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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

Maß derselben sich am besten mit dem Wohle des Ganzen verträgt. Alle
Organisationen im staatlichen und wirtschaftlichen Leben werden gemacht von
denkenden und schaffenden Urhebern, aber sie entwickeln sich nicht von selbst.
Das deutsche Reich hat sich nicht aus den Gedanken der liberalen Gelehrten
und Bürger entwickelt, sondern es ist geschaffen durch große denkende Herrscher,
Staatsmänner und Helden, die der Neid der Parteien vergeblich zu verkleinern
bestrebt ist. Wie in der organischen Natur die Idee des Gesamtorganismus
die Entwicklung desselben bestimmt, so ist es bei allen menschlichen Thaten und
Schöpfungen, daß der Gedanke des Urhebers sie hervorruft, aber sie entwickeln
sich nicht durch sich selbst. Der weiß wenig von dem wahren Wesen der
Freiheit, der sie zu einer Erscheinung herabwürdigt und sie in Raum und Zeit
sich entwickeln läßt.




Joachim Heinrich Campe
als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.
von Friedrich Roldewey.

or etwa zwei Jahren ist die überreiche Fülle der in Deutschland
schon vorhandenen Vereine noch um eine neue Genossenschaft ver¬
mehrt worden, die unter dem Namen "Allgemeiner deutscher
Sprachverein" den Zweck verfolgt: 1. die Erhaltung und Wieder-
-- Herstellung des echten Geistes und wahren Wesens der deutschen
praesc zu Pflegen; dabei 2. ganz vorzugsweise die Reinigung derselben von
feinden Bestandteilen zu fordern; sowie 3. die Errichtung einer Akademie der
rutschen Sprache von Reichswegen zu erstreben.

Trotz der unverkennbaren und gewiß nicht unberechtigten Vereinsmüdigkeit,
Arr Zeit auf den Gemütern lastet, hat der Sprachverein mit überraschender
Schnelligkeit in weiten Kreisen Anklang gefunden, ein deutlicher Beweis, daß
wi in dem deutschen Volke vorhandenes, wenn auch vielfach noch unklares und
""bewußtes Verlangen dem Gedanken, von dem die Begründer des Vereins sich
alten ließen, entgegenkam. Schon ist die Zahl der Zweigvereine auf einund-
^chtzig, die der Mitglieder auf mehr als viertausend gestiegen; Namen vom aller¬
besten Klänge stehen darunter, wohl geeignet, gegen die abfälligen Urteile, die
hie und da über die Bestrebungen der "Puristen" sich vernehmbar gemacht haben,
cui bedeutsames Gegengewicht zu bilden; eine nicht geringe Anzahl von Zeit-


Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

Maß derselben sich am besten mit dem Wohle des Ganzen verträgt. Alle
Organisationen im staatlichen und wirtschaftlichen Leben werden gemacht von
denkenden und schaffenden Urhebern, aber sie entwickeln sich nicht von selbst.
Das deutsche Reich hat sich nicht aus den Gedanken der liberalen Gelehrten
und Bürger entwickelt, sondern es ist geschaffen durch große denkende Herrscher,
Staatsmänner und Helden, die der Neid der Parteien vergeblich zu verkleinern
bestrebt ist. Wie in der organischen Natur die Idee des Gesamtorganismus
die Entwicklung desselben bestimmt, so ist es bei allen menschlichen Thaten und
Schöpfungen, daß der Gedanke des Urhebers sie hervorruft, aber sie entwickeln
sich nicht durch sich selbst. Der weiß wenig von dem wahren Wesen der
Freiheit, der sie zu einer Erscheinung herabwürdigt und sie in Raum und Zeit
sich entwickeln läßt.




Joachim Heinrich Campe
als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.
von Friedrich Roldewey.

or etwa zwei Jahren ist die überreiche Fülle der in Deutschland
schon vorhandenen Vereine noch um eine neue Genossenschaft ver¬
mehrt worden, die unter dem Namen „Allgemeiner deutscher
Sprachverein" den Zweck verfolgt: 1. die Erhaltung und Wieder-
— Herstellung des echten Geistes und wahren Wesens der deutschen
praesc zu Pflegen; dabei 2. ganz vorzugsweise die Reinigung derselben von
feinden Bestandteilen zu fordern; sowie 3. die Errichtung einer Akademie der
rutschen Sprache von Reichswegen zu erstreben.

Trotz der unverkennbaren und gewiß nicht unberechtigten Vereinsmüdigkeit,
Arr Zeit auf den Gemütern lastet, hat der Sprachverein mit überraschender
Schnelligkeit in weiten Kreisen Anklang gefunden, ein deutlicher Beweis, daß
wi in dem deutschen Volke vorhandenes, wenn auch vielfach noch unklares und
«»bewußtes Verlangen dem Gedanken, von dem die Begründer des Vereins sich
alten ließen, entgegenkam. Schon ist die Zahl der Zweigvereine auf einund-
^chtzig, die der Mitglieder auf mehr als viertausend gestiegen; Namen vom aller¬
besten Klänge stehen darunter, wohl geeignet, gegen die abfälligen Urteile, die
hie und da über die Bestrebungen der „Puristen" sich vernehmbar gemacht haben,
cui bedeutsames Gegengewicht zu bilden; eine nicht geringe Anzahl von Zeit-


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[0365] Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. Maß derselben sich am besten mit dem Wohle des Ganzen verträgt. Alle Organisationen im staatlichen und wirtschaftlichen Leben werden gemacht von denkenden und schaffenden Urhebern, aber sie entwickeln sich nicht von selbst. Das deutsche Reich hat sich nicht aus den Gedanken der liberalen Gelehrten und Bürger entwickelt, sondern es ist geschaffen durch große denkende Herrscher, Staatsmänner und Helden, die der Neid der Parteien vergeblich zu verkleinern bestrebt ist. Wie in der organischen Natur die Idee des Gesamtorganismus die Entwicklung desselben bestimmt, so ist es bei allen menschlichen Thaten und Schöpfungen, daß der Gedanke des Urhebers sie hervorruft, aber sie entwickeln sich nicht durch sich selbst. Der weiß wenig von dem wahren Wesen der Freiheit, der sie zu einer Erscheinung herabwürdigt und sie in Raum und Zeit sich entwickeln läßt. Joachim Heinrich Campe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. von Friedrich Roldewey. or etwa zwei Jahren ist die überreiche Fülle der in Deutschland schon vorhandenen Vereine noch um eine neue Genossenschaft ver¬ mehrt worden, die unter dem Namen „Allgemeiner deutscher Sprachverein" den Zweck verfolgt: 1. die Erhaltung und Wieder- — Herstellung des echten Geistes und wahren Wesens der deutschen praesc zu Pflegen; dabei 2. ganz vorzugsweise die Reinigung derselben von feinden Bestandteilen zu fordern; sowie 3. die Errichtung einer Akademie der rutschen Sprache von Reichswegen zu erstreben. Trotz der unverkennbaren und gewiß nicht unberechtigten Vereinsmüdigkeit, Arr Zeit auf den Gemütern lastet, hat der Sprachverein mit überraschender Schnelligkeit in weiten Kreisen Anklang gefunden, ein deutlicher Beweis, daß wi in dem deutschen Volke vorhandenes, wenn auch vielfach noch unklares und «»bewußtes Verlangen dem Gedanken, von dem die Begründer des Vereins sich alten ließen, entgegenkam. Schon ist die Zahl der Zweigvereine auf einund- ^chtzig, die der Mitglieder auf mehr als viertausend gestiegen; Namen vom aller¬ besten Klänge stehen darunter, wohl geeignet, gegen die abfälligen Urteile, die hie und da über die Bestrebungen der „Puristen" sich vernehmbar gemacht haben, cui bedeutsames Gegengewicht zu bilden; eine nicht geringe Anzahl von Zeit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/365>, abgerufen am 17.09.2024.