht Wunder, daß


Grenzboten II. 18L7. S9
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[0473] Die Lociete 6e R.ome. ir haben absichtlich den Titel des Buches, welches der angebliche Graf Paul Vasili veröffentlicht, nicht deutsch wiedergegeben, weil das Buch etwas so vollständig Französisches ist, daß eine deutsche Umschreibung oder Übersetzung einen ganz falschen Begriff er¬ wecken müßte. Freilich würde man dem Buche Unrecht thun, wenn man es als das Werk eines einzigen Verfassers ansehen und demgemäß diesem Manne dies oder jenes nachrühmen oder vorwerfen wollte. Es ist vielmehr — ebenso wie die früher unter derselben Firma erschienenen Machwerke 1^ 8ovi6t,6 as Bsrlw und I,a 8voi6t6 Ah Visunö — eine Sammlung der verschiedensten Materialien, die, nachdem sie vollständig eingegangen waren, eiuer Redaktion unterworfen wurden, welche es allerdings verstanden hat, dem Ganzen eine gewisse oberflächliche Einheit und Übereinstimmung zu geben, die auf den ersten Blick täuschen kann, ohne jedoch näherer Prüfung Stand zu halten. Nur zwei Eigenschaften sind den verschiednen Verfassern wie dem Redakteur eigen, Eigenschaften, welche es nützlich ist festzustellen, damit nicht etwa gläubige Seelen irgend einer in dem Buche vorkommenden Behauptung oder gar den po¬ litisch-klerikalen Ausführungen über das Verhältnis des Papsttums zum König¬ reich Italien eine andre Art von Glauben beimessen, als den Kriegsberichten des Herrn Wippchen. Erstens hat weder einer der Mitarbeiter noch der Redakteur eine Ahnung von den wirklichen Verhältnissen in Rom oder überhaupt auch nur die geringste Kenntnis von italienischer und päpstlicher Geschichte; denn daß einige wenige Klatschgeschichten, wie sie ein Gesandtschafts-Attache in den Mußestunden seiner angestrengten amtlichen Thätigkeit zu hören bekommt und weiter erzählt, mehr oder weniger richtig wiedergegeben sind, wird man für keine wirkliche und ernsthafte Kenntnis' ausgeben wollen. Was soll man z. B. dazu sagen, daß S. 250 und 251 nicht weniger als fünfmal Oracoeli statt Araeeli zu lesen steht? Stunde es einmal da, so würde man nicht an eine geradezu ungeheuerliche Unwissenheit, sondern nur an einen Druckfehler denken, aber fünfmal! Daß ans derselben Seite der Juppitertempel auf Araeeli statt bei dem Palaste Cassarelli auf der andern Höhe des Kapi- tols steht, wollen wir nicht hoch anschlagen, weil der Redakteur wahrscheinlich einem Reisehandbuche folgt, welches verfaßt war, ehe die Unterbauten des Tempels entdeckt wurden. So nimmt es denn auch weiter nicht Wunder, daß Grenzboten II. 18L7. S9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/473>, abgerufen am 17.09.2024.