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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

Bei jener Verteidigung des Deutschtums hat unser Schulverein fast allent¬
halben achtbare und an vielen Stellen sehr stattliche Erfolge zu verzeichnen
gehabt. Er hat nicht nur dicht vor einzelnen Orten, sondern vielfach auf breite
Strecken hin dem vordringenden Slawentums Halt geboten und das verzagende
und absterbende Nationalgefühl ermuntert und gestärkt, wobei zu rühmen ist,
daß er die Betreffenden nicht zu rauschenden Festlichkeiten und andern lärmenden,
aber bald verpuffenden Kundgebungen, sondern zu strenger Arbeit, kluger Um¬
schau und ausdauernder Opferwilligkeit hinzuleiten strebte. Allerdings hat er
seine Dämme nicht allenthalben hoch und fest genug zu bauen vermocht, noch
zeigen seine Linien manche Lücke, noch immer giebt es an der Sprachgrenze
mehr Orte, über die er seine schützende Hand noch nicht hält, als solche, welche
sie fühlen, und immer geringer werden die Geldmittel, über welche er frei zu
verfügen imstande ist. Denn wenn auch die thätige Teilnahme an seinem
patriotischen Werke mit jedem Jahre größer geworden ist, wenn auch seine Ein¬
nahmen seit dem Jahre seiner Gründung, 1880, von wenigen tausend Gulden auf
mehr als das Funfzigfache (1885 auf 260000 Gulden) angewachsen sind, so ist
auch die Summe dessen, was seine Anstalten alljährlich erfordern, bedeutend
(1885 auf 180000 Gulden) gestiegen. Und daneben ist die Zuversicht und die
Dreistigkeit der Feinde des deutschen Wesens, die Bedrängnis unsrer Volks¬
genossen in Böhmen und ganz Osterreich in dieser Zeit nicht kleiner, sondern
größer geworden, und mit ihr ist die Notwendigkeit engsten Zusammenschlusses
der Deutschen auf nationaler Grundlage dringender geworden. Leider bietet
der Schulverein bis jetzt allein den Beweis, daß solche Einigkeit im Interesse
der Nation in Österreich vollständig in ihrem Werte gewürdigt wird. Die ver-
schiednen Parteien, deren Mitglieder ihn durch Beiträge unterstützen, sollten ihre
Kräfte auch in andern Richtungen vereinigen. Und wir im deutschen Reiche?
Wir sehen für jetzt im Schulverein das einzige Mittel, mit dem wir den Stammes¬
brüdern unsre Sympathie in ihrem Kampfe mit den Slawen werkthätig kundgeben
können. Wir handeln einigermaßen darnach -- unsers Wissens ist das namentlich
in Sachsen der Fall --, aber es ließe sich in der Sache wohl mehr thun, und
dazu möchte ich mit dieser Darstellung aufgefordert haben.




Deutsch-böhmische Briefe.

Bei jener Verteidigung des Deutschtums hat unser Schulverein fast allent¬
halben achtbare und an vielen Stellen sehr stattliche Erfolge zu verzeichnen
gehabt. Er hat nicht nur dicht vor einzelnen Orten, sondern vielfach auf breite
Strecken hin dem vordringenden Slawentums Halt geboten und das verzagende
und absterbende Nationalgefühl ermuntert und gestärkt, wobei zu rühmen ist,
daß er die Betreffenden nicht zu rauschenden Festlichkeiten und andern lärmenden,
aber bald verpuffenden Kundgebungen, sondern zu strenger Arbeit, kluger Um¬
schau und ausdauernder Opferwilligkeit hinzuleiten strebte. Allerdings hat er
seine Dämme nicht allenthalben hoch und fest genug zu bauen vermocht, noch
zeigen seine Linien manche Lücke, noch immer giebt es an der Sprachgrenze
mehr Orte, über die er seine schützende Hand noch nicht hält, als solche, welche
sie fühlen, und immer geringer werden die Geldmittel, über welche er frei zu
verfügen imstande ist. Denn wenn auch die thätige Teilnahme an seinem
patriotischen Werke mit jedem Jahre größer geworden ist, wenn auch seine Ein¬
nahmen seit dem Jahre seiner Gründung, 1880, von wenigen tausend Gulden auf
mehr als das Funfzigfache (1885 auf 260000 Gulden) angewachsen sind, so ist
auch die Summe dessen, was seine Anstalten alljährlich erfordern, bedeutend
(1885 auf 180000 Gulden) gestiegen. Und daneben ist die Zuversicht und die
Dreistigkeit der Feinde des deutschen Wesens, die Bedrängnis unsrer Volks¬
genossen in Böhmen und ganz Osterreich in dieser Zeit nicht kleiner, sondern
größer geworden, und mit ihr ist die Notwendigkeit engsten Zusammenschlusses
der Deutschen auf nationaler Grundlage dringender geworden. Leider bietet
der Schulverein bis jetzt allein den Beweis, daß solche Einigkeit im Interesse
der Nation in Österreich vollständig in ihrem Werte gewürdigt wird. Die ver-
schiednen Parteien, deren Mitglieder ihn durch Beiträge unterstützen, sollten ihre
Kräfte auch in andern Richtungen vereinigen. Und wir im deutschen Reiche?
Wir sehen für jetzt im Schulverein das einzige Mittel, mit dem wir den Stammes¬
brüdern unsre Sympathie in ihrem Kampfe mit den Slawen werkthätig kundgeben
können. Wir handeln einigermaßen darnach — unsers Wissens ist das namentlich
in Sachsen der Fall —, aber es ließe sich in der Sache wohl mehr thun, und
dazu möchte ich mit dieser Darstellung aufgefordert haben.




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[0472] Deutsch-böhmische Briefe. Bei jener Verteidigung des Deutschtums hat unser Schulverein fast allent¬ halben achtbare und an vielen Stellen sehr stattliche Erfolge zu verzeichnen gehabt. Er hat nicht nur dicht vor einzelnen Orten, sondern vielfach auf breite Strecken hin dem vordringenden Slawentums Halt geboten und das verzagende und absterbende Nationalgefühl ermuntert und gestärkt, wobei zu rühmen ist, daß er die Betreffenden nicht zu rauschenden Festlichkeiten und andern lärmenden, aber bald verpuffenden Kundgebungen, sondern zu strenger Arbeit, kluger Um¬ schau und ausdauernder Opferwilligkeit hinzuleiten strebte. Allerdings hat er seine Dämme nicht allenthalben hoch und fest genug zu bauen vermocht, noch zeigen seine Linien manche Lücke, noch immer giebt es an der Sprachgrenze mehr Orte, über die er seine schützende Hand noch nicht hält, als solche, welche sie fühlen, und immer geringer werden die Geldmittel, über welche er frei zu verfügen imstande ist. Denn wenn auch die thätige Teilnahme an seinem patriotischen Werke mit jedem Jahre größer geworden ist, wenn auch seine Ein¬ nahmen seit dem Jahre seiner Gründung, 1880, von wenigen tausend Gulden auf mehr als das Funfzigfache (1885 auf 260000 Gulden) angewachsen sind, so ist auch die Summe dessen, was seine Anstalten alljährlich erfordern, bedeutend (1885 auf 180000 Gulden) gestiegen. Und daneben ist die Zuversicht und die Dreistigkeit der Feinde des deutschen Wesens, die Bedrängnis unsrer Volks¬ genossen in Böhmen und ganz Osterreich in dieser Zeit nicht kleiner, sondern größer geworden, und mit ihr ist die Notwendigkeit engsten Zusammenschlusses der Deutschen auf nationaler Grundlage dringender geworden. Leider bietet der Schulverein bis jetzt allein den Beweis, daß solche Einigkeit im Interesse der Nation in Österreich vollständig in ihrem Werte gewürdigt wird. Die ver- schiednen Parteien, deren Mitglieder ihn durch Beiträge unterstützen, sollten ihre Kräfte auch in andern Richtungen vereinigen. Und wir im deutschen Reiche? Wir sehen für jetzt im Schulverein das einzige Mittel, mit dem wir den Stammes¬ brüdern unsre Sympathie in ihrem Kampfe mit den Slawen werkthätig kundgeben können. Wir handeln einigermaßen darnach — unsers Wissens ist das namentlich in Sachsen der Fall —, aber es ließe sich in der Sache wohl mehr thun, und dazu möchte ich mit dieser Darstellung aufgefordert haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/472>, abgerufen am 17.09.2024.