Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.

Wo ist des Deutschen Vaterland?
Wo sich der Bürger Angesicht,
Wenn man vom Raub der Länder spricht,
Nicht färbet mit dem Rot der scheint',
Da ist des Deutschen Vaterland.
Wo ist des Deutschen Vaterland?
Wo Raubmord noch im Krieg geübt,
Wo himmelhoch der Mordbrand glüht,
Wo aufgelöst der Menschheit Band,
Da ist des Deutschen Vaterland.
Drum Fluch dem deutschen falschen Land!
Wo jedes freie Wort erstickt,
Wo alles Schöne früh geknickt,
Wo nur gedeihen Schmach und scheint',
Ja, Fluch dem deutschen falschen Land!

Nach allen diesen Mitteilungen kann das Urteil der Leser über das Wesen
und die Ziele der Patriotenliga nicht zweifelhaft sein, und so können wir uns
enthalten, das unsre abzugeben. Es genüge zu sagen, daß sie auf Friedens¬
und Rechtsbruch hinarbeitet, und daß Reichsangehörige, die ihr beitreten, ihr
Beiträge zahlen, für sie als Werber wirken, als Verbrecher anzusehen und zu
behandeln sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Bund die Wieder¬
eroberung Elsaß-Lothringens, die er mit allen Mitteln erstrebt und vorzubereiten
bemüht ist, mit Hilfe der französischen Regierung und der Armee ins Werk
setzen will, oder ob er meint, das Unternehmen für sich, nur mit dem Beistande
der ihm affiliirten Schützen- und Turnervereine und in Erwartung einer gleich¬
zeitigen Erhebung in den Reichslanden, wagen zu können. Sicher ist auf jeden
Fall, daß die Liga sich nicht auf Frankreich und die Franzosen beschränkte,
sondern ihre Netze auch diesseits der Vogesen aufstellen ließ und das Volk
hier zur Mitwirkung bei der beabsichtigten Wiedervereinigung mit Frankreich
anzuregen, zu erhitzen und sonst bereit zu machen mit dem ihr eignen Eifer
bestrebt war.




Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
24.

on einer Mehrheit, welche, wie mein Freund Richter es so treffend
bezeichnet hat, allein durch die Furcht vor einem Kriege zusammen¬
gebracht worden ist, konnte zwar nichts gutes erwartet werden.
Dennoch muß es den wahren Patrioten mit brennendem Schmerze
^ erfüllen, daß der Ton der parlamentarischen Verhandlungen immer
mehr von der würdevollen Höhe, auf welcher ihn die freisinnigen Redner zu


Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.

Wo ist des Deutschen Vaterland?
Wo sich der Bürger Angesicht,
Wenn man vom Raub der Länder spricht,
Nicht färbet mit dem Rot der scheint',
Da ist des Deutschen Vaterland.
Wo ist des Deutschen Vaterland?
Wo Raubmord noch im Krieg geübt,
Wo himmelhoch der Mordbrand glüht,
Wo aufgelöst der Menschheit Band,
Da ist des Deutschen Vaterland.
Drum Fluch dem deutschen falschen Land!
Wo jedes freie Wort erstickt,
Wo alles Schöne früh geknickt,
Wo nur gedeihen Schmach und scheint',
Ja, Fluch dem deutschen falschen Land!

Nach allen diesen Mitteilungen kann das Urteil der Leser über das Wesen
und die Ziele der Patriotenliga nicht zweifelhaft sein, und so können wir uns
enthalten, das unsre abzugeben. Es genüge zu sagen, daß sie auf Friedens¬
und Rechtsbruch hinarbeitet, und daß Reichsangehörige, die ihr beitreten, ihr
Beiträge zahlen, für sie als Werber wirken, als Verbrecher anzusehen und zu
behandeln sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Bund die Wieder¬
eroberung Elsaß-Lothringens, die er mit allen Mitteln erstrebt und vorzubereiten
bemüht ist, mit Hilfe der französischen Regierung und der Armee ins Werk
setzen will, oder ob er meint, das Unternehmen für sich, nur mit dem Beistande
der ihm affiliirten Schützen- und Turnervereine und in Erwartung einer gleich¬
zeitigen Erhebung in den Reichslanden, wagen zu können. Sicher ist auf jeden
Fall, daß die Liga sich nicht auf Frankreich und die Franzosen beschränkte,
sondern ihre Netze auch diesseits der Vogesen aufstellen ließ und das Volk
hier zur Mitwirkung bei der beabsichtigten Wiedervereinigung mit Frankreich
anzuregen, zu erhitzen und sonst bereit zu machen mit dem ihr eignen Eifer
bestrebt war.




Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.
24.

on einer Mehrheit, welche, wie mein Freund Richter es so treffend
bezeichnet hat, allein durch die Furcht vor einem Kriege zusammen¬
gebracht worden ist, konnte zwar nichts gutes erwartet werden.
Dennoch muß es den wahren Patrioten mit brennendem Schmerze
^ erfüllen, daß der Ton der parlamentarischen Verhandlungen immer
mehr von der würdevollen Höhe, auf welcher ihn die freisinnigen Redner zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288749"/>
          <fw type="header" place="top"> Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.</fw><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_8" type="poem">
              <l> Wo ist des Deutschen Vaterland?<lb/>
Wo sich der Bürger Angesicht,<lb/>
Wenn man vom Raub der Länder spricht,<lb/>
Nicht färbet mit dem Rot der scheint',<lb/>
Da ist des Deutschen Vaterland.</l>
              <l> Wo ist des Deutschen Vaterland?<lb/>
Wo Raubmord noch im Krieg geübt,<lb/>
Wo himmelhoch der Mordbrand glüht,<lb/>
Wo aufgelöst der Menschheit Band,<lb/>
Da ist des Deutschen Vaterland.</l>
              <l> Drum Fluch dem deutschen falschen Land!<lb/>
Wo jedes freie Wort erstickt,<lb/>
Wo alles Schöne früh geknickt,<lb/>
Wo nur gedeihen Schmach und scheint',<lb/>
Ja, Fluch dem deutschen falschen Land!</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_879"> Nach allen diesen Mitteilungen kann das Urteil der Leser über das Wesen<lb/>
und die Ziele der Patriotenliga nicht zweifelhaft sein, und so können wir uns<lb/>
enthalten, das unsre abzugeben. Es genüge zu sagen, daß sie auf Friedens¬<lb/>
und Rechtsbruch hinarbeitet, und daß Reichsangehörige, die ihr beitreten, ihr<lb/>
Beiträge zahlen, für sie als Werber wirken, als Verbrecher anzusehen und zu<lb/>
behandeln sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Bund die Wieder¬<lb/>
eroberung Elsaß-Lothringens, die er mit allen Mitteln erstrebt und vorzubereiten<lb/>
bemüht ist, mit Hilfe der französischen Regierung und der Armee ins Werk<lb/>
setzen will, oder ob er meint, das Unternehmen für sich, nur mit dem Beistande<lb/>
der ihm affiliirten Schützen- und Turnervereine und in Erwartung einer gleich¬<lb/>
zeitigen Erhebung in den Reichslanden, wagen zu können. Sicher ist auf jeden<lb/>
Fall, daß die Liga sich nicht auf Frankreich und die Franzosen beschränkte,<lb/>
sondern ihre Netze auch diesseits der Vogesen aufstellen ließ und das Volk<lb/>
hier zur Mitwirkung bei der beabsichtigten Wiedervereinigung mit Frankreich<lb/>
anzuregen, zu erhitzen und sonst bereit zu machen mit dem ihr eignen Eifer<lb/>
bestrebt war.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten.<lb/>
24. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_880" next="#ID_881"> on einer Mehrheit, welche, wie mein Freund Richter es so treffend<lb/>
bezeichnet hat, allein durch die Furcht vor einem Kriege zusammen¬<lb/>
gebracht worden ist, konnte zwar nichts gutes erwartet werden.<lb/>
Dennoch muß es den wahren Patrioten mit brennendem Schmerze<lb/>
^ erfüllen, daß der Ton der parlamentarischen Verhandlungen immer<lb/>
mehr von der würdevollen Höhe, auf welcher ihn die freisinnigen Redner zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. Wo ist des Deutschen Vaterland? Wo sich der Bürger Angesicht, Wenn man vom Raub der Länder spricht, Nicht färbet mit dem Rot der scheint', Da ist des Deutschen Vaterland. Wo ist des Deutschen Vaterland? Wo Raubmord noch im Krieg geübt, Wo himmelhoch der Mordbrand glüht, Wo aufgelöst der Menschheit Band, Da ist des Deutschen Vaterland. Drum Fluch dem deutschen falschen Land! Wo jedes freie Wort erstickt, Wo alles Schöne früh geknickt, Wo nur gedeihen Schmach und scheint', Ja, Fluch dem deutschen falschen Land! Nach allen diesen Mitteilungen kann das Urteil der Leser über das Wesen und die Ziele der Patriotenliga nicht zweifelhaft sein, und so können wir uns enthalten, das unsre abzugeben. Es genüge zu sagen, daß sie auf Friedens¬ und Rechtsbruch hinarbeitet, und daß Reichsangehörige, die ihr beitreten, ihr Beiträge zahlen, für sie als Werber wirken, als Verbrecher anzusehen und zu behandeln sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Bund die Wieder¬ eroberung Elsaß-Lothringens, die er mit allen Mitteln erstrebt und vorzubereiten bemüht ist, mit Hilfe der französischen Regierung und der Armee ins Werk setzen will, oder ob er meint, das Unternehmen für sich, nur mit dem Beistande der ihm affiliirten Schützen- und Turnervereine und in Erwartung einer gleich¬ zeitigen Erhebung in den Reichslanden, wagen zu können. Sicher ist auf jeden Fall, daß die Liga sich nicht auf Frankreich und die Franzosen beschränkte, sondern ihre Netze auch diesseits der Vogesen aufstellen ließ und das Volk hier zur Mitwirkung bei der beabsichtigten Wiedervereinigung mit Frankreich anzuregen, zu erhitzen und sonst bereit zu machen mit dem ihr eignen Eifer bestrebt war. Ungehaltene Reden eines Nichtgewählten. 24. on einer Mehrheit, welche, wie mein Freund Richter es so treffend bezeichnet hat, allein durch die Furcht vor einem Kriege zusammen¬ gebracht worden ist, konnte zwar nichts gutes erwartet werden. Dennoch muß es den wahren Patrioten mit brennendem Schmerze ^ erfüllen, daß der Ton der parlamentarischen Verhandlungen immer mehr von der würdevollen Höhe, auf welcher ihn die freisinnigen Redner zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/296>, abgerufen am 17.09.2024.