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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Lin leider nicht unnötiger komt.

heischen Sinne für ziemlich "abgegrast" hält, noch eine große Menge wenig
bekannter und doch durchaus lohnender, der Beschreibung wie dem Stift des
Zeichners reiche Ausbeute bietender Orte und Gegenden giebt. Aber nehmen
wir ein noch auffallenderes Beispiel aus einem deutschen Lande, wo das Klein-
touristentum und das Interesse an einheimischen landschaftlichen Schönheiten
von jeher in besonders hoher Blüte gestanden hat: aus Württemberg.

Da sind zwei kleine Flüsse, beide eine überaus reizvolle und an Schlössern
und bemerkenswerten Städtchen (darunter eine höchst sehenswerte alte Reichs¬
stadt) ungemein reiche Thal-, Berg- und Waldlandschaft durchströmend, immer
nur durch wenige Stunden interessantester Hügellandschaft von einander getrennt,
dann kurz vor der Einmündung in den größern Fluß, unweit einer großen und
berühmten, von Touristen überschwemmten Stadt sich vereinigend. Wer weiß
etwas von ihnen? Wer hat je von den Thälern des Kochers und der Jagst,
wer von Ingelfingen, Künzelsau, Öhriugeu, Waldenburg, Möckmühl, Jagst-
hausen gehört? Nun ja doch -- der beiden letzter" Namen erinnert man sich
vom "Götz von Berlichingen" her, und nun fällt es einem auch ein, daß man
von Hall am Kocher doch wohl hat reden hören. Ist es nicht merkwürdig,
daß sich von Heilbronn nicht auch ein kleiner Zug des Fremdenverkehrs diesen,
freilich abgelegenen und zum überwiegenden Teil der Eisenbahnverbindung noch
entbehrenden, aber eben darum -- wenigstens für den rüstigen Fußwanderer --
manche Vorteile und Annehmlichkeiten bietenden Thälern und Höhen der alten
Hohenlohischen und Löwensteinischen Gebiete zuwendet? Es ist eben nicht Mode,
und man hat sie noch niemals abgebildet und besprochen gesehen. Da liegt's!
Ähnliches ließe sich auch noch aus einem andern Teile Württembergs, nämlich
ans Oberschwaben, aus dem Lande der rauhen Alp und dann gegen den Bodensee
zu berichten, aber es mag genug sein.

Nur noch ein Beispiel aus -- der Mark Brandenburg. Nun, da giebt's
doch nach der Meinung vieler Leute sicherlich in landschaftlicher Hinsicht und
auch in Bezug auf Reiz und bauliche Merkwürdigkeit der Städte außer Berlin
und Potsdam nichts zu holen. Welcher Irrtum! Wie reizend und interessant
ist das alte Brandenburg mit seinem Marienberg, wie angenehm ist nicht die
Lage Krossens und andrer Städte! Aber beschränken wir uns wieder auf ein
größeres, zur Beschreibung und Illustrirung unsern Blättern zu empfehlendes
Gebiet: die sogenannte märkische Schweiz, mit andern Worten die südlichen,
nördlichen und östlichen Ränder der Hochebene, welche sich nordöstlich von der
Spree gegen die Oder zu erstreckt. Außerhalb der Provinz Brandenburg weiß
man von diesem Gebiete so viel wie nichts und nimmt jedenfalls an, daß der
Besuch schwerlich der Mühe lohne. Nun, wir wollen ja auch nicht behaupten,
der Rheinländer und Süddeutsche sollten eigens nach der märkischen Schweiz
reisen; aber die Leute im Nordosten sind doch auch da, und wir meinen, daß
jede deutsche Landschaft ihre, wenn auch bescheidenen Reize kennen und Pflegen


Lin leider nicht unnötiger komt.

heischen Sinne für ziemlich „abgegrast" hält, noch eine große Menge wenig
bekannter und doch durchaus lohnender, der Beschreibung wie dem Stift des
Zeichners reiche Ausbeute bietender Orte und Gegenden giebt. Aber nehmen
wir ein noch auffallenderes Beispiel aus einem deutschen Lande, wo das Klein-
touristentum und das Interesse an einheimischen landschaftlichen Schönheiten
von jeher in besonders hoher Blüte gestanden hat: aus Württemberg.

Da sind zwei kleine Flüsse, beide eine überaus reizvolle und an Schlössern
und bemerkenswerten Städtchen (darunter eine höchst sehenswerte alte Reichs¬
stadt) ungemein reiche Thal-, Berg- und Waldlandschaft durchströmend, immer
nur durch wenige Stunden interessantester Hügellandschaft von einander getrennt,
dann kurz vor der Einmündung in den größern Fluß, unweit einer großen und
berühmten, von Touristen überschwemmten Stadt sich vereinigend. Wer weiß
etwas von ihnen? Wer hat je von den Thälern des Kochers und der Jagst,
wer von Ingelfingen, Künzelsau, Öhriugeu, Waldenburg, Möckmühl, Jagst-
hausen gehört? Nun ja doch — der beiden letzter» Namen erinnert man sich
vom „Götz von Berlichingen" her, und nun fällt es einem auch ein, daß man
von Hall am Kocher doch wohl hat reden hören. Ist es nicht merkwürdig,
daß sich von Heilbronn nicht auch ein kleiner Zug des Fremdenverkehrs diesen,
freilich abgelegenen und zum überwiegenden Teil der Eisenbahnverbindung noch
entbehrenden, aber eben darum — wenigstens für den rüstigen Fußwanderer —
manche Vorteile und Annehmlichkeiten bietenden Thälern und Höhen der alten
Hohenlohischen und Löwensteinischen Gebiete zuwendet? Es ist eben nicht Mode,
und man hat sie noch niemals abgebildet und besprochen gesehen. Da liegt's!
Ähnliches ließe sich auch noch aus einem andern Teile Württembergs, nämlich
ans Oberschwaben, aus dem Lande der rauhen Alp und dann gegen den Bodensee
zu berichten, aber es mag genug sein.

Nur noch ein Beispiel aus — der Mark Brandenburg. Nun, da giebt's
doch nach der Meinung vieler Leute sicherlich in landschaftlicher Hinsicht und
auch in Bezug auf Reiz und bauliche Merkwürdigkeit der Städte außer Berlin
und Potsdam nichts zu holen. Welcher Irrtum! Wie reizend und interessant
ist das alte Brandenburg mit seinem Marienberg, wie angenehm ist nicht die
Lage Krossens und andrer Städte! Aber beschränken wir uns wieder auf ein
größeres, zur Beschreibung und Illustrirung unsern Blättern zu empfehlendes
Gebiet: die sogenannte märkische Schweiz, mit andern Worten die südlichen,
nördlichen und östlichen Ränder der Hochebene, welche sich nordöstlich von der
Spree gegen die Oder zu erstreckt. Außerhalb der Provinz Brandenburg weiß
man von diesem Gebiete so viel wie nichts und nimmt jedenfalls an, daß der
Besuch schwerlich der Mühe lohne. Nun, wir wollen ja auch nicht behaupten,
der Rheinländer und Süddeutsche sollten eigens nach der märkischen Schweiz
reisen; aber die Leute im Nordosten sind doch auch da, und wir meinen, daß
jede deutsche Landschaft ihre, wenn auch bescheidenen Reize kennen und Pflegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/336>, abgerufen am 17.09.2024.