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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

waffncter Friede gefolgt, es hat den Anschein, als ob die Erlangung der
deutschen Einheit noch in einem zweiten großen Kriege gesichert werden müsse,
wie ihn Friedrich der Große zur Erhaltung der preußischen Großmachtsstellnng
zu führen genötigt war. Um alle diese Gefahren zu bestehen, bedarf Preußen
und das deutsche Reich der vereinten Kräfte aller seiner treuen Sohne, und für
die Sammlung derselben spielt der konfessionelle Friede keine geringe Rolle Der
kirchliche Friede, wie er durch das Gesetz vom 29. April erreicht ist. wird Mete
unsrer katholischen Mitbürger ihrer staatserhaltenden Aufgabe näher fuhren,
er wird sie dem Staate gegenüber pflichtbewußter und opferfreudiger machen; ste
werden sich nicht mehr -- wenn auch nur in ungerechtfertigter Bitterkeit -
als Staatsbürger zweiter Klasse betrachten, sondern ihre Kräfte, die sie oft mit
Widerstreben gegen die Negierung verwendet haben, dieser zur Erfüllung ge¬
meinsamer Aufgaben zur Verfügung stellen.

Der Jesuitismus und die Kampfeszeit haben in der katholischen Krrchen-
gemeinschaft Elemente groß gezogen, welche in dem Gesetze vom 29. Ayrt d. ^keinen Segen erblicken ^ es bis auf den letzten Augenblick bekämpft haben und
sich zur Zeit nur noch Schweigen auferlegen, weil sie nicht allzu offen ihren
Ungehorsam gegen ihr geistliches Oberhaupt ohne Schädigung ihrer eignen
Interessen der Welt enthüllen dürfen. Die Jesuiten sollten der Bestimmung
ihres Stifters entsprechend eine Kampfgenossenschaft für die päpstliche Macht
sein, allein dieser Grundsatz ist längst überwunden, seitdem sie durch Besitz und
Herrschaft zu Gewalt und Ansehen gelangt sind; sie benutzen die katholische
Religion mit ihrem großen Einfluß nur als Mittel zur Erreichung ihrer welt¬
lichen Machtzwecke, sie stehen den heutigen Gesellschaftszuständen skeptisch oder
vielmehr nihilistisch gegenüber. Da sie nicht mehr wie unter Philipp II. und
Ferdinand II. die Fürsten am Gängelbande und infolgedessen die Völker unter
ihrem Joche haben können, so kann ihnen "nur noch - wie em bekannter
Kirchenfürst offen erklärte - die Revolution helfen." Es schreckt sie Nicht
Zurück, daß dieser Revolution neben dem Thron auch der Altar zum Opfer
fallen muß; in der Anarchie hoffen sie wieder mit ihrer festen Organisation die
Zügel an sich zu reißen. Dem Jesuitismus ist das deutsche Reich ein Hindernis
seiner Pläne. Nirgends in Europa hat die monarchische Institution festere
Wurzeln, nirgends 'ist die sittliche und physische Macht so stark, um ein festes
Bollwerk gegen die Umsturzbestrebungen zu bilden. Jede Kräftigung des deutschen
Reiches rückt die Revolution, das Heilmittel des Jesuitismus, in die Ferne.
Der Jesuitismus ist international; es war daher natürlich, daß er alle seine
Organe in Bewegung setzte, um das Kirchengesetz zu bekämpfen, den Papst ein¬
zuschüchtern und das Volk vor dem Frieden zwischen Staat und Kirche zu
warnen. Dieselben Angriffe welche das Berliner Jesuitenblatt "Germania
brachte, kehrten im "Wiener Vaterland" des Jesuiten von Vogelsang, in den
Pariser Jesuitenzeitungcn Univers und Nouäö wieder; dieselben Schmähungen


Der Friede mit Rom.

waffncter Friede gefolgt, es hat den Anschein, als ob die Erlangung der
deutschen Einheit noch in einem zweiten großen Kriege gesichert werden müsse,
wie ihn Friedrich der Große zur Erhaltung der preußischen Großmachtsstellnng
zu führen genötigt war. Um alle diese Gefahren zu bestehen, bedarf Preußen
und das deutsche Reich der vereinten Kräfte aller seiner treuen Sohne, und für
die Sammlung derselben spielt der konfessionelle Friede keine geringe Rolle Der
kirchliche Friede, wie er durch das Gesetz vom 29. April erreicht ist. wird Mete
unsrer katholischen Mitbürger ihrer staatserhaltenden Aufgabe näher fuhren,
er wird sie dem Staate gegenüber pflichtbewußter und opferfreudiger machen; ste
werden sich nicht mehr — wenn auch nur in ungerechtfertigter Bitterkeit -
als Staatsbürger zweiter Klasse betrachten, sondern ihre Kräfte, die sie oft mit
Widerstreben gegen die Negierung verwendet haben, dieser zur Erfüllung ge¬
meinsamer Aufgaben zur Verfügung stellen.

Der Jesuitismus und die Kampfeszeit haben in der katholischen Krrchen-
gemeinschaft Elemente groß gezogen, welche in dem Gesetze vom 29. Ayrt d. ^keinen Segen erblicken ^ es bis auf den letzten Augenblick bekämpft haben und
sich zur Zeit nur noch Schweigen auferlegen, weil sie nicht allzu offen ihren
Ungehorsam gegen ihr geistliches Oberhaupt ohne Schädigung ihrer eignen
Interessen der Welt enthüllen dürfen. Die Jesuiten sollten der Bestimmung
ihres Stifters entsprechend eine Kampfgenossenschaft für die päpstliche Macht
sein, allein dieser Grundsatz ist längst überwunden, seitdem sie durch Besitz und
Herrschaft zu Gewalt und Ansehen gelangt sind; sie benutzen die katholische
Religion mit ihrem großen Einfluß nur als Mittel zur Erreichung ihrer welt¬
lichen Machtzwecke, sie stehen den heutigen Gesellschaftszuständen skeptisch oder
vielmehr nihilistisch gegenüber. Da sie nicht mehr wie unter Philipp II. und
Ferdinand II. die Fürsten am Gängelbande und infolgedessen die Völker unter
ihrem Joche haben können, so kann ihnen „nur noch - wie em bekannter
Kirchenfürst offen erklärte - die Revolution helfen." Es schreckt sie Nicht
Zurück, daß dieser Revolution neben dem Thron auch der Altar zum Opfer
fallen muß; in der Anarchie hoffen sie wieder mit ihrer festen Organisation die
Zügel an sich zu reißen. Dem Jesuitismus ist das deutsche Reich ein Hindernis
seiner Pläne. Nirgends in Europa hat die monarchische Institution festere
Wurzeln, nirgends 'ist die sittliche und physische Macht so stark, um ein festes
Bollwerk gegen die Umsturzbestrebungen zu bilden. Jede Kräftigung des deutschen
Reiches rückt die Revolution, das Heilmittel des Jesuitismus, in die Ferne.
Der Jesuitismus ist international; es war daher natürlich, daß er alle seine
Organe in Bewegung setzte, um das Kirchengesetz zu bekämpfen, den Papst ein¬
zuschüchtern und das Volk vor dem Frieden zwischen Staat und Kirche zu
warnen. Dieselben Angriffe welche das Berliner Jesuitenblatt „Germania
brachte, kehrten im „Wiener Vaterland" des Jesuiten von Vogelsang, in den
Pariser Jesuitenzeitungcn Univers und Nouäö wieder; dieselben Schmähungen


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[0403] Der Friede mit Rom. waffncter Friede gefolgt, es hat den Anschein, als ob die Erlangung der deutschen Einheit noch in einem zweiten großen Kriege gesichert werden müsse, wie ihn Friedrich der Große zur Erhaltung der preußischen Großmachtsstellnng zu führen genötigt war. Um alle diese Gefahren zu bestehen, bedarf Preußen und das deutsche Reich der vereinten Kräfte aller seiner treuen Sohne, und für die Sammlung derselben spielt der konfessionelle Friede keine geringe Rolle Der kirchliche Friede, wie er durch das Gesetz vom 29. April erreicht ist. wird Mete unsrer katholischen Mitbürger ihrer staatserhaltenden Aufgabe näher fuhren, er wird sie dem Staate gegenüber pflichtbewußter und opferfreudiger machen; ste werden sich nicht mehr — wenn auch nur in ungerechtfertigter Bitterkeit - als Staatsbürger zweiter Klasse betrachten, sondern ihre Kräfte, die sie oft mit Widerstreben gegen die Negierung verwendet haben, dieser zur Erfüllung ge¬ meinsamer Aufgaben zur Verfügung stellen. Der Jesuitismus und die Kampfeszeit haben in der katholischen Krrchen- gemeinschaft Elemente groß gezogen, welche in dem Gesetze vom 29. Ayrt d. ^keinen Segen erblicken ^ es bis auf den letzten Augenblick bekämpft haben und sich zur Zeit nur noch Schweigen auferlegen, weil sie nicht allzu offen ihren Ungehorsam gegen ihr geistliches Oberhaupt ohne Schädigung ihrer eignen Interessen der Welt enthüllen dürfen. Die Jesuiten sollten der Bestimmung ihres Stifters entsprechend eine Kampfgenossenschaft für die päpstliche Macht sein, allein dieser Grundsatz ist längst überwunden, seitdem sie durch Besitz und Herrschaft zu Gewalt und Ansehen gelangt sind; sie benutzen die katholische Religion mit ihrem großen Einfluß nur als Mittel zur Erreichung ihrer welt¬ lichen Machtzwecke, sie stehen den heutigen Gesellschaftszuständen skeptisch oder vielmehr nihilistisch gegenüber. Da sie nicht mehr wie unter Philipp II. und Ferdinand II. die Fürsten am Gängelbande und infolgedessen die Völker unter ihrem Joche haben können, so kann ihnen „nur noch - wie em bekannter Kirchenfürst offen erklärte - die Revolution helfen." Es schreckt sie Nicht Zurück, daß dieser Revolution neben dem Thron auch der Altar zum Opfer fallen muß; in der Anarchie hoffen sie wieder mit ihrer festen Organisation die Zügel an sich zu reißen. Dem Jesuitismus ist das deutsche Reich ein Hindernis seiner Pläne. Nirgends in Europa hat die monarchische Institution festere Wurzeln, nirgends 'ist die sittliche und physische Macht so stark, um ein festes Bollwerk gegen die Umsturzbestrebungen zu bilden. Jede Kräftigung des deutschen Reiches rückt die Revolution, das Heilmittel des Jesuitismus, in die Ferne. Der Jesuitismus ist international; es war daher natürlich, daß er alle seine Organe in Bewegung setzte, um das Kirchengesetz zu bekämpfen, den Papst ein¬ zuschüchtern und das Volk vor dem Frieden zwischen Staat und Kirche zu warnen. Dieselben Angriffe welche das Berliner Jesuitenblatt „Germania brachte, kehrten im „Wiener Vaterland" des Jesuiten von Vogelsang, in den Pariser Jesuitenzeitungcn Univers und Nouäö wieder; dieselben Schmähungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/403>, abgerufen am 17.09.2024.