Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin' leider nicht unnötiger wirt.

__
sollte. Mit der märkischen Schweiz ist es aber wirklich so schlimm nicht.
Neustadt-Eberswalde. Falkenberg, das Bad Freienwalde, dann auf der Süd¬
seite gegen Berlin hin das Städtchen Buckow mit seiner ungemein manmch-
faltigen Umgebung - das sind Punkte, die auch der Weitgereiste steh ge¬
fallen lasten kann. Es ist schließlich alles "kurz beisammen." d. h. es laßt
sich das. was das Aufsuchen lohnt, auf eine nicht allzu große Menge von
Punkten zurückführen. Aber soll man sich darum nicht dessen freuen, was
man hat?

Vielleicht lächelt mancher Leser über unsern Eifer, wenig bekannte Gegenden
und unbedeutende Städtchen dem Interesse des großen Publikums aufdrängen
zu wollen. Es ist wahr, daß wir persönlich lieber in einer Gegend zweiten
und dritten Ranges mit einer gewissen Behaglichkeit umherschweifen, statt in
einer Gegend ersten Ranges nur ein Glied in dem großen Schwärme zu sein
und von Punkt zu Punkt eigentlich mehr umhergereist zu werden als zu reisen.
Das wird aber manchem andern auch so gehen. Ferner ist es richtig, daß wir
eine gewisse Schwäche für weltvergessene, dabei aber der eignen Individualität
nicht entbehrende kleine Städte haben. Aber wir glauben, die meisten Leute
wissen garnicht, was für köstliche Nester es unter diesen Städtchen giebt sonst
würden ihrer gar viele unsern Geschmack teilen. Wahrlich, nicht selten findet
sich in denselben alles beisammen, was des Menschen Auge, Herz und Gaumen
erfreuen kann; auch der Geist geht nicht leer aus. Gemeiniglich vermißt man
nur Dinge, deren man satt und übersatt ist.

Darum zweifeln wir garnicht, daß eine systematische Befassung mit diesen
Dingen auch den Blättern selbst das Umhersuchen nach schönen Punkten und
interessanten Städtchen sehr bald zu einem lieben, herzerfreuenden Geschäfte
machen würde. Sollte denn wirklich die Wiedergabe vaterländischer Landschasts-
und Städtebilder ihnen selbst nicht angenehmer sein als die, neuerdings auf¬
kommende Darstellung von "Phantasielandschaften" mit Phantasiemenschen in
Phantasiekostümen aus modernen Opern? Wir glauben, daß der Kreis ein ehr
beschränkter ist, der den betreffenden Blättern dergleichen dankt; aber wir sind
überzeugt, daß nicht nur die Bewohner der betreffenden Gegenden, sondern
auch eine sehr zahlreiche Klasse von Lesern ihnen danken würden, wenn sie em
Bild nach dem andern aus unsern heimischen Gauen aufrollten -- je mehr aus
der Verborgenheit, desto besser!




Grenzboten II. 1887.42
Gin' leider nicht unnötiger wirt.

__
sollte. Mit der märkischen Schweiz ist es aber wirklich so schlimm nicht.
Neustadt-Eberswalde. Falkenberg, das Bad Freienwalde, dann auf der Süd¬
seite gegen Berlin hin das Städtchen Buckow mit seiner ungemein manmch-
faltigen Umgebung - das sind Punkte, die auch der Weitgereiste steh ge¬
fallen lasten kann. Es ist schließlich alles „kurz beisammen." d. h. es laßt
sich das. was das Aufsuchen lohnt, auf eine nicht allzu große Menge von
Punkten zurückführen. Aber soll man sich darum nicht dessen freuen, was
man hat?

Vielleicht lächelt mancher Leser über unsern Eifer, wenig bekannte Gegenden
und unbedeutende Städtchen dem Interesse des großen Publikums aufdrängen
zu wollen. Es ist wahr, daß wir persönlich lieber in einer Gegend zweiten
und dritten Ranges mit einer gewissen Behaglichkeit umherschweifen, statt in
einer Gegend ersten Ranges nur ein Glied in dem großen Schwärme zu sein
und von Punkt zu Punkt eigentlich mehr umhergereist zu werden als zu reisen.
Das wird aber manchem andern auch so gehen. Ferner ist es richtig, daß wir
eine gewisse Schwäche für weltvergessene, dabei aber der eignen Individualität
nicht entbehrende kleine Städte haben. Aber wir glauben, die meisten Leute
wissen garnicht, was für köstliche Nester es unter diesen Städtchen giebt sonst
würden ihrer gar viele unsern Geschmack teilen. Wahrlich, nicht selten findet
sich in denselben alles beisammen, was des Menschen Auge, Herz und Gaumen
erfreuen kann; auch der Geist geht nicht leer aus. Gemeiniglich vermißt man
nur Dinge, deren man satt und übersatt ist.

Darum zweifeln wir garnicht, daß eine systematische Befassung mit diesen
Dingen auch den Blättern selbst das Umhersuchen nach schönen Punkten und
interessanten Städtchen sehr bald zu einem lieben, herzerfreuenden Geschäfte
machen würde. Sollte denn wirklich die Wiedergabe vaterländischer Landschasts-
und Städtebilder ihnen selbst nicht angenehmer sein als die, neuerdings auf¬
kommende Darstellung von „Phantasielandschaften" mit Phantasiemenschen in
Phantasiekostümen aus modernen Opern? Wir glauben, daß der Kreis ein ehr
beschränkter ist, der den betreffenden Blättern dergleichen dankt; aber wir sind
überzeugt, daß nicht nur die Bewohner der betreffenden Gegenden, sondern
auch eine sehr zahlreiche Klasse von Lesern ihnen danken würden, wenn sie em
Bild nach dem andern aus unsern heimischen Gauen aufrollten — je mehr aus
der Verborgenheit, desto besser!




Grenzboten II. 1887.42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288790"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin' leider nicht unnötiger wirt.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_978" prev="#ID_977"> __<lb/>
sollte. Mit der märkischen Schweiz ist es aber wirklich so schlimm nicht.<lb/>
Neustadt-Eberswalde. Falkenberg, das Bad Freienwalde, dann auf der Süd¬<lb/>
seite gegen Berlin hin das Städtchen Buckow mit seiner ungemein manmch-<lb/>
faltigen Umgebung - das sind Punkte, die auch der Weitgereiste steh ge¬<lb/>
fallen lasten kann. Es ist schließlich alles &#x201E;kurz beisammen." d. h. es laßt<lb/>
sich das. was das Aufsuchen lohnt, auf eine nicht allzu große Menge von<lb/>
Punkten zurückführen. Aber soll man sich darum nicht dessen freuen, was<lb/>
man hat?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_979"> Vielleicht lächelt mancher Leser über unsern Eifer, wenig bekannte Gegenden<lb/>
und unbedeutende Städtchen dem Interesse des großen Publikums aufdrängen<lb/>
zu wollen. Es ist wahr, daß wir persönlich lieber in einer Gegend zweiten<lb/>
und dritten Ranges mit einer gewissen Behaglichkeit umherschweifen, statt in<lb/>
einer Gegend ersten Ranges nur ein Glied in dem großen Schwärme zu sein<lb/>
und von Punkt zu Punkt eigentlich mehr umhergereist zu werden als zu reisen.<lb/>
Das wird aber manchem andern auch so gehen. Ferner ist es richtig, daß wir<lb/>
eine gewisse Schwäche für weltvergessene, dabei aber der eignen Individualität<lb/>
nicht entbehrende kleine Städte haben. Aber wir glauben, die meisten Leute<lb/>
wissen garnicht, was für köstliche Nester es unter diesen Städtchen giebt sonst<lb/>
würden ihrer gar viele unsern Geschmack teilen. Wahrlich, nicht selten findet<lb/>
sich in denselben alles beisammen, was des Menschen Auge, Herz und Gaumen<lb/>
erfreuen kann; auch der Geist geht nicht leer aus. Gemeiniglich vermißt man<lb/>
nur Dinge, deren man satt und übersatt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_980"> Darum zweifeln wir garnicht, daß eine systematische Befassung mit diesen<lb/>
Dingen auch den Blättern selbst das Umhersuchen nach schönen Punkten und<lb/>
interessanten Städtchen sehr bald zu einem lieben, herzerfreuenden Geschäfte<lb/>
machen würde. Sollte denn wirklich die Wiedergabe vaterländischer Landschasts-<lb/>
und Städtebilder ihnen selbst nicht angenehmer sein als die, neuerdings auf¬<lb/>
kommende Darstellung von &#x201E;Phantasielandschaften" mit Phantasiemenschen in<lb/>
Phantasiekostümen aus modernen Opern? Wir glauben, daß der Kreis ein ehr<lb/>
beschränkter ist, der den betreffenden Blättern dergleichen dankt; aber wir sind<lb/>
überzeugt, daß nicht nur die Bewohner der betreffenden Gegenden, sondern<lb/>
auch eine sehr zahlreiche Klasse von Lesern ihnen danken würden, wenn sie em<lb/>
Bild nach dem andern aus unsern heimischen Gauen aufrollten &#x2014; je mehr aus<lb/>
der Verborgenheit, desto besser!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1887.42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] Gin' leider nicht unnötiger wirt. __ sollte. Mit der märkischen Schweiz ist es aber wirklich so schlimm nicht. Neustadt-Eberswalde. Falkenberg, das Bad Freienwalde, dann auf der Süd¬ seite gegen Berlin hin das Städtchen Buckow mit seiner ungemein manmch- faltigen Umgebung - das sind Punkte, die auch der Weitgereiste steh ge¬ fallen lasten kann. Es ist schließlich alles „kurz beisammen." d. h. es laßt sich das. was das Aufsuchen lohnt, auf eine nicht allzu große Menge von Punkten zurückführen. Aber soll man sich darum nicht dessen freuen, was man hat? Vielleicht lächelt mancher Leser über unsern Eifer, wenig bekannte Gegenden und unbedeutende Städtchen dem Interesse des großen Publikums aufdrängen zu wollen. Es ist wahr, daß wir persönlich lieber in einer Gegend zweiten und dritten Ranges mit einer gewissen Behaglichkeit umherschweifen, statt in einer Gegend ersten Ranges nur ein Glied in dem großen Schwärme zu sein und von Punkt zu Punkt eigentlich mehr umhergereist zu werden als zu reisen. Das wird aber manchem andern auch so gehen. Ferner ist es richtig, daß wir eine gewisse Schwäche für weltvergessene, dabei aber der eignen Individualität nicht entbehrende kleine Städte haben. Aber wir glauben, die meisten Leute wissen garnicht, was für köstliche Nester es unter diesen Städtchen giebt sonst würden ihrer gar viele unsern Geschmack teilen. Wahrlich, nicht selten findet sich in denselben alles beisammen, was des Menschen Auge, Herz und Gaumen erfreuen kann; auch der Geist geht nicht leer aus. Gemeiniglich vermißt man nur Dinge, deren man satt und übersatt ist. Darum zweifeln wir garnicht, daß eine systematische Befassung mit diesen Dingen auch den Blättern selbst das Umhersuchen nach schönen Punkten und interessanten Städtchen sehr bald zu einem lieben, herzerfreuenden Geschäfte machen würde. Sollte denn wirklich die Wiedergabe vaterländischer Landschasts- und Städtebilder ihnen selbst nicht angenehmer sein als die, neuerdings auf¬ kommende Darstellung von „Phantasielandschaften" mit Phantasiemenschen in Phantasiekostümen aus modernen Opern? Wir glauben, daß der Kreis ein ehr beschränkter ist, der den betreffenden Blättern dergleichen dankt; aber wir sind überzeugt, daß nicht nur die Bewohner der betreffenden Gegenden, sondern auch eine sehr zahlreiche Klasse von Lesern ihnen danken würden, wenn sie em Bild nach dem andern aus unsern heimischen Gauen aufrollten — je mehr aus der Verborgenheit, desto besser! Grenzboten II. 1887.42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/337>, abgerufen am 17.09.2024.